Kohärenz und Differenz

EM2N
7. Juni 2017
Blick auf das Gewerbegebiet im Quartier Heidestraße

Im zentral im Berliner Stadtgefüge gelegenen Quartier Heidestraße soll ein Gewerbegebiet errichtet werden. Welche Antworten gibt Ihr Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?
Das Gewerbegebiet im Quartier Heidestraße ist ein Ankerprojekt der zukünftigen nutzungsdurchmischten Europacity in unmittelbarer Nähe des Hauptbahnhofs. Dank seiner zentralen Lage im Stadtgewebe ist es hervorragend angebunden. Die langgestreckte Geometrie des Wettbewerbsgebiets prägt den Charakter des Entwurfs: Die Kette von großen Häusern vermittelt zwischen der Weite der Bahngleise und dem eng gefassten Straßenraum. Im Sinne eines lebendigen Berliner Kiezes soll nicht ein einziges großes Haus entstehen, sondern eine Nachbarschaft, ein kultiviertes Miteinander verschiedener Häuser und Architekturen, deren Typologien in einer flexiblen Struktur eine Vielfalt an gewerblichen Nutzungen ermöglichen – vom Headquarter über Co-Working-Landschaften bis zum produzierenden kleinen Start-up. 

Situation

Wie fanden Sie zur Formulierung des Baukörpers?
Als Ausgangslage und Inspiration für dieses Miteinander sehen wir die industrielle Vergangenheit des Ortes. Die einstigen Lagerhäuser und Bahnbetriebsbauten bilden Anknüpfungspunkte für die Typologie dieser neuen Berliner Gewerbehöfe. Eine Familie von zehn präzise gesetzten und typologisch kräftigen Bauten schafft den Rahmen für das neue Leben an der Heidestraße. Die Reihung horizontaler Gewerbebauten wird von einzelnen schlanken Hochhäusern akzentuiert. Am südlichen Kopf sowie am Nordhafenplatz setzen zwei Headquarters städtebauliche Akzente und reagieren in ihren Abmessungen und differenzierten Höhenentwicklungen präzise auf die vorgelagerten städtischen Freiräume. Innerhalb eines definierten Rahmens von Maßstäblichkeiten, Proportionen und Materialien soll ein balanciertes Spannungsfeld aus Kohärenz und Differenz entstehen.

Blick vom Platz

Welcher Nutzungsmix und welche Standards sind vorgesehen?
­In der Sockelzone sind die Häuser je nach Lage und Nutzung differenziert und öffnen sich unterschiedlich stark zum öffentlichen Raum. Die vorgesehene Geschosshöhe ermöglicht auch publikumswirksame Nutzungen wie Cafés, Velo-Laden etc. Wichtig ist hier die durch die Geschosshöhe erreichte Flexibilität, sodass sich im Verlauf der Nutzungsdauer der Gebäude, ähnlich wie in einem altbewährten Blockrand, Nutzungen mit verschiedenen Anforderungen wiederfinden können. Während die schlanken Hochhäuser und Headquarter klassische Büroflächen bieten, die vielseitig mit verschiedenen Layouts auf unterschiedlich großen Flächenzuschnitten bespielt werden können, ermöglichen die von uns vorgeschlagenen Warehouses eine zusätzliche Nutzungsflexibilität.

Halle

Wie organisieren Sie das Gesamtprojekt?
Mit jedem neuen Projekt stellen sich uns neue Herausforderungen. Die Realisierung eines solchen Großprojekts hängt maßgeblich von einer gut vorbereiteten Ausgangslage und dem Commitment aller Beteiligten zu den gemeinsam definierten Zielen ab. In dieser Beziehung haben wir an der Heidestraße ein ausgezeichnetes Gefühl. Mit Großprojekten und deren oftmals speziellen Anforderungen und Abläufen sind wir aufgrund unserer Erfahrung bestens vertraut. Wie in allen unseren Projekten sind wir persönlich bis zur Schlüsselübergabe involviert. Da unser Berliner Büro die Planung federführend übernehmen wird, selbstverständlich mit Rückendeckung aus Zürich, setzen wir zusätzlich zu den persönlichen Treffen mit den Projektteams in Zürich und Berlin auch auf den Informationsaustausch durch Videokonferenzen. 

Obergeschosse 4 und 10
Schnitte

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass dem Quartier ebenso wie der Europacity insgesamt nicht ein einziges großes Haus gut tut, sondern vielmehr eine Nachbarschaft entstehen muss. Dies bedingt eine Vielfalt an Gebäuden und umfasst sowohl deren Struktur und Adaptionsfähigkeit als auch deren Ausdruck. Die einzelnen Häuser sollen deshalb innerhalb einer zurückhaltenden, industriell inspirierten Sprache verschieden ausformuliert und dadurch als eigenständige Bauten lesbar werden. Fassaden alter Berliner Gewerbehöfe zeigen, wie einzig durch das Setzen von großzügigen Öffnungen und guter Proportionierung der Horizontalen und Vertikalen ein spannungsvoller und zugleich zurückhaltender architektonischer Ausdruck entsteht. Das Vor- und Zurückversetzen einzelner Bauteile erzeugt innerhalb des Systems zusätzliche Varianz.

Großraum

Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Baubeginn wird 2018 sein. Die anvisierte Terminschiene ist ambitioniert und wird dementsprechend momentan zwischen den beteiligten Bauherren, Projektentwicklern und Planern abgestimmt.

Gewerbegebiet im Quartier Heidestraße, Berlin
Nichtoffener Wettbewerb

Auslober/Bauherr: Quartier Heidestraße GmbH, Berlin
Betreuer: Drees & Sommer Projektmanagement und bautechnische Beratung GmbH, Berlin

Jury
Fachpreisrichter: Armin Günster, Architekt | Jórunn Ragnasrdóttir, Architektin | Ritz Ritzer, Architekt | Tobias Wulf, Architekt
Stellv. Fachpreisrichter: Roland Kuhn, Architekt | Tim Heide, Architekt
Sachpreisrichter: Thomas Bergander, Geschäftsführer Quartier Heidestrasse GmbH | Manuel Heide, Rechtsanwalt und Notar | Kristina Laduch, Bezirksamt Mitte von Berlin / Stadtentwicklungsamt | Regula Lüscher, Senatsbaudirektorin Berlin

1. Preis
Architekt: EM2N, Zürich, Berlin

2. Preis
Architekt: Eller + Eller Architekten, Berlin

3. Preis
Architekt: gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner, Berlin

Andere Artikel in dieser Kategorie