Sanierung des Goethe-Theaters in Bad Lauchstädt

Mit Liebe zum Detail

Thomas Müller Ivan Reimann
24. April 2024
Die Fassade des Bühnenhauses mit dem Bühneneingang am Nordgiebel. Dort wird der klassizistische Charakter des Goethe-Theaters besonders deutlich. (Foto: Stefan Müller)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Lauchstädter Theater wurde im Jahr 1802 als Holz-Fachwerkbau in nur zehn Wochen nach Entwürfen von Heinrich Gentz und Martin Friedrich Rabe unter maßgeblicher Anteilnahme von Johann Wolfgang von Goethe errichtet. Es bildete als reines Sommertheater über viele Jahre einen Dreh- und Angelpunkt des Kurbetriebes und gilt als einziger original erhaltener Theaterbau, in dem Goethe selbst wirkte. 

Die Pfeiler an der Fassade des Zuschauerhauses wurden 1830 aus statischen Gründen ergänzt. (Foto: Stefan Müller)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?

Der schmucklos verputzte, gestaffelte Fachwerkbau mit Eingangsgebäude, Zuschauer- und Bühnenhaus verkörpert den Idealtypus der Klassikerbühne. Mit seiner barocken Bühnentechnik und dem von einem bemalten Zeltdach überspannten Zuschauersaal, ist es ein einzigartiges Zeugnis frühklassizistischer Theaterarchitektur von europäischem Rang.

Sanierung der Saaldecke mit einer über einhundert Jahre alten Bespannung mit Jutebahnen. (Foto: Stefan Müller)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?

Die von uns durchgeführten Arbeiten stellten bereits die dritte großangelegte Sanierung des Gebäudes nach 1906–08 und 1966–68 dar. Wegen massiver Holzschäden wurde zunächst an der Erhaltung der Standsicherheit durch eine umfassende Fachwerksanierung gearbeitet. Hausschwamm, Braunfäule und Holzschädlinge hatten nicht nur die Fassaden, sondern auch die Geschossdecken und andere Bereiche befallen. Danach erfolgte die energetische Sanierung und Neueindeckung der Dächer. Hierbei wurde auch das seltene Bohlenbinder-Tragwerk des Zuschauerhauses wieder instandgesetzt.

Alle Maßnahmen verfolgten das Ziel, die authentische Architektur der Weimarer Klassik in seiner festlichen Atmosphäre wieder uneingeschränkt erlebbar zu machen. 

Dabei mussten wir die Schwierigkeit meistern, dass nur in den Spielzeitpausen im Herbst und im Winter gebaut werden konnte. Die Restaurierung war vom Gedanken getragen, dem Ursprungszustand so nahe wie möglich zu kommen. Besonders die originale Farbfassung außen und die wiederhergestellten Wand- und Deckenmalereien innen bringen das frühklassizistische Gesamtkunstwerk wieder zur Geltung. Goethes Gedanken- und Gestaltungswelt ist wie kaum an einem anderen Ort hier nachzuerleben. 

Blick in den Zuschauersaal: Die Gestaltung geht auf die Ursprungsfassung und damit auf das Goethische Farbkonzept zurück. (Foto: Stefan Müller)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?

Das als Holzbau errichtete Theater wurde nur im Sommer genutzt, dann, wenn der damals kursächsische Badeort von Gästen belebt war. Entstanden war ein Fachwerkbau aus Thüringer Fichtenholz mit Lehmsteinausfachung, erst ein Jahr später wurde er verputzt. Holzschindeln bedeckten das Dach. Zur stützenfreien Überspannung des Zuschauersaals setzte Gentz auf die von Berliner Architekten dieser Zeit bevorzugte holzsparende Bohlenbinderkonstruktion, deren große Halbbögen im unteren Bereich offen sichtbar blieben. Wenn man so will, ist dieses Projekt ein Paradebeispiel für die konsequente Verwendung von Naturbaustoffen. 

Die historische Bühnentechnik im Untergeschoss mit Winden und Seilen ist noch immer voll funktionstüchtig. (Foto: Stefan Müller)
Künstlergarderoben im Bühnenhaus. (Foto: Stefan Müller)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?

Die Kupferbahnen auf dem Dach ersetzt eine Deckung mit Kupferschindeln, die die ursprüngliche Holzschindeldeckung in Erinnerung ruft, aber weniger wartungsintensiv ist. Die Fassaden wurden mit einem Kalkputz versehen, der dem Originalzustand nahekommt. Der Erhalt des textilen Zeltdaches erschien zwischenzeitlich unmöglich, wurde dann aber Dank des unermüdlichen Einsatzes des Restauratoren-Teams von Uta Matauschek und Dietrich Richter möglich gemacht.

Auch wenn es sich bei dem vorgefundenen Zeltstoff nicht um das bauzeitliche Leinen, sondern einen Jutestoff der großen Sanierungen von 1908 handelte, sollte dieser erhalten werden. Am Ende gelang es, die alten Jutebahnen in situ mit «Dampf und Löffeln» peu à peu von den alten Farbschichten zu befreien, wo nötig zu reparieren und wieder mit neuer Spannung zu befestigen, ohne das Material zu zerstören. 

Lageplan (Zeichnung: Thomas Müller Ivan Reimann)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Thomas Müller Ivan Reimann)
Scnhitte (Zeichnungen: Thomas Müller Ivan Reimann)
Ansichten (Zeichnungen: Thomas Müller Ivan Reimann)
Goethe-Theater 
2022
Querfurter Str. 14
06246 Bad Lauchstädt

Nutzung
Kulturbau, Theaterbau

Auftragsart
Zuschlag nach Vergabeverfahren (VOF), 2015
 
Bauherrschaft
Historische Kuranlanlagen und Goethe-Theater Bad Lauchstädt GmbH, Bad Lauchstädt
 
Architektur
Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten, Berlin
Projektleitung: Tobias Schmidt
Projektteam: Bernd Kimmel
Objektüberwachung: Christoph Bröke, Christine Kral 
 
Fachplaner
Leitende Restauratoren Zuschauersaal: Dietrich Richter, Potsdam; Restaurierungsatelier Uta Matauschek, Dresden
Restaurierungen (Ausführung): Nüthen Restaurierungen GmbH und Co. KG, Bad Lippspringe
Statik: Prof. Rühle, Jentzsch & Partner GmbH, Dresden
TGA: VIBA Planungsbüro GbR, Merseburg; Ingenieurbüro Scheibner, Schkeuditz
Brandschutz: Planungsgruppe Geburtig, Weimar
 
Bruttogeschossfläche
2.100 m2
 
Gebäudevolumen
6.200 m3
 
Gesamtkosten
6.000.000 €

Auszeichnung
Architekturpreis des Landes Sachsen-Anhalt 2022, Auszeichnung

Fotos
Stefan Müller

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