Begehbare Gebäudeskulptur

haascookzemmrich STUDIO2050
22. 三月 2023
Rapunzel-Welt aus der Vogelperspektive mit dem Aufgang aufs Dach und das „birdsnest“ mit Ausblick in die Umgebung (Foto: Markus Guhl)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Es fällt schwer einen einzelnen Aspekt herauszugreifen. Ich denke, dass gerade die Vielschichtigkeit der Erlebnisräume ein besonderer Wesenszug des Besucherzentrums wird. Das geschwungene hölzern-tönerne Dachband, welches sich zu einem Rapunzelturm aufschwingt, wird sicherlich der Hingucker. Diese „märchenhaften“ Assoziationen sind erwünscht und steigern den hohen Wiedererkennungswert des Gebäudes. 

Das Spielerische setzt sich in den Freianlagen fort. Herzlichkeit und Einladung sind Kriterien, die Joseph Wilhelm und mich bei der Entwurfsentwicklung als Leitmotive sehr geleitet haben.

Außenansicht der Rapunzel Welt mit dem umlaufenden Dachband, das Ein- und Ausblicke zulässt (Foto: Markus Guhl)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Inspiration war, Menschen, Welt und Umwelt in Balance zu bringen und das bei einem Namen, der sofort Assoziationen aus dem Märchen schafft. Wir hoffen, dass die Menschen spüren, wie bei dem Besucherzentrum mit großer Sorgfalt an einem möglichst sinnvollen Haus gearbeitet wurde. Die Balance ist dann gegeben, wenn das Gebäude seinen Nutzern und den Besuchern einen Mehrwert liefert und Ihr Alltagsleben bereichert, ohne dass dafür Raubbau an der Natur betrieben wurde. Und diesem Grundsatz sind wir bei der Planung gefolgt.  Der sogenannte „Rapunzelzopf“ zeigt sich in der hölzernen Wendeltreppe.

Blick auf den Rapunzelturm aus dem Märchengarten und dem Ziegelband, dass nur im Bereich des Turmes bis nach unten reicht (Foto: Markus Guhl)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Dachband als verbindendes Element – Die adressbildend geformte Gebäudeskulptur empfängt jeden Besucher von weitem durch den nördlichen Hochpunkt – den Rapunzelturm. Der Märchengarten umspielt das Haus und erstreckt sich bis auf das Dach. Eine offene und einladend begehbare Skulptur an deren Ende das Krähennest den Ausblick in die Landschaft ermöglicht. Begleitet wird die Geste durch das große, schwebende, alles überspannende Dach, das sich wie ein umlaufendes Band um das Besucherzentrum legt, Aus- und Einblicke jedoch nicht begrenzt. 

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das Besucherzentrum sollte den Leitsatz von Rapunzel „Wir machen Bio aus Liebe“ veranschaulichen. Die in den Naturraum gestreckten Gebäudeflügel und die sorgfältige Wahl der Baumaterialien werden dem Besucher, so hoffe ich, unsere Leidenschaft bei der Entwicklung des Besucherzentrums veranschaulichen. Das Gebäude besitzt trotz seiner Größe viel Poesie und Natürlichkeit. Es ist offen und einladend und kann begangen und erwandert werden. Man kann ihm sogar aufs Dach steigen! Es steckt buchstäblich viel Liebe im Detail, und die Hingabe bei der Entwicklung der mannigfachen Erlebnisse eines Besuchs werden von den Menschen sicherlich gespürt. Die natürlichen Kreisläufe der Natur zu beachten ist eine Grundlage ökologischen Landbaus. In der Ausstellung des Besucherzentrums erfährt der Besucher alles über die Teilaspekte gesunder Ernährung. Vom Anbau über die Verarbeitung bis zum Teller.  Diesem Grundsatz einer ökologischen Kreislaufwirtschaft fühlt sich aber auch die Architektur verpflichtet. Natürlichen und nachwachsenden Baustoffen wie Holz und Ton wurde, wo immer möglich, der Vorzug gegeben. Die Haustechnik wurde auf ein notwendiges Minimum reduziert. Wir nutzen Tageslicht und verzichten weitestgehend auf eine mechanische Klimatisierung. Wir nutzen was uns die Natur vor Ort als Mikroklima zur Verfügung stellt. Es wird ein robustes und damit dauerhaftes Haus, welches mit der Natur und nicht gegen die Natur arbeitet.

Untersicht des umlaufenden Dachstuhls und Blick auf die Gaubenfenster, die im inneren spezielle Ausblicke zulassen (Foto: Markus Guhl)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Zu Beginn sprudeln täglich neue Ideen. Es gibt viele Ansätze, die man verfolgen möchte. Das Rapunzel Haus könnte so gar kein übliches Haus werden, sondern eher wie ein Märchengarten sein, indem es lauter Überraschungen zu entdecken gibt. Ein geschwungenes hölzernes Band, welches sich zu Räumen weitet und Gärten mit schönen Ein- und Ausblicken umspielt. Eine verwunschene Welt, in die man eintaucht und träumen darf. Ein schöner Gedanke, aber vielleicht doch etwas zu verspielt? Auch fehlt die Mitte und der eine Raum an den sich alle nach dem Besuch erinnern. Daher ein anderer Versuch mit einem großen, alles überspannenden Dach. Schön wenn es über dem Boden schweben könnte, so dass es wie ein riesiger Schirm die Besucher schützt, aber die Aus- und Einblicke nicht begrenzt. Denn das Rapunzel Haus soll einladen und freundlich sein. Offen sein für alle. So ein weites Dach lässt uns wieder zu staunenden Kindern werden. Hier kann es eine Mitte geben. Die Gauben sind große Räume, über die ein schönes Licht- und Schattenspiel in das weitläufige Atrium gelenkt wird.

Atrium der Rapunzel Welt mit der alles verbindenden Holzwendeltreppe mit Blick auf die Bäckerei und in die Schaurösterei sowie den Konferenzraum (Foto: Markus Guhl)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Die Lage und Anordnung der Räume und die Fensteröffnungen wurden nach mikroklimatischen Gesichtspunkten festgelegt. Der weite Dachüberstand sorgt für eine natürliche Verschattung der tageslichtoptimierten Räume. Die Belüftung ist natürlich. Lediglich die Bereiche der Rösterei müssen noch mechanisch belüftet werden, da hier die Wärmelasten ein Normalmaß überschreiten. Das Gebäude wurde an das schon gute Nahwärmenetz und die solare Stromgewinnung von Rapunzel angeschlossen.

Innenansicht des verglasten Konferenzraumes, dessen Gaubenfenster belichten und besondere Ausblicke zulassen (Foto: Markus Guhl)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Alle Handwerksbetriebe, die bei der Errichtung der Rapunzelwelt mitgewirkt haben sind in der unmittelbaren Nachbarschaft Legaus beheimatet. Vom heimischen Holz bis zum benachbarten Kieswerk konnte auf lokale Materialien zurückgegriffen werden, um die ökologischen Auswirkungen langer Transportwege gering zu halten. Lediglich für die Rapunzeltreppe und die fein engobierten Ziegel mussten wir auf entferntere Partner zurückgreifen, da in der Ziegelbrennerei in der Schweiz noch alte Brennöfen eine besondere Art der Engobierung zulassen. So stärkt das Gebäude nicht nur die Region, sondern hilft der Umwelt durch Vermeidung von Emissionen und Ressourcenverbrauch im Transport. 

Eine einzigartige Holzwendeltreppe verbindet die Rapunzel-Welt. Die ganz aus Holz gefertigte Wendeltreppe ist das Herz- und Verbindungsstück der Rapunzel Welt. Im Erdgeschoss beginnt die ca. 12 Tonnen schwere und rund 14,5 Meter hohe dreifach gewendelte und freitragende Wangentreppe. Das primäre Tragelement der Wendeltreppe bilden die in der Brüstung integrierten Treppenwangen aus gekrümmtem Furnierschichtholz mit 15cm Stärke. Sie sind zur Reduktion der Schwingungsanfälligkeit an den Podesten über Schlitzbleche biegesteif mit der Betonkonstruktion verbunden und bestehen aus Eichen- und Fichtenfurnierlagen mit unterschiedlicher Orientierung nach den statischen Anforderungen. Die äußere Furnierlage besteht dabei aus Eichenholz. Sie ist mit vertikaler Faserrichtung angeordnet und gibt der Treppe ihr spezifisches Erscheinungsbild. Die Setz- und Trittstufen (Kerto bzw. BSH) wurden durch eine ausgeklügelte Verbindungsmittelanordnung mit den tragenden Wangen verbunden, um die dreidimensionale Tragwirkung und die Einspannung zwischen den Geschoßebenen zu erzeugen. Die Herstellung erfolgte in einzelnen Segmenten mit bis zu acht Stufen. Hierbei wurden zunächst die Furniere der Wangen gekrümmt auf vorgefertigten Formen verleimt und anschließend mit einer CNC-gesteuerten Fräse bearbeitet. Danach wurden die äußere und die innere Wange mit den Setzstufen zusammengefügt und schließlich die Trittstufen eingesetzt.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: haascookzemmrich STUDIO2050)
Schnitt (Zeichnung: haascookzemmrich STUDIO2050)
Isometrie (Zeichnung: haascookzemmrich STUDIO2050)
Rapunzel Welt
2022
Rapunzelstraße 2
87764 Legau
 
Nutzung
Besucherzentrum mit Laden und Aussetllung
 
Auftragsart
Direktauftrag
 
Bauherrschaft
Rapunzel Naturkost GmbH / privat
 
Architektur
haascookzemmrich STUDIO2050, Stuttgart
Projektleitung: Sinan Tiryaki, Lisa Ruiu
Planungsteam: Lena Lang, Yohhei Kawasaki, Ariane Prevedel, Katharina Hoppenstedt, Elisabeth Wiest, Xun Li, Felix Wolf, Sabrina Carrico
 
Fachplaner
Freiraumplanung: Ramboll Studio Dreiseitl - Überlingen | Projektleitung: Hendrik Porst, Berthold Flieger
Ausstellungskonzept/Ausstellungsgestaltung: Atelier Markgraph, Frankfurt/Main | Projektleitung: Uta Brinksmeier | Planungsteam: Mareike Schmitt
Tragwerksplanung: Ecoplan Ing. GmbH, Fleischwangen | Projektleitung: Thomas Pfister
Bauphysik: UMT Umweltingenieure GmbH, Ulm | Projektleitung: Hartmut Kayser, Verena Klotz
Energiekonzept: Transsolar, Stuttgart | Projektleitung: Monika Schulz, Christoph Stetter
Brandschutz: Tichelmann & Barillas – Darmstadt | Projektleitung: Frank Kramarczyk
HLS: Transplan Technik – Bauplanung GmbH, Stuttgart | Projektleitung: Eckehart Ulmer | Planungsteam: Rick Huber
Elektro: g+h projektplan GmbH, Eislingen | Projektleitung: Catalin Hilgarth
 
Bauleitung
Generalunternehmer: Gebr. Filgis GmbH & Co. KG | Bauleitung: Alexander Saab | Projektteam: Alexander Huber, Marco Klein
 
Ausführende Firmen
Holzbau Dach: Holzbau Endres, Bad Grönenbach
Dachabdichtung und Spenglerarbeiten: Lerchenmüller GmbH, Dietmannsried
Fassadenbauer: Güthler Glasfassaden GmbH, Lauben
Stahl- Glas-Systemtrennwände: Rienth GmbH & Co. KG, Winnenden
Trockenbau: Kaufmann GmbH & Co. Stuckateur und Trockenbau KG, Kißlegg
Estricharbeiten: gipp Estrich GmbH, Hungenroth
Treppenbau: Hokon, Witten
Schreiner I : Schreinerei Konrad, Kimratshofen
Schreiner II: Schreinerei Möslang, Winterstetten
Schreiner III: Schreinerei Engel, Stetten
Schlosser- und Metallarbeiten: Kurt Übele GmbH, Memmingen
HLS: Gaiser GmbH & Co. KG, Heidenheim an der Brenz
Elektro: Elektro Welsing, Altusried
GaLaBau: Jürgen Bischoff GaLaBau GmbH, Leutkirch
Gartengestaltung: Helmut Haas GmbH, Wangen im Allgäu
 
Energiestandard
KfW 40
 
Bruttogeschossfläche
7.560 m2  
 
Gebäudevolumen
31.400 m3
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Markus Guhl Fotografie, Stuttgart

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