Postmodernisiert: Umbau der Hauptpost Grottenau

Knoche Architekten
6. 10月 2021
Foto: Knoche Architekten
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das innerstädtische, repräsentative Gebäude wurde als Hauptpost und Telegrafenamt errichtet, eine Nutzung, die heute nicht mehr benötigt wird. Es stand zuletzt weitgehend leer, nur die zentrale Halle wurde noch als Postfiliale betrieben. Es ging also um die Weiternutzung eines komplexen Gebäudes und darum, die Höfe, die Posthalle und das gesamte Quartier zu einem kulturellen Ort zu machen und diese Transformation auch nach außen sichtbar werden zu lassen. 

Unterzubringen waren kommunale Verwaltungsflächen, aber auch das Leopold–Mozart–Zentrum der Universität Augsburg, eigentlich unverträglich erscheinende Nutzungen. Somit stand die Organisation und Trennung der Erschließung, aber auch der Nachbarschaften von Musiküberäumen, Proberäumen, Konzertsaal und den Büros der kommunalen Verwaltung in den bestehenden Raumstrukturen im Mittelpunkt der Planung, Zielstellung war aber auch, diese Transformation nach außen sichtbar zu machen.

Das denkmalgeschützte Gebäude war weitgehend im Originalzustand erhalten, nur das bauzeitliche Dach wurde im Krieg zerstört. In den 1970er-Jahren wurde stattdessen eine Stahlkonstruktion aufgesetzt, die als Notdach wahrgenommen wurde, heutigen Ansprüchen aber nicht mehr genügen konnte. Dadurch ergab sich die Chance einer eigenständigen formalen Interpretation des Daches: den Neuaufbau unter Verwendung der bestehenden Stahlkonstruktion. So wurde die Beherbergung größerer Raumeinheiten möglich, die in der Bestandsstruktur nicht vorhanden waren. Räume der Musikhochschule mit besonderen raumakustischen Anforderungen wurden deshalb überwiegend im neu aufgesetzten Dachgeschoss untergebracht.

Hauptfassade an der Grottenau – die Aufnahme vertikaler Linienführungen aus der Bestandsfassade verbindet den Aufbau wie selbstverständlich mit dem historischen Gebäude und verleiht ihm eine dem gewachsenen Stadtraum entlehnte Maßstäblichkeit. (Foto: Knoche Architekten)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das war ein spannender Prozess, insbesondere weil die Postfiliale in der zentralen Halle während der ersten Planungsphase als unantastbar angesehen wurde und der Konzertsaal zunächst im Dachbereich geplant war. 

Mit Abschluss der Entwurfsplanung war dann überraschend doch die zentrale Posthalle verfügbar, sodass sich grundsätzlich neue Möglichkeiten ergaben und die Planung von Grund auf neu aufgestellt wurde. Das Erdgeschoss wurde um den Kammermusiksaal als kultureller Veranstaltungsort konzipiert und Publikumsbereiche aus dem Dachgeschoss nach unten verlegt. 

Auch die weitere Verteilung der Nutzungen im Gebäude wurde intensiv diskutiert und mehrfach geändert. Dabei standen die Trennung der Wege für unterschiedliche BesucherInnen und die Vermeidung gegenseitiger Störungen im Mittelpunkt. Nur durch das konstruktive Zusammenwirken aller Beteiligten konnte die ausgeführte, horizontale Nutzungsverteilung mit minimalem Störungspotential umgesetzt werden. 

Die Aluminiumschaumverkleidung vor der Verglasung im Dachgeschoss – im Musikerflur entstehen tageslichtabhängig reizvolle Lichtstimmungen und ein gefilteter Blick auf die Stadt. (Foto: Knoche Architekten)
Der Ensembleprobensaal im Dachgeschoss ist das größte Volumen des Dachaufbaus – außen die abstrakte Fortführung des Eingangsrisalits, innen mit optimaler Raumakustik konsequent funktional. (Foto: Knoche Architekten)
Der historische Kassettensaal für Kammermusik – der große Saal an der nach Süden orientierten Rückseite wurde wiederhergestellt und für unterschiedliche Veranstaltungen – zwischen Probe und großem Konzert – ertüchtigt. (Foto: Knoche Architekten)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Trotz der beschriebenen Brüche im Planungsverlauf wurde das übergeordnete Ziel der gemeinsamen Nutzung durch das Amt für Kinder, Jugend und Familie, die Verkehrsüberwachung und das Leopold–Mozart–Zentrum nie in Frage gestellt. 

Auch die äußere Erscheinung des sanierten Altbaus mit seiner modernen Dachlandschaft und deren Bekleidung aus Aluminiumschaumplatten wurde frühzeitig mit der Bürgerschaft, dem Gestaltungsbeirat und dem Denkmalschutz kommuniziert, von allen Beteiligten als tragfähige Konzeption unterstützt und bis in die Realisierung beibehalten. 

Erhebliche Änderungen während der Planung betrafen das Erdgeschoss und die historische Posthalle, nachdem diese als Postfiliale aufgegeben wurde. Der Konzertsaal konnte nun mit transparenten Wänden und akustischen Ergänzungen in die historische Posthalle eingebaut werden. Durch Verlagerung des Publikumsbereichs in das Erdgeschoss konnte das Dachgeschoss konsequenter auf den Lehr– und Übebetrieb der Hochschule ausgerichtet werden.

Mit dem Wegfall des Postbetriebs war es auch möglich, die Hofbereiche ohne Fahrzeugverkehr als innerstädtische Passage mit direkter Anbindung an das Konzertsaalfoyer zu gestalten. 

Der Musikhof war lange Jahre den Fahrzeugen der Post vorbehalten – heute ist er autofreier Bestandteil einer Fußgängerpassage und fungiert bei Konzertveranstaltungen als Freifläche vor dem Foyer – auch für Freiluftveranstaltungen. (Foto: Knoche Architekten)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Im Mittelpunkt der aktuellen Nachhaltigkeitsdebatte steht zurecht die Weiternutzung, Ertüchtigung und Nachverdichtung vorhandener Bausubstanz, auch für sich ändernde Nutzungen. Diesbezüglich leistet das Projekt einen besonderen Beitrag, weil durch die vorgenommene Nutzungstransformation die räumlichen Potenziale des Gebäudes optimal erschlossen werden konnten. 

Auch andere Nachhaltigkeitskriterien, wie die ökonomische und soziokulturelle Qualität, die Aufenthaltsqualität des städtischen Umfeldes und der Arbeits- und Unterrichtsbereiche wurde deutlich erhöht. Anstelle einer vollständigen Entkernung wurden die Bausubstanz und viele Elemente des Innenausbaus aus allen Zeitschichten weiterverwendet und in das Gestaltungskonzept integriert. Auch die kompakte Baumasse, die massive Bausubstanz und die neu gedämmten Dachflächen tragen zu einer hohen energetischen Effizienz bei. So wurde eine ausgewogene Balance zwischen Aufwand und Ergebnis und somit auch die ökonomische Qualität erreicht, ohne die derartige Maßnahmen im Bestand nicht realisierbar sind.

Das lichtdurchflutete Besucherfoyer führt vom Musikhof in den Konzertsaal, lässt Ein– und Ausblicke zu und dadurch die Raume innen und außen miteinander kommunizieren. (Foto: Knoche Architekten)
Der Konzertsaal in der historischen Posthalle ist das Herzstück des Ensembles. Er konnte mit wenigen Maßnahmen akustisch ertüchtigt werden und bietet einen beeindruckenden räumlichen Rahmen für Konzertveranstaltungen. (Foto: Knoche Architekten)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

In erster Linie sind das die für die Bekleidung des neuen Dachgeschosses verwendeten Aluminiumschaumplatten. Dieses in der Anwendung als Fassade ungewöhnliche Material musste mit dem Hersteller detailliert geplant und eigens für das Bauvorhaben zugelassen werden. Die Aluminiumschaumflächen eigneten sich als Verkleidung der abstrakt gezeichneten Dachaufstockung insbesondere deshalb, weil sie in ihrer grobporigen Struktur dem im Sockelbereich verwendeten Nagelfluh sehr ähnlich sind und das Dachvolumen wie selbstverständlich mit dem historischen Gebäude verbinden, trotzdem aber unverkennbar neuartig, leicht, filigran und metallisch wirken. 

Im Einsatz vor Fensterflächen werden – tagsüber im Innern, abends von außen–, reizvoll gefilterte Lichteffekte erzielt. So trägt das verwendete Material maßgeblich dazu bei, die volumetrische Abstraktion der Dachlandschaft konsequent und wirkungsvoll umzusetzen.

Lageplan (Zeichnung: Knoche Architekten)
Grundriss Erdgeschoss – im Mittelpunkt Foyer und Konzertsaal in der alten Posthalle (Zeichnung: Knoche Architekten)
Grundriss 2. Obergeschoss – Verwaltungsnutzung (Zeichnung: Knoche Architekten)
Grundriss 4. Obergeschoss – Leopold–Mozart–Zentrum mit differenzierten Seminar– und Überräumen, im Zentrum der große Ensembleprobenraum (Zeichnung: Knoche Architekten)
Querschnitt durch das Ensemble in Nord–Süd–Richtung (Zeichnung: Knoche Architekten)
Umbau Hauptpost Grottenau
2021
Grottenau 1
86150 Augsburg
 
Nutzung
Öffentliche Verwaltung und Musikhochschule
 
Auftragsart
VOF – Verfahren
 
Bauherrschaft
Stadt Augsburg, Augsburg
vertreten durch: Wohnbaugruppe | Entwickeln, Augsburg

Architektur
Planungsgemeinschaft Knoche–Schmid
Knoche Architekten PartGmbB, Leipzig
Federführung und Gesamtleitung, Planung Lph 2 – 5
Planungsteam: Christoph Jopp (PL), Brit Gühne, Susanne Frey, Liesa Schiecke, Annett Tröger, Christoph Wendland
 
Michael Schmid Architekten GmbH, Augsburg
Ausschreibung, Vergabe und Bauüberwachung Lph 6 – 8
Planungsteam: Ferhat Coskun, Carolin Gräf, Michael Schmid, Heiko Thornagel,

Fachplaner
Tragwerk: MING Mathes Beratende Ingenieure, Dresden
Haustechnik HLS: Team für Technik GmbH, München
Haustechnik ELT: Gackstatter Ingenieure, Stuttgart
Schallschutz und Akustik: Müller BBM, Planegg
Bauphysik: Dataconstruct Gmbh, Dresden
Brandschutz: Dataconstruct Gmbh, Dresden
Beschilderung: Knoche Architekten mit Gourdin & Müller / Form Fokus, Leipzig
Freianlagen: Knoche Architekten mit Eger + Partner, Augsburg
 
Ausführende Firmen
Rohbau: Probat Bau AG, Feldkirchen
Aufzüge: Berchtenbreiter GmbH, Rieblingen
Stahlbau: Walther Technik, Crimmitschau
Dachabdichtung: Koch Dachtechnik GmbH, Meerane
Fenster Neubau: Federle Holzbearbeitung, Fultenbach
Fenster Bestand: Holzmanufaktur Rottweil GmbH, Rottweil
Metallbau: Alois Perwein GmbH, Altenmarkt im Pongau (AT)
Innenputzarbeiten: Schnitzer Jakob & Sohn, Augsburg
Sichtestricharbeiten: Marmorveredelung Foerg & Weisheit GmbH, Stollberg
Malerarbeiten: Fa. Gabriel GmbH, Augsburg
Innenausbau: Schreinerei Michael Wallner, Feilnbach
Konzertsaalverglasung: Eckert Glas– und Metalbau GmbH, Eschelbronn
Fliesenarbeiten: Fliesen Fitz, Augsburg
Trockenbau: Schmid Trockenbau GmbH, Gersthofen
Trockenbau: Jaeger Ausbau, München
 
Hersteller
Auminiumschaumfassade: Alusion, Fa. Freund GmbH, Berlin
Mobile Trennwände: Dormakaba Deutschland GmbH, Bühl
Innentüren: Lindner AG, Arnstorf
Bodenbeläge: Marmoleum, Forbo Flooring GmbH, Paderborn
Vorhänge: Creation Baumann AG, Langenthal (CH)
Polsterstoffe: Rohi Stoffe GmbH, Geretsried
 
Energiestandard 
EnEV
 
Bruttogeschossfläche
19.650 m² 
 
Gebäudevolumen 
87.710 m³ 
 
Kubikmeterpreis 
232 € / m³ (KG 300 + 400 brutto)
 
Gebäudekosten 
20.349.000 € (KG 300 + 400 brutto)
 
Gesamtkosten
29.700.000 € (KG 200 - 700 brutto)
 
Auszeichnung
Thomas Wechs Preis – nominiert
 
Fotos
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