Aufgestockt

Pfeifer Kuhn Architekten
30. September 2015
Eingang Nordostseite (Foto: Claudius Pfeifer)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Wir wollten den wertvollen Baumbestand auf dem Grundstück erhalten und haben uns deshalb dazu entschieden, das vorhandene Gebäude aufzustocken. Der Neubauteil sollte energetisch so konzipiert werden, dass der bestehende Kindergarten aus den 1960er-Jahren energetisch mitversorgt und ebenfalls in die Sanierung eingebunden wird. Die Stadt Frankfurt hat sich für ihre Neubauten die Passivhaustechnologie als ökologische Verpflichtung verordnet. Diese Kindertagesstätte macht davon allerdings eine Ausnahme und wählte das „kybernetische Konzept“. Dabei werden die dicken Dämmpakete durch andere Maßnahmen ersetzt, um solare Gewinne in Dach und Wand einzusammeln und  energetisch zu verwerten.

Ansicht Südostseite (Foto: Claudius Pfeifer)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Neubau passt sich städtebaulich der später entstandenen Umgebungsbebauung besser an. Jetzt ist die Kindertagesstätte deutlich wahrnehmbar. Die Ausstattung und die Sanierung des Erdgeschosses wurden zudem – betrachtet man die Spanne zwischen Entwurf und Fertigstellung – nach und nach mit einem größeren Aufwand als ursprünglich gedacht weiterentwickelt.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die Ausstattung und die Sanierung des Erdgeschosses wurden – betrachtet man die Spanne zwischen Entwurf und Fertigstellung – nach und nach mit einem größeren Aufwand als ursprünglich gedacht weiterentwickelt.

Innenecke Nordwestseite (Foto: Claudius Pfeifer)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Während der Genehmigungs- und Planungsphase gab es zeitweise streitbare Auseinandersetzungen über den Einsatz aktiver Gebäudetechnik. Der ursprünglichen Idee, die Luft im Erdgeschoss über das offene Atrium und im Obergeschoss über die Flure einzubringen und dann mittels Überström-Öffnungen in die Räume zu führen, wollte die Bauherrschaft nicht folgen. Die Begründung basierte auf der Idee, dass alle diese Lüftungsmengen exakt kontrolliert sein müssten. Letztlich sollte das Luftvolumen exakt einer berechneten Menge entsprechen und deshalb über mechanisch-technische Elemente wie steuerbare Tellerventile in die Räume geführt werden. Alle diese Argumente, so schien uns, entsprangen dem Geist der Passivhaustechnologie. Die Folge davon ist eine reichlich bemessene Gebäudetechnik, die man unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit auch hinterfragen darf. Unterstützt wird diese mit einer umfangreichen Smart-Technologie, die immerhin die Größe zweier doppeltüriger Schrankelemente einnimmt. Diese steuert alle Klappen und Luftmengen. Da die Steuerungen der vielen Ventile und Klappen voneinander abhängig sind, dienen sie auch zur Kontrolle und Nachregulierung. Das Gebäude wird über die nächsten zwei Jahre monitorisiert.

Kybernetisches Bauen – bezieht  die zur Verfügung stehenden Ressourcen eines Ortes – deren Physis wie Materialität, Topografie, Flora und Fauna – in den Gebäudeentwurf, die Konstruktion mit ein. Es geht nicht mehr um ein „energetisches Konzept“ ... dieses ist vielmehr dem System immanent.
 

Atrium (Foto: Claudius Pfeifer)
Treppenaufgang (Foto: Claudius Pfeifer)
Luftraum Mehrzweckraum (Foto: Claudius Pfeifer)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Das Obergeschoss wurde in Holz-Leichtbauweise ausgeführt. Statt eines Flachdaches wurde über die ganze Fläche ein Pultdach konstruiert, das mit transluzenten Polycarbonatplatten gedeckt ist und einen großen Luftkollektor bildet.

Das Energiekonzept ist ein Ergebnis der kybernetischen Strategie, die dieser Arbeit zugrunde liegt. Die zur Verfügung stehenden energetischen Ressourcen – solare und geothermische Energien – werden  zusammengeführt und ergänzen sich in ihrer Wirkung. Ein Luftkollektor, der über die ganze Fläche des Gebäudes angeordnet ist, bildet die Grundlage des Konzepts. Er verleiht dem Gebäude seine städtebauliche Prägnanz und seinen besonderen Charakter. Das flach geneigte Dach ist nach Südwesten orientiert und gewährleistet einen guten Solareintrag. Die entscheidende Maßnahme zum Luftkollektor im Dach ist eine entsprechend konstruierte Luftkollektorfassade rings um das gesamte Gebäude. Damit ist auch das Sammeln der solaren Energien über die Wandflächen möglich – den ganzen Tag und aus jeder Himmelsrichtung.  Die solar erwärmte Luft wird gesammelt und über ein Lüftungsgerät in jeden Raum des Gebäudes mittels Leitungen und Tellerventilen eingebracht. Die Abluft der Räume wird über steuerbare Klappen geregelt.  Die durch die Prozessenergien  – die Kinder, die Beleuchtung, die Küche und verschiedene Geräte  – angereicherte Warmluft wird zurück in den Luftkollektor der Wandflächen befördert. Der natürliche Auftrieb der Prozesswärme sorgt für den Transport der Luft in den Kollektor des Daches. Dort wird diese Warmluft über eine Wärmerückgewinnung mit Frischluftzufuhr zurück in den Kreislauf geleitet. Mit diesem Kreislauf wird auch die Nachtauskühlung des Gebäudes geleistet; denn die kühle Nachtluft durchströmt das Gebäude auf dem gleichen Weg, wenn auch gegebenenfalls technisch über Ventilatoren unterstützt. 

Lageplan (Zeichnung: Pfeifer Kuhn Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Pfeifer Kuhn Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Pfeifer Kuhn Architekten)
Kita Krambambuli
2014
Kalbacher Stadtpfad 8
60437 Frankfurt am Main

Nutzung
Kindertagesstätte und Hort

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherrschaft
Stadt Frankfurt am Main, Stadtschulamt
Vertreten durch: Städtisches Hochbauamt der Stadt Frankfurt am Main

Architektur
Entwurf und Planung:
Pfeifer Kuhn Architekten, Freiburg
Projektleitung: Dipl.-Ing. Anna Damm
Ausführung und Objektüberwachung:
Pfeifer/Damm Freie Architekten
Prof. Günter Pfeifer, Freiburg/Darmstadt
Architektin Anna Damm, Frankfurt
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: TSB Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt
Energetisches Konzept: Balck + Partner Facility Engineering, Heidelberg
Haustechnik: InPlan Ingenieurbüro TGA GmbH, Pfungstadt
Elektrotechnik: ITG Ingenieurteam für technische Gebäudeaustattung, Hochheim am Main
 
Bauleitung
Pfeifer/Damm Freie Architekten
Prof. Günter Pfeifer, Freiburg/Darmstadt
Dipl.-Ing. Architektin Anna Damm, Frankfurt
 
Ausführende Firmen
Zimmermann: Ph.Bender GmbH & Co KG, Rüsselsheim
Fensterarbeiten: Montageservice Stefan Gabor, Freigericht
Schreinerarbeiten: Schreinerei Röll, Laufach
Tischlerei Neiser GmbH und Co KG, Boppart - Buchholz
Malerarbeiten: Maler Landeck GmbH, Frankfurt am Main
Bodenbelagsarbeiten: Fussboden Sauer GmbH, Weilburg
Schlosser: Zoth GmbH & Co KG, Westernohe
 
Hersteller
Polycarbonatplatten Fassade: Rodeca GmbH, PC Typ 2540 - 6
Gutexplatten Fassade: Steico Universal, 22 mm
Polycarbonatplatten Dach: Akralux, Typ Greca 5, 16 mm
Fenster: Velfac A/S, Serie 200 verschiedene Ausführungen
Innentüren: Reinaerdt Türen GmbH
Linoleumbelag: Tarkett Style Emme xf2, 2,5 mm, Cemento
 
Energiestandard
Der Energiebedarf wurde nach Din 18599 ermittelt. In dieser DIN sind solare Gewinne in Dach und Wand nicht berücksichtigt.
Heizwärmebedarf: 47,3 kwh/m2a
Beleuchtung: 8 kwh/m2a
Der Energiebedarf, inkl. der Nutzung solarer Gewinne aus Wand und Dach, wurde per thermodynamischer Simulation errechnet.
Heizwärmebedarf: 9 kwh/m2a
Beleuchtung: 7 kwh/m2a
Die Werte aus der thermodynamischen Simulation werden über ein Monitoring (Dauer 2 Jahre) überprüft.
 
Gesamtkosten
3.400.000 € (KG 200 – 700 netto)
 
Gebäudekosten
2.200.000 € (KG 300 + 400 netto)
 
Gebäudevolumen
6.057 m³
 
Kubikmeterpreis
363 €/m³
 
Bruttogeschossfläche
1.522 m²
 
Fotos
Claudius Pfeifer, Berlin

Vorgestelltes Projekt

DGJ Paysages

Le Pardon de la Nature

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