Glänzende Ansicht

Thomas Geuder
20. Januar 2015
Für die Realisierung der europäischen Hauptniederlassung von Arthex in Freiham beauftragte das privat geführte Unternehmen das Münchner Architekturbüro OSA. (Foto: hiepler, brunier,)

Es ist – so die Stadt München – die letzte große zusammenhängende Fläche innerhalb der Münchner Stadtgrenzen: In Freiham, am westlichen Stadtrand gelegen und zwölf Kilometer vom Zentrum entfernt, entsteht auf 350 Hektar derzeit ein neues Quartier, in dem bis zu 20.000 Menschen leben und 7.500 arbeiten sollen. Das geschieht freilich nicht ohne einen gewissen Widerstand in der Bevölkerung, die die ländliche Idylle um das Gut Freiham (der Namensgeber des künftigen Stadtteils) schätzen und lieben. Vor allem die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ist es jedoch, was die Stadt München zum Handeln treibt. Das neue, 250 Fußballfelder große Gebiet soll sich in zwei Bereiche teilen: in den Wohnstandort im Norden und den Gewerbestandort im Süden, getrennt durch die Bodenseestraße. Der Bebauungsplan für das gesamte Quartier stammt aus der Feder der Planer von OSA aus München, die (in Kooperation mit den Landschaftsarchitekten Valentien + Valentien) bereits 2002 den entsprechenden Wettbewerb zum «Stadtentwicklungsgebiet Freiham» gewinnen konnten. Auf dieser Grundlage lag es für die Arthex GmbH, einem der weltweit führenden Hersteller von orthopädischen Medizinprodukten, auf der Hand, die Planer von OSA mit dem Bau der europäischen Niederlassung zu beauftragen.

Mit vier Fingern und drei Innenhöfen öffnet sich das Gebäude zur Landschaft mit dem Gut Freiham, Namensgeber des neuen Stadtgebiets. (Foto: hiepler, brunier,)

Die vom Bauherren formulierte Herausforderung bestand darin, eine den medizinischen Anforderungen entsprechende Corporate Architecture für derzeit 375 Mitarbeiter zu planen, die gleichzeitig genug Raum für ein Nachverdichtungspotential auf insgesamt 550 Mitarbeiter lässt. Entstanden ist ein Flachdachbau, dem die Architekten eine klare, geradlinige Struktur verliehen haben, von den Architekten als architektonisches Äquivalent zu den klinischen Produkten und Operationstechniken von Arthex erdacht. Der viergeschossige Bau besitzt vier Finger, drei von ihnen zwei Geschosse hoch. Von den drei Räumen dazwischen ist einer mit der Kantine halbhoch «befüllt». Das Fassadenbild ist geprägt von einem Schwarz-Weiß-Kontrast: Relativ breite, dunkle Fensterlaibungen mit ebenso dunklen Fensterprofilen verleihen der Fassade eine spannende Tiefe.

Die Fassade scheint – je nach Betrachtungswinkel natürlich – von schwarzen und weißen, waagerechten Bändern eingefasst zu sein. (Foto: hiepler, brunier,)

Den Gegensatz zu den dunklen Fensterbändern bilden die Wandflächen dazwischen. Sie sind mit weißem Einscheibensicherheitsglas verkleidet, das für eine satte Farbgebung sorgt und gleichzeitig die Umgebung als Schattenriss spiegelt. Das Glas gehört zu «Airtec Glassic» (Fa. Lithodecor), ein vorgehängtes hinterlüftetes Fassadensystem, bei dem die Glasplatten von nur wenig sichtbaren Klammern an der Unterkonstruktion gehalten werden, immer mit einem Abstand von rund 12 mm zueinander, um ein Ausdehnen der Platten zu ermöglichen. Das System wird nach der DIN für hinterlüftete Aueßenwandbekleidungen DIN 18516-1 geplant, bemessen und geprüft.

Aus der Notwendigkeit eine Tugend: Die Architekten von OSA haben den Sonnenschutz als gestalterisches Element eingesetzt. (Foto: hiepler, brunier,)

Der Effekt von Tiefe und Kontrast verstärkt sich noch, wenn der Sonnenschutz heruntergelassen wird. Dessen Lamellen sind so angebracht, dass sie schräg nach außen lugen und die weiße Glasfassade leicht überlappen. Man hat fast das Gefühl, das Gebäude würde kippen. Die Architekten von OSA wollen mit diesem optischen Kniff mit der architektonischen Strenge brechen und erreichen damit zudem einen hohen Wiedererkennungswert für den weltweit agierenden Konzern. Die Materialität und Farbigkeit jedenfalls wecken direkte Assoziationen zu den Geschäftsfeldern der orthopädischen Medizintechnik, die erstaunliche Klarheit des Entwurfs zu der Präzision, mit der in diesem Bereich gearbeitet werden muss.  tg

Bei Airtec Glassic wird ein Einscheiben-Sicherheitsglas gemäß DIN 1249-10 und DIN EN 12510-1 verwendet, das hochwiderstandsfähig gegen Stoß-, Schlag-, und Biegespannung sowie gegen thermische Belastungen ist. (Foto: hiepler, brunier,)
Lageplan (Quelle: OSA)
Grundriss 3. Obergeschoss (Quelle: OSA)
Erdgeschoss (Quelle: OSA)
Fassadendetail (Quelle: OSA)
Das Bild noch aus der Bauphase: Hier sieht man sehr gut die Spiegelung der Fassaden-Glasplatten. (Foto: Lithodecor)
Fassadensystem (Quelle: Lithodecor)
Das Innere des Gebäudes gestaltet sich analog zum Äußeren des Gebäudes durch klare Fluchten und Linien. (Foto: hiepler, brunier,)
Das wunderbare Sichtbeton-Treppenhaus mit großem Treppenauge möchten wir Ihnen natürlich nicht vorenthalten. (Foto: hiepler, brunier,)

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