Mitten im Quartier

Waechter + Waechter
7. 4月 2021
Detail (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Mit einem durchgehenden, altersunabhängigen Angebot – der Kooperation von Kindertagesstätte, Schule und Jugendzentrum in einem baulichen Konzept und damit dem ganzheitlichen Blick auf die kindliche Entwicklung – soll die hohe Nachfrage nach Betreuungseinrichtungen jeden Alters mitten im Quartier erfüllt werden. Dies bedeutete die räumliche und funktionale Organisation von drei Einrichtungen – Kindertagesstätte, Schülerbetreuung und Jugendzentrum – auf sehr begrenztem Raum; es galt die unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Anforderungen zusammenzuführen und gleichzeitig drei eigenständige Adressen auszubilden. 

Zudem sollte im Rahmen des Stadtentwicklungsprojekts ‚Sanierung des Martinsviertels‘ die städtebauliche Brache mit abgängigen Behelfs- und Zweckbauten geschlossen werden. Mit der Setzung wollten wir im Sinne eines Scharniers zwischen den unterschiedlichen Bebauungen und Nutzungen des sehr heterogenen Kontexts vermitteln und der Stadtraum durch gut nutzbare Außenräume aufwerten.

Pankratiusstraße (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Pankratiusstraße (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Drei Einrichtungen unter einem Dach – dies inspirierte uns zu einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Funktionsverteilung – Kindertagesstätte im Obergeschoss, Jugendzentrum und Schülerbetreuung im Erdgeschoss. Die Kindertagesstätte im Obergeschoss wird durch einen begrünten Innenhof als Herz geprägt, an den die umliegenden Räume ringförmig über einen umlaufenden Spielflur anschließen. So war es möglich die Kindertagesstätte und ihren Freibereich auf einer Ebene zu organisieren, um dadurch Intimität zu schaffen; gleichzeitig konnten die Anforderungen der Niederschwelligkeit für das Jugendzentrum und die Schülerbetreuung erfüllt werden.

Spielhof (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Städtebaulich wird mit der Randbebauung der Grundstückskanten das Konzept des Bebauungsplanentwurfs aufgegriffen und die Pankratiusstraße angemessen stadträumlich gefasst; zugleich vermittelt der Baukörper zwischen den unterschiedlichen Maßstäben des Kontexts mit den Großbauten der angrenzenden Technischen Universität und der heterogenen Wohnbebauung des Martinsviertels. Durch das Knicken, das Zurücknehmen der Bauflucht entlang der Pankratiusstraße wird der Bürgersteig verbreitert, um einen angemessenen Vorplatz zum Bringen und Abholen der Kinder zu schaffen; gleichzeitig kann so die vorhandene Baumgruppe erhalten werden.

Das Dach ist leicht modelliert, als Gründach gestaltet und orientiert sich bewusst nicht an dem Steildach der benachbarten Wohnbebauung. Im Inneren führt dies zu abwechslungsreichen Raumerlebnissen, – hoch zu niedrig, flach zu schräg – Dächer und auch Oberlicht/Seitenlicht wechseln. Hierdurch sowie durch die variierende Wegeführung und die optischen Verkürzungen der Knickungen, wird eine lebendige Kleinmaßstäblichkeit erzielt, die der Altersgruppe der Kinder gerecht wird. Aus der Gebäudestruktur ‚Innenhof im Obergeschoss‘ ergibt sich im EG ein Hohlraum, der für die erforderlichen Stellplätze genutzt wird. 

Durch die zurückhaltende, der Bauaufgabe angemessenen Architektursprache, fügt sich der Baukörper sehr gut in den heterogenen Kontext ein.

Blick in den Spielhof (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Gruppenraum (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das klare, über beide Geschosse durchgehende Konstruktionssystem mit wirtschaftlichen Spannweiten und aussteifenden Kernen in Massivbauweise ist einfach, gleichermaßen effektiv und erlaubt damit im Sinne der Nachhaltigkeit auch nutzungsbedingte Veränderungen. Sämtliche unverrückbare Infrastruktureinrichtungen (Aufzug, WC, Vertikalschächte) sind in den Kernen zusammengefasst und sind damit auch bei Bedarf adaptierbar. Die dreifach verglasten transparenten Flächen ermöglichen die passive Sonnenenergienutzung; Vertikalmarkisen aus Screengewebe stellen den sommerlichen Wärmeschutz sicher. Die Baukörperdisposition gewährleistet energetisch minimale Transmissionswärmeverluste. Die hohe Tageslichtautonomie aller Nutzungsbereiche sowie effiziente Beleuchtungskomponenten reduzieren den Primärenergiebedarf weiter. Gruppenräume, Essraum und Küche sind zudem über dezentrale Lüftungsanlagen mit hohem Grad an Wärmerückgewinnung ausgestattet.

Die Beheizung erfolgt energieeffizient mit geringen Vorlauftemperaturen über eine Flächenheizung im Bereich der Fußböden, so dass die Speichermasse des Bodens in das Energiekonzept eingebunden werden kann. So kann die Grundlast der Heizwärme durch eine Erdwärmepumpe wirtschaftlich und klimaneutral mit hohem COP-Faktor bereitgestellt werden. Diese Wärmepumpe wird an den wenigen Spitzenlasttagen durch einen Gasbrennwertgerät unterstützt. Durch dieses optimierte Haustechnikkonzept können die Erdsonden auch im Sommer zur Kühlung des Gebäudes über die FB-Heizung primärenergetisch günstig eingesetzt werden.

Gruppenraum (Foto: Thilo Ross Fotografie)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Charakteristisch ist der Kontrast zwischen hellem Sichtbeton als Referenz zu den angrenzenden Institutsbauten und den holzfarbigen Fensterprofilen und Wandpaneelen. Das Materialkonzept wird im Inneren fortgeführt, ergänzt durch farbige Vorhänge, die je nach Nutzung immer wieder abwechselnde Raumstimmungen mit unterschiedlicher Transparenz zum Außenraum und zu den Gemeinschaftsflächen ermöglichen.

Im Inneren wird damit eine bergende und zugleich freundliche und lichtdurchflutet helle Atmosphäre der Offenheit und Kommunikation erzielt, als Voraussetzung für entspanntes Heranwachsen und Lernen. Sämtliche Oberflächen sind strapazierfähig und so für die Nutzung dauerhaft geeignet – bei der Materialwahl wurde die Nachhaltigkeit im Sinne des Lebenszyklus besonders berücksichtigt. 

Modell (Foto: Waechter + Waechter)
Lageplan (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Schnitt (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Kinder- und Jugendzentrum Pankratiusstraße
2019
Pankratiusstraße 14-18
64289 Darmstadt 

Bauherrschaft
Wissenschaftsstadt Darmstadt 

Architektur
Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB, Darmstadt 
 
Fachplaner
Freianlagen: Foundation: 5+ Landschaftsarchitekten BDLA, Kassel
Tragwerk: Ingenieurbüro Schlier+Partner GmbH, Darmstadt
Bauphysik: Ingenieurbüro Schlier+Partner GmbH, Darmstadt
TGA: gs-plan Ingenieurgesellschaft mbH, Otterberg
Brandschutz: Tichelmann & Barillas Ingenieure, TSB Ingenieurgesellschaft mbH, Darmstadt
 
Bauleitung
Hochbau: Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB, Darmstadt
mit Architekturbüro Witzel, Darmstadt
Freianlagen: Beuerlein/ Baumgartner Landschaftsarchitekten, Frankfurt a.M.

Ausführende Firmen
Rohbau: Aug. Prien Bauunternehmung GmbH & Co. KG, Niederlassung Frankfurt a.M
Fenster/Fassade: Kehrel Fenster GmbH & Co. KG, Eiterfeld-Betzenrod
Dach: Wetzlar Dach und Bautechnik GmbH, Ruppach-Goldhausen
Estrich/ Bodenbelag: BBA GmbH, Büttelborn
Trockenbau: EDO Gesellschaft für Trockenbau mbH, Maintal
Maler: Koch Baudekoration GmbH, Bad König
Fliesen: Fliesen Acker GmbH & Co. KG, Bodenheim
Schlosser: Langer Eisen- u. Metallverarbeitung, Inh. Peter Müller e.K., DA-Griesheim
Innentüren: Jehn Schreinerei, Ebersburg
Einbaumöbel: Rohrbacher Holzwerkstätte Becker GmbH, Heidelberg
Elektro: Dornhöfer GmbH, Frankfurt a. M.
Sanitär: Haustechnik GmbH, Rossdorf
Heizung/Lüftung: Kohl GmbH & Co. KG, Darmstadt
Außenanlagen: Garten- und Landschaftsbau Schuler GmbH & Co. KG, Klein-Winternheim

Hersteller
Akustikdecken: Holzwolleleichtbau-Platten, Troldtekt
Akustikwandverkleidung: Lignotrend
Linoleum: Gerflor
Außenliegender Sonnenschutz: Warema
Vorhänge Innenraum: Création Baumann
 
Bruttogeschossfläche
2.600 m²

Gebäudevolumen
10.235 m³

Gesamtkosten
 6.400.000 € brutto

Fotos
Thilo Ross Fotografie, Heidelberg

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