Haus mit Schleier
Thomas Geuder
14. octobre 2015
Der Ergänzungsbau des Schulhauses und Gemeindezentrums in Belmont-sur-Lausanne bildet einen orthogonalen Riegel zur umgebenden Bebauung. (Bild: Matthieu Gafsou)
2b architectes haben in Belmont-sur-Lausanne ein Schulhaus durch einen neuen Querriegel erweitert, der verschiedene Transparenzen zulässt, erzeugt durch verschiedene Schichten, die sich beliebig schalten lassen.
Projekt: Schulhaus und Gemeindezentrum (Belmont-sur-Lausanne, CH) | Architektur: 2b architectes – stratégies urbaines concrètes (Lausanne, CH) | Bauherr: Commune de Belmont-sur-Lausanne (Belmont-sur-Lausanne, CH) | Hersteller: Kvadrat AG (Zürich, CH), Kompetenz: Polsterstoff Field, Spezialanfertigung
Der Name lässt erahnen, was die Gemeinde Belmont-sur-Lausanne zu bieten hat: gelegen auf einer Anhöhe direkt neben dem Städtchen Lausanne in der französischen Schweiz, mit herrlichem Blick über den Lac Léman nach Frankreich – auf dem „bel mont“, dem „schönen Berg“ eben. Hier sind die Hänge teilweise steil und gen Südwesten geneigt, Belmont-sur-Lausanne folglich in Terrassen aufgebaut, die Häuser meist parallel zur Hangkante. So auch das Schulhaus, ein zweckmäßig gestaltetes Ensemble aus den 1970er-Jahren mit Turnhalle und Sportplätzen. Dieses Bauwerk sollte nun erweitert werden, also schrieb die Gemeinde im Jahr 2007 einen Wettbewerb aus, den schlussendlich 2b architectes aus dem benachbarten Lausanne für sich entscheiden konnten. Ihre Entwurfsidee ergänzt das bestehende, terrassenförmige Gebäude um einen kompakten Querriegel, der dem Ensemble an dessen Südseite einen Abschluss gibt und das Schulgelände einfasst. So soll der Charakter und der Status des bestehenden Komplexes als öffentlicher Raum, Schul- und Gemeindezentrum gestärkt werden. Dort, wo der Chemin du Collège bis zum Haupteingang führte, ist der Riegel offen gelassen und wirkt nun wie eine Art Passage und gleichzeitig überdachter Pausenhofbereich. Hier befindet sich jetzt auch der neue Haupteingang.
Das Treppenhaus im Untergeschoss ist gleichzeitig Verteiler für die Sporthalle (rechts) zu den Toiletten (links) und den Umkleiden (im Hintergrund). (Bild: Roger Frei)
Formal und materiell sucht der Neubau das Vokabular des Bestandsbaus aufzunehmen, transformiert es aber in ein zeitgemäßes, räumliches Raster aus mineralisch wirkendem Sichtbeton mit großflächigen Fenstern. Für 2b architectes ist diese Architektur eine „automatische Form“, die aus den dimensionalen Vorgaben des Bestandes mit seinen unterschiedlichen Geschosshöhen sowie des Ortes resultiert. Tatsächlich wirkt der Bau durch den klaren Aufbau zunächst recht simpel, jedoch besitzt er einige wohldurchdachte Details, durch die im Innen- wie im Außenraum gute Atmosphären erzeugt werden. So beschränkt sich etwa die Materialität auf Beton, Holz und Stahl und Glas, in unterschiedlichen Ausprägungen. Trotz der scheinbar verhältnismäßig geringen Größe des Baus wirkt sein Innenraum durch die intelligente räumliche Verknüpfung stets recht großzügig. Erstaunlich: Neben fünf Klassenräumen und zwei Appartements (im Dachgeschoss) sind in dem Riegel ein Mehrzweck-Veranstaltungsraum, ein Pausenraum, der besagte überdachte Pausenhof sowie eine Sporthalle samt dazugehörigen Umkleiden und Toiletten untergebracht.
Der Veranstaltungs-Mehrzweckraum ist sogar mit drei Filterebenen an den Fenstern ausgestattet, während die Klassenräume zwei besitzten. (Bild: Roger Frei)
Wichtigstes Element im Entwurf sind die intelligent detaillierten Fenster, die Grenze also zwischen innen und außen. Durch ihre geschosshohe und nahezu quadratische Größe entsteht in der Fassadenansicht eine Art Bühne, deren Bespielung sich ständig ändert. Nicht nur durch die Personen dahinter, sondern auch durch die Vorhänge (Kvadrat, Field, Spezialausführung), die mal als Schleier, als Sichtschutz oder in Bewegung eingesetzt werden können. Diese multifunktionalen Fenster sind im Prinzip Kastenfenster, in deren Zwischenraum sich ein transluzenter Vorhang motorisch öffnen oder schließen lässt. Eine zweite, blickdichtere Vorhang-Schicht ist zusätzlich im Innenraum angeordnet und trägt hier außerdem zu einer guten Raumakustik bei. Die äußere Scheibe ist ein Verbundsicherheitsglas, versehen mit einem nach außen verspiegelten Rahmen, hinter dem sich auch der Vorhang im Zwischenraum verstecken lässt. Die innere Scheibe besteht aus einer Dreifachverglasung, mit Verbundsicherheitsglas innen. Seitlich lässt sich ein schmaler Flügel zur natürlichen Belüftung öffnen, von wo aus man auch durch eine Revisionsklappe an die Mechanik des äußeren Vorhangs gelangt. So ist die zum größten Teil aus Glas bestehende Fassade eine Art vielfältig einsetzbarer Filter, der den überragenden Ausblick in die umgebende Landschaft zulässt, ihn bei Bedarf teilweise oder ganz verschließt und von außen gesehen dem Bau durch die Spiegelung von Rahmen und Glas die Masse nimmt. tg
Räumlich reizvoll: Die Klassenzimmer besitzen einen definierten Fensterbereich sowie gegenüber einen Mehrzweckbereich. (Bild: Roger Frei)
Lageplan (Quelle: 2b architectes)
Grundriss Dachgeschoss (Quelle: 2b architectes)
Grundriss Obergeschoss (Quelle: 2b architectes)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: 2b architectes)
Grundriss Untergeschoss (Quelle: 2b architectes)
Detail Fassadenaufbau (Quelle: 2b architectes, Bild: Roger Frei)
Durch die Vorhänge kann – wie hier in der Sporthalle – das Licht gefiltert werden, ohne den Raum abzudunkeln. (Bild: Roger Frei)
Mit dem Neubau entsteht ein L-förmiger Bau, der einen offenen Raum eingrenzt, ohne ihn jedoch abzugrenzen. (Bild: Matthieu Gafsou)
Wo der Chemin du Collège ehemals zum Haupteingang führte, befindet sich im Neubau nun eine Passage, die gleichzeitig überdachter Pausenhof und neuer Haupteingang ist. (Bild: Matthieu Gafsou)
Projekt
Schulhaus und Gemeindezentrum
Belmont-sur-Lausanne, CH
Architektur
2b architectes – stratégies urbaines concrètes
Lausanne, CH
Team: S.Bender, Ph.Béboux, F.Ferrari, F.Seydoux, G.Warnking, T.Auffret-Postel, F.Ben-Amor, S.Van Caenegen, A.Clement, S.Grimm, A.Lemarinier, A.Hasoo, J.Deppermann, D.Minguet, L.Nemec, K.Tran, L.Maccioni, V.Weibel, V.Beltrami, F.Köhli
Hersteller
Zürich, CH
Kompetenz
Polsterstoff Field, Spezialanfertigung
Bauherr
Commune de Belmont-sur-Lausanne
Belmont-sur-Lausanne, CH
Bauleitung
Regtec SA
Lausanne, CH
Bauingenieur
INGPHI
Lausanne, CH
Bauphysiker
BG Bonnard & Gardel
Lausanne, CH
Akustikingenieur
Bernard Braune
Binz, CH
Fassadeningenieur
BCS
Neuchâtel, CH
Elektroingenieur
Scherler
Le Mont-sur-Lausanne, CH
HLS Ingenieur
BG Bonnard & Gardel
Lausanne, CH
Lichtingenieur
Aebischer & Bovigny
Lausanne, CH
Landschaftsarchitektin
Cécile Albana Presset,
Lausanne, CH
Wettbewerb
2007, 1. Preis
Fertigstellung
2014
Fotografie
Matthieu Gafsou
2b architectes
Projektvorschläge
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