Die wunderbare Welt der smarten Dinge
- Autor:
- Thomas Geuder
- Veröffentlicht am
- März 28, 2012
Wir werfen zuallererst einen Blick in den Duden: Smart = klug, gewitzt, pfiffig, elegant, gewieft, gerissen, geschickt, patent, clever, raffiniert, schlitzohrig, ausgebufft. So oder so ähnlich ist uns dieser Begriff im deutschsprachigen Raum geläufig; „Smart“ steht für angenehme, positive Emotionen. Aber was in aller Welt hat das mit all der Elektronik und Technik zu tun, die unser Leben angeblich derart smart macht? Ein weiterer Blick, diesmal in die Oxford Dictionaries, verrät zunächst Bekanntes: (of a person) clean, tidy, and well dressed: you look very smart; (of clothes) attractively neat and stylish: a smart blue skirt; (of an object) bright and fresh in appearance: a smart green van; (of a place) fashionable and upmarket: a smart restaurant. Unter Punkt 2 ist weiter zu lesen: (of a device) programmed so as to be capable of some independent action: hi-tech smart weapons. Aha! Hier ist endlich versteckt, was Technologen eigentlich ausdrücken wollen: Ein smartes Gerät ist ein Ding, das so programmiert ist, dass es selbstständig und völlig unabhängig von jedem menschlichen Zutun entscheidet und handelt – keine Apparatur also, die stupide abarbeitet, was man ihr gesagt hat, sondern eine, die echt handlungsfähig ist. Stellten und stellen sich Visionäre nicht so unsere Zukunft im Technologie-Paradies vor? Wir denken jetzt nicht an Raumschiff Enterprise.
Doch allen Unkenrufen zum Trotz: Smart ist in! Zu sehen wird dies wieder sein vom 15. bis 20. April auf der Light+Building in Frankfurt am Main, der Weltleitmesse rund um Licht, Beleuchtung und Gebäudeautomation. Eines der Highlights dort, in denen die Branche ein großes Zukunftspotenzial vermutet, werden (man ahnt es beinahe) die „Smart Grids“ sein. War das Gewerk Beleuchtung vor noch nicht allzu langer Zeit ein ab- oder gar ausgegrenzter Bereich in der Planung, avanciert das Lichtdesign heute vor allem vor dem Hintergrund der Energiewende und den neuen Technologien zu einem wichtigen Bestandteil eines intelligenten Stromnetzes. Denn Gebäudeautomation bedeutet nicht mehr nur die richtige Be- und Entlüftung oder die Verschattung durch Jalousien. Ein Smart Grid im Gebäude (das Grid bitte nicht mit dem Net oder gar dem Network verwechseln!) will alle nur erdenklichen Dinge im Gebäude miteinander verknüpfen. Dass das ungeahnt viele sein können, wissen klassiche Gebäudeautomatisten schon lange. Relativ neu ist, dass diese sich durch ein intelligentes Netz auch steuern lassen – und das zur Not auch per iPhone vom Flieger oder sonst wo aus.
Doch bleiben wir bitte auf dem Boden der Tatsachen: Mit 2.100 Ausstellern auf 240 000 Quadratmetern wird die Messe Light+Building auch in diesem Jahr wieder eine Superlative sein. Ganz im Zeichen der Energiewende lautet das Messe-Motto „Energieeffizienz“, und so werden sich viele Innovationen vor allem rund um das Energiesparen ansiedeln. Die großen Player am Markt werden mit zahlreichen Lampen- sowie Leuchtenmodellen aufwarten, die vor allem mit LED-Technologie bestückt sind. Akzente auf den Themen Lichtfarbe, Farbechtheit, Blendfreiheit, Ersetzbarkeit vorhandener Lampen durch LED, aber auch Systemintegration und Design werden dabei Schwerpunkte bilden. Der heimische Markt muss sich bei alledem jedoch warm anziehen, denn vor allem aus Fernost drängt hochkarätige Konkurrenz auf den Markt. Hersteller wie Osram, Philips, Erco, Trilux oder Zumtobel werden herausgefordert von Technologie-Giganten wie Toshiba, Samsung und vielen anderen. Diese neue Konkurrenz ist nicht zu unterschätzen, mischt sie doch bereits kräftig auf anderen Feldern wie beispielsweise der Unterhaltungselektronik mit. Derartig breit aufgestellte Firmen streben an, das Gebäude komplett elektronisch auszurüsten – von Kaffeemaschine und Herd über den Fernseher bis hin zum Elektrofahrzeug quasi „alles aus einer Hand“. Möglich ist das heute schon.
Aber auch von einer anderen, bisher nicht geahnten Seite drängt Konkurrenz auf den Markt: Energiekonzerne wie RWE wollen ihre Kompetenz vom reinen Energie-Lieferanten zum universellen Energie-Manager weiterentwickeln. Das ist ein überaus naheliegender Gedanke, denn der Energiemarkt wird sich in Zukunft drastisch verändern. Die Zeiten, in denen eine klare Definition von Stromerzeuger und dem Stromverbraucher herrschte, sind vorüber. Die dezentrale Energieerzeugung macht Hauseigentümer zum Stromlieferanten für den eigenen Bedarf oder sogar für die Einspeisung ins Netz. So tun die Energiekonzerne gut daran, ihr Betätigungsfeld auszuweiten; RWE zum Beispiel nennt diese intelligente Vernetzung des Stroms dann SmartHome. Dass das Licht unter den Energieverbrauchern anteilig nur eine eher untergeordnete Rolle spielt, ist nebensächlich. Klar ist: Der Energiemarkt wird vielschichtiger, durch die neuen Möglichkeiten aber auch effizienter werden.
We are living in a world of smart everyday objects: Schon Anfang des neuen Jahrtausends hat sich das Ladenburger Kolleg der Gottlieb Daimler- und Karl Benz-Stiftung (die den sinnhaften Untertitel „Förderung von Wissenschaft und Forschung zur Klärung der Wechselbeziehungen zwischen Mensch, Umwelt und Technik“ trägt) Zukunftsgedanken über eine Welt gemacht, in der alle Dinge über das Internet miteinander verknüpft sind. Dort wurde eine Wirklichkeit untersucht, in der Computer wie selbstverständlich allgegenwärtig sind – „Ubiquitous Computing“ nannte man das dann. In dieser wunderbaren Welt, in der (poetisch gesehen) nichts und niemand mehr außen vor sein muss, bleibt am Ende nur noch ein Faktor unberechenbar: der Mensch, vor allem der vermeintlich antiquitierte, der sich die Ohnmacht gegenüber den modernen Grids und das Eingesperrtsein in sensible und elegante Schneewittchensärge nicht länger gefallen lassen will. So klingt es fast schon wie eine Drohung, wenn Wolfgang Bachmann, Herausgeber der Zeitschrift Baumeister, in seinem Artikel „Unser heimlicher Chef“ im Süddeutsche Zeitung Magazin erklärt, dass er in einem soliden, vierstöckigen Haus aus den Sechzigerjahren arbeitet. Statt ins Fitnessstudio zu gehen, nimmt er die Treppen, die knarzenden Jalousien reguliert er von Hand. Und die Tauben auf dem Fensterbrett verjagt er ganz altmodisch – durch furchterregende Grimassen.
Scheitert die Revolution also am Menschen selbst? Gewiss nicht, denn der hat sich in der Vergangenheit als zu neugierig erwiesen. Doch jede Bewegung provoziert auch immer eine Gegenbewegung, und so liegt die Entscheidungsgewalt zur versmartlichung des eigenen Lebens bei jedem selbst. Schließlich und letztendlich ist doch der Mensch die älteste smarte Entwicklung der Evolution – quasi das Ur-Smartie.
Thomas Geuder
Thomas Geuder arbeitet als freier Architekturjournalist in Stuttgart.
Messe Light+Building, Frankfurt am Main
Light+Building auf World-Architects
Hübsche Erklärung von Smart Grid auf youtube
von World Economic (en)
von Scientific American (en)
Ein sehr informativer Beitrag vom ORF über die Stromversorgung der Zukunft auf youtube
de, Teil 1
de, Teil 2
Light+Building Event-Empfehlungen
15.-20. April:
Das Gebäude als Kraftwerk im Smart Grid
Ort: Freigelände 11 - zwischen den Hallen 8, 9 und 11
15.-20. April:
Word-Architects Guided Tours
Ort: Messe
Treffpunkt: Outlook Lounge Foyer H.4.2
15.-20. April:
Building Performance Congress
Ort: Congress Center Messe Frankfurt / Halle 8.0 / Foyer Halle 11.0 Nord
15.-20. April:
Trendforum Light+Building
Ort: Halle 5.1/6.1 Foyer
15-20. April:
„Das E-Haus“ – Intelligente Gebäude vom Profi: Energieeffizienz, Komfort und Sicherheit!
Ort: Halle 8.0
15.-20. April:
Luminale 2012
Ort: Rund 160 Licht-Ereignissen in FrankfurtRheinMain
15.-19. April:
Luminale Guided Evenings
Ort: Frankfurt/Main
Treffpunkt: Paulsplatz 20:00
Preise und Ausstellungen auf der Light+Building
15.-20. April:
Design Plus powered by Light+Building - Ausstellung der prämierten Produkte
Ort: Halle 1.1, C50 / D50
15.-20. April:
Der Deutsche Lichtdesign-Preis
Innovationspreis Architektur und Technik
Ort: Halle 11.1, C27
17. April, 18:30-20:00:
KNX TOP Event 2012
Ort: Forum, Raum Panorama