Freiburger Flachspavillon

Manuel Pestalozzi
26. 七月 2021
Das Flachsgewebe des Pavillons ist mit einer Polycarbonathaut überzogen. Sie schützt vor der Witterung und hält UV-Strahlung und Feuchtigkeit von den Fasern fern. (Foto: ICD/ITKE/IntCDC Universität Stuttgart)

Der „livMatS Pavilion“ präsentiert sich als eine tragfähige, ressourceneffiziente Alternative zu herkömmlichen Bauweisen. Seine Struktur besteht vollständig aus robotergewickelten Flachsfasern, einem Material, das vollständig natürlich nachwachsend, biologisch abbaubar und in Mitteleuropa regional verfügbar ist. Sie ist das Ergebnis der erfolgreichen Zusammenarbeit eines interdisziplinären Teams, das sich im Rahmen des Masterstudiengangs ITECH am Exzellenzcluster „Integrative Computational Design and Construction for Architecture (IntCDC)“ an der Universität Stuttgart zusammenfand, und Biolog*innen des livMatS.

Flachsfasern wurden über Jahrtausende für die Herstellung von Leinenstoffen und Bekleidung genutzt, bis sie im 18. Jahrhundert Baumwolle ersetzte. Sie sind in ihren mechanischen Eigenschaften mit Glasfaserbündeln vergleichbar; sie bieten eine ähnliche Steifigkeit pro Gewichtseinheit, jedoch mit einem viel geringeren Bedarf an grauer Energie. Im Gegensatz zu Glas- oder Carbonfasern und anderen Naturfasern sind Flachsfasern in Mitteleuropa regional verfügbar und wachsen in jährlichen Erntezyklen. Sie sind vollständig nachwachsend, biologisch abbaubar und bieten somit eine hervorragende Grundlage für die Entwicklung innovativer ressourcenschonender Alternativen für die Bauindustrie. Sie haben insbesondere in Kombination mit effizientem Leichtbau das Potenzial, den ökologischen Fußabdruck von Gebäuden deutlich zu reduzieren. 

Die Strukturteile wurden mithilfe eines Roboters in der Werkstatt vorgefertigt. (Foto: ICD/ITKE/IntCDC Universität Stuttgart)

Die tragende Struktur des „livMatS Pavilion“ besteht aus 15 Flachsfaser-Bauteilen, die ausschließlich aus endlos gesponnenen Naturfasern robotisch vorgefertigt wurden, sowie einem darüber liegenden faserigen „Schlusssteinelement“. Die tragenden Bauelemente entstanden mit einem vom Projektteam entwickelten kernlosen Wickelverfahren. Bei diesem additiven Fertigungsansatz platzierte ein Roboter Faserbündel sehr präzise auf einem Wickelrahmen. Dies ermöglichte die gezielte Kalibrierung und architektonische Artikulation von Ausrichtung und Dichte der Fasern. Erst durch das Zusammenwirken der Fasern innerhalb des Wickelrahmens entstand die vorgegebene Bauteilform, eine zusätzliche Form oder ein zusätzlicher Kern entfiel. Das Herstellungsverfahren vermeidet jegliche Abfälle oder Verschnitte. Für alle geometrisch unterschiedlichen Elemente liess sich der gleiche modulare Wickelrahmen verwenden. 

Die Elemente variieren in der Gesamtlänge von 4,50 bis 5,50 m und wiegen im Durchschnitt nur 105 kg. Die gesamte Faserstruktur wiegt ca. 1,5 t, auf einer Fläche von 46 m². Der endgültige Entwurf entspricht der deutschen Bauordnung und den damit verbundenen bauaufsichtlichen Zulassungsanforderungen und Lastkombinationen einschließlich Wind- und Schneelasten. 

Die einzelnen Elemente wurden vor Ort „zusammengenäht“. (Foto: ICD/ITKE/IntCDC Universität Stuttgart)
Kakteen als Vorbilder

Inspiration für die Struktur waren der Saguaro-Kaktus (Carnegia gigantea) und der Feigenkaktus (Opuntia sp.). Beide zeichnen sich durch eine besondere Holzstruktur aus. Der Saguaro-Kaktus hat einen zylindrischen Holzkern, der innen hohl und dadurch besonders leicht ist. Es besteht aus einer netzartigen Holzstruktur, die dem Skelett zusätzliche Stabilität verleiht und durch das Verwachsen der einzelnen Holzelemente entsteht. Auch das Gewebe der abgeflachten Seitentriebe des Feigenkaktus ist mit netzartigen Holzfaserbündeln durchwoben, die schichtweise angeordnet und miteinander verbunden sind. Dadurch zeichnet sich das Gewebe des Feigenkaktus durch eine besonders hohe Belastbarkeit aus. Durch die Abstraktion dieser Netzwerkstrukturen gelang es den Wissenschaftler*innen, die mechanischen Eigenschaften der vernetzten Faserstrukturen auf die Leichtbauelemente des Pavillons zu übertragen.

Für die nächsten fünf Jahre wird der „livMatS Pavilion“ als Outdoor-Hörsaal an der Universität Freiburg dienen, insbesondere für die Namensgeberin livMatS. Dieser Exzellenzcluster nutzt den Botanischen Garten im Rahmen des Konzepts „Lernen von der Natur in der Natur“ als Forschungs- und Lehrstandort. 

Der Blick himmelwärts offenbart die Natürlichkeit des Materials und die Komplexität, welche die robotische Fertigung mittlerweile nutzen und bewältigen kann. (Foto: ICD/ITKE/IntCDC Universität Stuttgart)

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