Arbeiten im ehemaligen Getreidespeicher

SEHW Architekten
9. August 2023
Blick von Westen zur Altonaer Kaikante der Elbe (Foto: Jakob Börner)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der ehemalige Getreidespeicher mit Verladebrücke zur Elbe stammt aus dem Jahr 1937 und steht direkt an der Altonaer Kaikante der Elbe in Hamburg Altona. Der Speicher wurde als Getreidesilo errichtet und steht heute als Zeitzeuge der Industriebebauung an der sogenannten »Hamburger Perlenkette« seit 2013 unter Denkmalschutz. Prägend ist die typische Klinkerfassade, hinter der sich ein Betonskelett mit aufwendigen Betontrichterkonstruktionen und einem Stahlbetondach mit Ziegeldeckung verbirgt. Zuvor gab es unterschiedliche, mehr oder weniger sensible Eingriffe. 

Die wesentliche Aufgabe bestand darin den Charakter des Baudenkmals zu erhalten, die recht ungewöhnliche massive Betonkonstruktion von der Gründung bis zum Dach als graue Energie zu bewahren, das regelmäßig dem Hochwasser ausgesetzte Gebäude für die Zukunft vor dem vermutlich steigenden Hochwasserpegeln zu schützen und die Energiebilanz im Rahmen der Möglichkeiten deutlich zu verbessern.

Klare Kubatur des Satteldaches mit Eingang (Foto: Jakob Börner)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Entwurf blieb in seiner historischen Kubatur mit Verladebrücke, Satteldach, Gauben und sogenanntem »Dachhaus« erhalten.

Blick zum Eingang, Glas und Stahl treffen auf gestaltprägende historische Betonkonstruktion (Foto: Jakob Börner)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Es wurden im Erdgeschoss eine hochwassersichere weiße Wanne, ein neues Treppenhaus, neue Fensteröffnungen und erstmalig Geschossdecken anstelle der ursprünglichen Silozellen hinzugefügt. So entstand eine Zweitnutzung und Wiederverwertung, die den Lebenszyklus des Bauwerks mit heutiger Büronutzung entscheidend verlängert.

Weiterhin galt es, die stark angegriffene Betonkonstruktion wieder zu ertüchtigen, die bewehrte Klinkerfassade sensibel zu sanieren, das Gebäude mit einer inneren weißen Wanne bei gleichzeitiger Sicherung gegen Auftrieb durch weitere Pfahlgründungen und einem komplexen Flutschutzkonzept für die Gebäudeöffnungen vor Hochwasser zu schützen. Ebenso war eine sinnvolle Verteilung der Geschosslasten und die Nutzung der Dachgeschossebenen erforderlich. Die Erhöhung des energetischen und technischen Standards für das Bürogebäude war ein weiterer Teil der Bauaufgabe, um das Gebäude sicher in das nächste Jahrhundert zu überführen. All diese Themen mussten gelöst werden, natürlich nur unter der Voraussetzung einer sensiblen Erhaltung und anspruchsvollen Gestaltung des Baudenkmals.

Treppenhaus von unten – mit durchgehender Rohstahlbrüstung durch alle Geschosse (Foto: Jakob Börner)
Veranstaltungsraum mit Terrazzoboden (Foto: Jakob Börner)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzer*innen den Entwurf beeinflusst?

Alle Entscheidungen wurden in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber, der auch Nutzer ist, getroffen. Dieser verhielt sich sehr konstruktiv und hat die komplexen Anforderungen und Lösungsvorschläge nachvollzogen. 

Integrierte Küchenmöbel aus einem Guss (Foto: Jakob Börner)
Blick in die ehemalige Schiffs-Verladebrücke, die die Elbpromenade überkragt und früher der ehemaligen Hafenbahn zur Getreideanlieferung diente (Foto: Jakob Börner)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Dies stand nicht im Mittelpunkt, der Denkmalschutz spielte eine große Rolle, aber die Baustoffe sind weitgehend zirkulär verwendbar oder recyclebar.

Welche digitalen Instrumente haben Sie bei der Planung eingesetzt?

Hochwertige Visualisierungsvarianten im eigenen Hause für den Außen- wie Innenbereich erlaubten Raum-, Material- und Farbabstimmungen.

Die ehemalige Schiffs-Verladebrücke beherbergt nun einen Besprechungsraum mit spektakulärem Rundumblick über die Elbe (Foto: Jakob Börner)
Dachboden mit historischer Betonkonstruktion im Zusammenspiel mit puristischer Einrichtung  (Foto: Jakob Börner)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Der Innenausbau mit integrierten Möbelelementen ist aus einem Guss. Das Treppenhaus mit einer durchgehenden Rohstahlbrüstung schlängelt sich durch alle Geschosse. Durchdachter Materialeinsatz für multifunktionale Bauteile, wie beispielsweise einem Gussasphaltboden im Erdgeschoss mit optisch hochwertigem Erscheinungsbild eines Terrazzobodens, Eichenböden, Glas und Stahl, prägen den industriellen Charakter des Gebäudes. Der historische massive Betonbau zeigt sich in seiner Rohheit im Zusammenspiel mit puristischen, funktionalen Einbauten, nicht zuletzt, durch eine sensible Integration der Haustechnik, die kaum sichtbar ist.

Firstebene des «Dachhauses» mit Stahlkonstruktion (Foto: Jakob Börner)
Beschäftigten Sie sich im Büro mit den Tendenzen des zirkulären Bauens und der sozialen Nachhaltigkeit?

Wir sind überzeugt, dass die Umnutzung von Bestandsbauten wie diesen, unter Bewahrung der grauen Energie, unter erhöhten Ansprüchen an die Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten zu bewältigen ist und somit über den Erhalt des Bestandes mit einer durchdachten Umnutzung & Modernisierung maßgeblich zum ressourcenschonenden Umgang für unsere Zukunft beiträgt.

Lageplan (Zeichnung: SEHW Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: SEHW Architekten)
Schnitt (Zeichnung: SEHW Architekten)
Denkmalgerechte Sanierung und Umbau des ehemaligen Getreidespeichers Große Elbstraße 281 Hamburg 
2021
Große Elbstraße 281
22763 Hamburg

Auftragsart
Direktvergabe
 
Bauherrschaft
Ha-Es V Vermögensverwaltung GmbH& Co.KG, Hamburg
 
Architektur
SEHW Architekten PartG mbB, Bogenallee 14, 20144 Hamburg
Verantwortlicher Partner: Christoph Winkler
Mitarbeit: Sönke Meyer, Anna Meise
 
Fachplaner
Tragwerksplaner: Wetzel & von Seht, Hamburg
Haustechnik: Energiehausingenieure Planungsgesellschaft für Gebäudetechnik, Hamburg
Brandschutz: IBP Ingenieurgesellschaft für Brandschutzplanung mbH, Tornesch
Lichtplanung: Notholt Lighting Design, Hamburg

Ausführende Firmen
Rohbau: Theo Urbach GmbH, Hamburg
Flutschutzkonstruktion: Altenländer Werft GmbH, Hamburg
Metallbauarbeiten: Weiland & Kuck GmbH, Hamburg
 
Hersteller
Stahlfenster und Brandschutztüren: Fabrikat Schüco Jansen
Glastrennwände: Fabrikat Goldbach Kirchner
Teppichboden: Fabrikat Anker
Parkett: Fabrikat Thede & Witte
Innentüren: Fabrikat Schörghuber

Bruttogeschossfläche
2.628 m²
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Auszeichnung
AIV Bauwerk des Jahres 2021/22
Balthasar Neumann Preis eine von 4 Anerkennungen
BDA Anerkennung
 
Fotos
Jakob Börner

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