Stuttgarter Stadtbaustein

Carsten Sauerbrei
7. Juli 2017
Das neue Dorotheen-Quartier nimmt Bezug auf die angrenzende, historische Bebauung wie die Stuttgarter Markthalle. (Bild: David Matthiessen)

Architekturdiskussionen in Stuttgart drehten sich in den letzten Jahren oft um Abrisse erhaltenswerter Gebäude, die zu oft fragwürdigen Investorenprojekten weichen mussten. Auch beim Dorotheen- Quartier, das der Stuttgarter Warenhausbetreiber Breuninger als Investor schon 2007 initiierte, war dieses Thema lange umstritten. Sollte doch unmittelbar angrenzend an das Breuninger-Stammhaus ein neues Innenstadtviertel mit bis zu 50.000 qm Geschossfläche auf einem Areal entstehen, auf dem sich unter anderem auch das Hotel Silber, ein Zeugnis der NS-Geschichte befand.

Das Dorotheen-Quartier schafft durch seine unregelmäßig angeordneten Baukörper attraktive, kleinteilige Stadträume. (Bild: David Matthiessen)

Noch im März 2010, als Behnisch Architekten, Stuttgart sich mit ihrem Entwurf im internationalen Architekturwettbewerb durchsetzten, war der Abriss des Hotel Silbers geplant. Die 2011 getroffene Entscheidung für dessen Erhalt zwang die Architekten zu Planänderungen, genauso wie die auf 38.000 qm reduzierte Geschossfläche. Diese Überarbeitungen hätten dem Projekt jedoch gut getan, stellt die Stuttgarter Zeitung fest, nähere sich damit doch das neue Quartier stärker an die Maßstäblichkeit der Stuttgarter Innenstadt an.

Neben Kalkstein dominiert Aluminium und Glas die in den Obergeschossen expressiv reliefierte Fassade des Dorotheen-Quartiers. (Bild: David Matthiessen)

Aus ursprünglich geplanten zwei Baukörpern wurden im Zuge der Überarbeitung drei, die mit ihrer Form und Lage neue attraktive Plätze und Stadträume mit Bezug zum historischen Stadtgrundriss und der heutigen Nachbarschaft entstehen lassen. Behnisch Architekten orientierten sich dabei mit Traufhöhen und Proportionen an der angrenzenden Bebauung und stärken mit Blickbezügen die städtebaulichen Querverbindungen über die trennende Bundesstraße 14 hinweg, was auch die Stuttgarter Architekturkritikerin Ursula Baus in ihrem Bericht würdigt.

Die Verglasung der Dachgeschosse zeigt das auf Glas gedruckte Abbild der Fassadenstruktur der unteren Etagen des Dorotheen-Quartiers. (Bild: David Matthiessen)

Bei den durch ihre starke Reliefierung sehr lebendig wirkenden Kalkstein- und Aluminiumfassaden orientieren sich Behnisch Architekten am Stuttgarter Nachkriegsexpressionismus. Die Struktur der Lochfassaden kehrt bei der steil aufragenden Verglasung der Dachgeschosse wieder, als unscharfes, auf Glas gedrucktes Abbild. Damit setzen die Architekten mit der skulptural wirkenden, abwechslungsreichen Dachlandschaft auf eine zeitgenössische Formensprache, die vor allem aus der Stuttgarter Halbhöhenlage ihre Wirkung entfaltet.

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