Leipzigs Wilhelm-Leuschner-Platz wird umgestaltet

Häuser, Orte, Grünräume: Neugestaltung inmitten der Stadt

Katinka Corts
13. März 2024
Der Wilhelm-Leuschner-Platz nach seiner Neugestaltung (Visualisierung: Martin Schmitz M. Sc., Atelier Loidl Landschaftsarchitekten Berlin GmbH)

Städtebaulich war der Wilhelm-Leuschner-Platz in den letzten Jahrzehnten eine Restfläche, die ähnlich der ehemaligen Bowlingbahn am Leipziger Ring immer mehr in Vergessenheit geriet. Noch nicht ganz Innenstadt, war der Platz vielmehr eine Art Abstandshalter zwischen Ringstraße und Stadtbibliothek, verwilderte im östlichen Teil zunehmend und wurde als Parkplatz genutzt, auf dem westlichen Bereich gastierten Veranstaltungen oder er blieb einfach frei. 

Diesem trüben Dasein soll nun ein Ende bereitet werden, indem mit Neustrukturierung und Begrünung mehr Aufenthaltsqualität Einzug hält. Im 2023 verabschiedeten Bebauungsplan ist vorgesehen, den östlichen Teil des Platzes mit hohen Gebäuden zu besetzen, und zwar in etwa entlang Baulinien früher hier stehender Gebäude. Aus dem unförmigen Großplatz werden so neue Felder im Stadtbild geformt, die alte Straßenzüge neu definieren. Der Bereich zwischen Bibliothek und Ring, also etwa die Fläche des früheren Königsplatzes, wird verbreitert und als Grünraum neu gestaltet. Dafür schrieb die Stadt Leipzig einen Freiflächenwettbewerb aus, den nun Atelier Loidl für sich entscheiden konnte.

Aus dem versiegelten Stadtplatz wird zwischen Peterssteinweg (links im Plan) und der neu aktivierten Markthallenstraße (zwischen Platz und Neubebauung) ein mit Grüninseln gestalteter Raum. Dabei gehen die Planer*innen auf die jeweiligen Anforderungen der Nachbarbebauung ein. Die Grünräume dazwischen flankieren Straßenzüge sowie den S-Bahn-Eingang, bieten Raum für sportliche Aktivitäten und kleine »Ökotope«, wie sie die Verfasser nennen.

Masterplan mit der Aufteilung in einen westlichen Freibereich und mehrere Baufelder im Osten und Süden (Plan: Stadt Leipzig)
Freiraumensemble (Plan: Atelier Loidl)
Eine Wiese für das künftige Einheitsdenkmal

Eine Teilaufgabe im Freiflächenwettbewerb war, für ein noch zu gestaltendes Denkmal eine Fläche zu definieren und diese im Gelände zu verorten. Erinnert werden soll damit an die Montagsdemonstrationen, die ab September 1989 entlang des Innenstadtringes stattfanden. Dabei versammelten sich zunächst tausend, über die Wochen immer mehr und Ende Oktober geschätzt 300'000 Menschen. Sie traten für Meinungsfreiheit, Mitsprache und eine Veränderung des politischen Systems ein. An diese Zeit und an das auch daraus resultierende Ende der SED-Herrschaft erinnern bereits mehrere Objekte in der Stadt, darunter die Nikolaisäule und Stelen an mehreren Orten der Friedlichen Revolution. 

Auf dem Leuschnerplatz möchten Bund, Freistaat und Stadt ein weiteres Denkmal errichten. Ein Wettbewerb dafür wird jetzt ausgeschrieben und soll bis Anfang Oktober entschieden werden. Stehen wird das Denkmal im westlichen Teil des Parks, der nun mit dem Entwurf von Atelier Loidl vorerst als baumgesäumte Wiese definiert ist. Der Blick von der heutigen Stadtbibliothek hin zum Eingang Peterstraße bleibt erhalten, wenn auch die flankierenden Bäume und die Wiese eine andere Haltung zeigen als der streng ausgerichtete Königsplatz es früher tat. Je nachdem, welchem Geist das künftige Einheitsdenkmal folgen wird, kann diese auch bewahrt werden. 

Für den Ort ist diese Platzgestaltung indessen wieder eine neue Interpretation. Ende des 18. Jahrhunderts nannte man den Platz »Esplanade«, und bis etwa 1807 fand darauf die Leipziger Kleinmesse statt. Nach der Krönung Friedrich August III. zum Königsplatz umbenannt, wurden weiter Wochenmärkte abgehalten. Ende des 19. Jahrhunderts standen darauf erst ein Ausstellungsgebäude für Kunstgewerbe und später noch ein anderes Provisorium, das länger als ein Jahrzehnt stehenblieb. Nach dessen Abbruch lobte die Stadt 1933 einen Wettbewerb zur Neugestaltung des Platzes aus. Architekt Kurt Schwarze gewann ihn, sein Entwurf wurde jedoch nicht realisiert. Nach dem Zweiten Weltkrieg verkam der Platz, dann schon nach dem Sozialdemokraten Wilhelm Leuschner benannt, zu einer Brache.

Geländeschnitte (Plan: Atelier Loidl)
Erlebnisraum als Ergänzung zum Museum

Mit der neuen Freiflächengestaltung wird der nordöstliche Teil des Leuschnerplatzes nun mit Spielplatz und Erlebnisgarten besetzt. Das passt gut, kann das Freiraumangebot doch das Naturkundemuseum ergänzen, das in die Anlage des ehemaligen Bowlingtreffs einziehen wird. Der postmoderne Bau von Architekt Winfried Sziegoleit steht unter Denkmalschutz und war zu seiner Erbauung 1987 bereits der Weiterbau eines unterirdischen Umspannwerks von 1925/26. Markant im Stadtraum ist lediglich der Kopfbau sichtbar, die gesamte Bowlinganlage wurde in den Untergrund gebaut. Im Rahmen des Umbaus soll die Dachdecke der Westhalle angehoben und die Ostseite aufgeschüttet werden. Verantwortlich für das Projekt ist die ARGE W&V Architekten, bbz landschaftsarchitekten, Staupendahl & Partner Bauplanungsgesellschaft. Der vorgelagerte Grünraum wird dabei nicht nur in das museale Konzept eingebunden, er ist auch ein logisches Gegenüber für die neue Markthalle und den angrenzenden Campusplatz. 

Im vom Stadtrat beschlossenen Masterplan soll die Markthalle wieder an ihrem früheren Standort neu gebaut werden. Der entsprechende Wettbewerb ist noch nicht ausgelobt. Die frühere Zentralmarkthalle, gebaut in den 1890er-Jahren nach den Plänen des Stadtbaumeisters Hugo Licht, stand auf dem Areal für mehr als fünf Jahrzehnte. Nach starken Beschädigungen im Krieg konnte nur noch ein kleiner Teil der Halle genutzt werden, schlussendlich kam es zum Abriss.  

Neben der Markthalle sind weitere Großbauten geplant, für einige sind die Wettbewerbe bereits entschieden oder der Bau hat begonnen. Während Henchion + Reuter bereits am Leibnitz-Institut für Länderkunde bauen, sind Schulz und Schulz – die bereits quasi nebenan die Katholische Propsteikirche St. Trinitatis gebaut haben – an der Planung zum Forschungsgebäude Global Hub (Wettbewerb 2022 entschieden). Für das angrenzende Forum Recht ist ein internationaler Planungswettbewerb vorgesehen, für ergänzende Wohnbebauungen stehen die Wettbewerbe noch aus.

In den früheren Bowlingtreff wird nach dem Umbau der Anlage das Naturkundemuseum einziehen (© ARGE W&V Architekten/ bbz landschaftsarchitekten/ Staupendahl & Partner, Visualisierung: Lindenkreuz Eggert)
Blick auf den Global Hub vom Addis-Abeba-Platz. Schulz und Schulz Architekten haben bereits 2022 den städtebaulichen Ideen- und hochbaulichen Realisierungswettbewerb für sich entscheiden können. (Visualisierung: Schulz und Schulz)
Grünraumplanung zu Zeiten der Klimaerwärmung

Leipzig ist eine grüne Stadt, unzählige Parks und Freianlagen mit Spazierwegen durchziehen das Stadtbild. Auch wenn der Freibereich auf dem Leuschnerplatz im Vergleich dazu eher bescheiden ist, merkt man doch, dass die Entwerfer*innen hier einen wertvollen Ruheraum an der stark frequentierten Verkehrslage schaffen wollten. Atelier Loidl achtet dabei auf zirkuläres Bauen und bindet Vorhandenes ein: So wird die heutige Versiegelung des Leuschnerplatzes entfernt, das Abbruchmaterial kommt später als künstlicher Bruchstein in den Biotopen und auch als Schutt bei der Weggestaltung zu neuem Einsatz. 

»Feldgehölzinseln« aus Bäumen und hohen Gehölzen mit Totholz, gesäumt von Dornensträuchern, Wiesenbereichen und Trockenstandorten, sind im Entwurf locker über die ehemals versiegelte Fläche verteilt. Vegetationsmulden und Sickerbeete nehmen Regenwasser auf, zudem kann bei Starkregen der Skateplatz als Wasser-Rückhaltebecken genutzt werden. Die höhengestaffelte Grüngestaltung schafft kühlende Inseln im Stadtraum, mit Sprühnebeldüsen soll an sehr heißen Tagen zusätzlich für Abkühlung gesorgt werden.   

Es gibt viel zu tun
Für Leuschnerplatz und Bowlingtreff sind die Entscheidung für einen Masterplan und der gelungene Freiflächenplan ein Gewinn. Schreiten die Planungen (und Auslobungen!) nun zügig voran, kann hier bald in neuer Qualität Stadtraum entstehen. Bis dahin mag man Leipzig den Mut zu einem offenen, internationalen Wettbewerb wünschen, um besonders für die Markthalle kreative und zeitgemäße Lösung zu finden. Zu viele gesichtslose Kistenbauten mit fragwürdiger Architektursprache, einfachen Lochfassaden und billiger Materialisierung haben es über die letzten Jahrzehnte immer wieder ins Stadtbild geschafft. Ein bisschen Rotterdam, ein wenig Groningen? Warum nicht? Vor allem aber eine Architektur, die dem Ort wieder einen wertvollen Charakter verleiht, wenn sich hier schon die Möglichkeit für einen Neuanfang bietet.

Baubürgermeister Thomas Dienberg eröffnet die Ausstellung zum Wettbewerb am 14. März, 11.30 Uhr im Stadtbüro. 

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