Wohlfühlen in der Klinik

Thomas Geuder
9. Dezember 2014
Die sieben Obergeschosse des Olgahospitals mit Frauenklinik sind unterteilt in drei Sockelgeschosse und vier Zimmergeschosse. (Foto: Wolfram Janzer)

Der Platz wurde eng in dem von den Stutgartern liebevoll genannten «Olgäle», das sich bis vor Kurzem noch im Stuttgarter Westen befand, und so wurde vor bereits über 10 Jahren der Umzug des Kinder- und Jugendklinikums beschlossen. Seit Mitte diesen Jahres nun sind das Olgahospital sowie die Frauenklinik auf dem innerstädtischen Gelände des Katharinenhospitals in einem gemeinsamen Bauwerk vereint. Ihre Zusammenlegung ist Teil der baulichen Neuordnung des Klinikums Stuttgart und ist außerdem aus medizinischer wie ökonomischer Sicht äußerst sinnvoll. Denn es gibt mehrere Schnittflächen zwischen beiden Bereichen; die Klinik beherbergt hoch spezialisierte pädiatrische Fachabteilungen, von der auch die Schwangeren, die zur Entbindung in die Frauenklinik kommen, profitieren. So soll künftig die optimale Versorgung von Müttern und Kindern gewährleistet sein.

Lichthöfe, die teilweise mit Glas überdacht sind, sorgen für helle und freundliche Räume. (Foto: Sigurd Steinprinz)

Den Architekten von HPP und SFP aus Stuttgart stand für ihren Entwurf ein räumlich begrenztes Hanggrundstück zur Verfügung, das sie angesichts dieser Enge mit erstaunlich großzügig wirkenden Räumlichkeiten beplant haben. Das liegt vor allem zunächst vor allem an der Struktur des Neubaus, die auf einem Pavillonprinzip aufbaut: Auf einem fast das komplette Grundstück füllende, mehrgeschossigen Sockel, in dem sich neben dem Empfang auch die Personal- und Konferenzräume sowie die Behandlungs- und Diagnosebereiche befinden, stehen sechs quadratische, in Paaren gruppierte, ebenfalls mehrgeschossige Gebäude, in denen sich die Zimmer mit gut 400 Betten befinden. Jeder der Pavillon-Bauten besitzt einen großzügigen Innenhof, zu dem die inneren Verkehrswege orientiert sind und der viel natürliches Licht in den Innenraum lässt – dunkle und triste Krankenhaus-Flure gehören hier der Vergangenheit an. Besonders auffallend ist das kinder- und jugendgerechte Innenarchitekturkonzept, das bei höchster Funktionalität eine angemessene und identitätsstiftende Gestaltung für die jungen Patienten bieten soll. «Wir haben großen Wert auf den menschlichen Maßstab gelegt. Helle, freundliche Räume, eine gute Orientierung, hohe Funktionalität und die Robustheit des Gebäudes tragen dazu bei. Die Architektur wird bereichert durch die kunstvolle Version der neuen Arche, die illustrierten Wände und Glasflächen sowie die künstlerische Gestaltung der Innenhöfe», erläutert HPP-Projektpartner Volker Biermann.

Die Lichthöfe bringen nicht nur viel Licht für die umlaufenden Flure und Zimmer, sondern bieten auch Raum für vielfältige Bespielungen. (Foto: Wolfram Janzer)

Besonders wichtig für die Architekten war bei aller Funktionalität auch die Natürlichkeit der Materialien. Statt PVC haben sie deswegen Linoleum als Bodenbelag in einem Großteil der Innenräume gewählt, weil das Material für sie ein positives Erscheinungsbild besitzt und zudem aus natürlichen Grundstoffen besteht: Leinöl, Naturharzen, Kork- oder Holzmehl, Kalksteinpulver, Farbstoffen und einem Jutegewebe als Trägerschicht. So sind etwa die Flure, Zimmer und Nebenbereiche mit Linoleum in der Sonderfarbe Beige versehen, dessen Basisfarbe mit sogenannten Flakes in kontrastierenden Farben eingestreut ist. Räume wie die Mütterzimmer sind mit Linoleum in dunkler Holzoptik ausgestattet, um hier ein warmes und wohnliches Ambiente zu erzeugen. Eher kräftigere Farben mit zum Teil trittschalldämmenden Eigenschaften kommen bei den Spielflächen sowie bei der Arche zum Einsatz. Lediglich dort, wo leitfähige Böden gefordert sind (wie etwa Operationssäle), wurde ableitfähiges Vinyl verlegt. «Unser Fokus lag dabei immer auf dem Wohlfühlfaktor für die Kinder und Frauen, für die Mitarbeiter und Ärzte des Klinikums», so Oliver Sorg von SFP. Soweit man von «Wohlfühlen» in einer Klinik überhaupt sprechen kann, ist das den Architekten hier zumindest räumlich sehr gelungen.  tg

Eine stilisierte Arche mit Rutsche im Schiffsbauch bietet Groß und Klein ausreichend Raum für eine gemeinsame Zeit in der Klinik. (Foto: Wolfram Janzer)
Die Klinikzimmer sind klar und funktional ausgestattet, freundliche Farben und natürliche Materialien sollen für eine gesunde Atmosphäre sorgen. (Foto: Wolfram Janzer)
Linoleumboden mit Holzoptik soll ein warmes und wohnliches Ambiente erzeugt werden. (Foto: Wolfram Janzer)
Die verschiedenen Behandlungsräume sind mit hellen und zeitlosen Farben ausgestattet. (Foto: Wolfram Janzer)
Lageplan (Quelle: HPP Architekten)
Grundriss Pavillongeschoss (Quelle: HPP Architekten)
Schnitt (Quelle: HPP Architekten)
Für den Klinik-Neubau war es notwendig, einen Hang inmitten der Stuttgarter Innenstadt abzufangen. (Quelle: HPP Architekten)
Blick vom Hang auf das Dach des Neubaus: Der Neubau des Olgahospitals und der Frauenklinik ergänzt das bestehende Katharinenhospital zu einem ganzen Klinikviertel. (Foto: Sigurd Steinprinz)

Projekt
Olgahospital und Frauenklinik
Stuttgart, D

Architekten
HPP::SFP Architektengemeinschaft

HPP Hentrich-Petschnigg & Partner GmbH + Co. KG
Stuttgart, D

Sorg und Frosch Planungs GmbH
Stuttgart, D

Hersteller
DLW Flooring GmbH
Bietigheim-Bissingen, D

Kompetenz
Lino Art Star in Sonderfarbe
Lino Art Nature
Linoleum Marmorette, Uni Walton und Colorette
Vinylbelag Pastell Conductive

Bauherr
Landeshauptstadt Stuttgart Hochbauamt, Klinikum Stuttgart
vertreten durch das Hochbauamt Stuttgart
Stuttgart, D

Projektsteuerung
ARGE HWP Planungsgesellschaft mbhund Drees & Sommer Stuttgart GmbH

Bauleitung
Arge HPP::SFP
mit Ernst² Architekten AG
Stuttgart, D

Kindgerechtes Leitsystem
Totems Communication GmbH
Stuttgart, D

Tragwerksplaner
ARGE Boll und Partner Ingenieur-gesellschaft mbH & Co. KG
Leonhard, Andrä und Partner, beratende Ingenieure VBI, GmbH

Energiezentrale
Ebert-Ingenieure
Nürnberg/Stuttgart, D

Medizintechnik
HT Hospitaltechnik Planungs-gesellschaft mbH
Krefeld, D

Elektroplanung
Ingenieurgesellschaft für Haustechnik Wetzstein GmbH
Herrenberg, D

Landschaftsplanung
Luz Landschaftsarchitektur
Stuttgart, D

HLS-Planung
Rentschler und Riedesser Ingenieur-gesellschaft mbH
Filderstadt, D

Bauhysik
Bauphysik5 Gbr
Backnang, D

Rohrpost
MMG Ingenieurgesellschaft mbH
Berlin, D

Wettbewerb
2004, 1. Preis

Fertigstellung
2014

Fotografie
Wolfram Janzer
Sigurd Steinprinz


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