Differenzierte Großform

Gewers Pudewill Architekten
21. dicembre 2016
Wohn- und Gewerbebau mit durchgehendem Sockel (Foto: HG Esch)
Straßenansicht Wohngebäude (Foto: HG Esch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das Grundstück ist der Schlussstein eines neu entwickelten kleinen Wohnquartiers entlang der Schwiebusser und der Friesenstraße direkt am Columbiadamm in direkter Nachbarschaft zu den populären Veranstaltungsorten Columbiahalle und Columbiatheater. Durch die präsente Lage direkt am Columbiadamm bildet das Projekt sozusagen das Gesicht der gesamten Quartiersentwicklung in der öffentlichen Wahrnehmung.
Neben den architektonischen und nutzungsrelevanten Anforderungen sollte mit diesem Projekt auch ein positives Beispiel geschaffen werden, dass Kultur und Wohnen keine einander ausschließenden Funktionen in einer lebendigen Großstadt wie Berlin sind.
Die vielen negativen Beispiele der Verdrängung von Kultur durch neu errichteten Wohnungsbau haben bei diesem Projekt zu einer erhöhten Sensibilität bei allen Beteiligten geführt und eine komplexe Lösung erzeugt.
Der parallel zur Columbiahalle errichtete Gewerberiegel bildet als Nebeneffekt einen Schallschutzriegel zwischen Columbiahalle und Wohnbereich.
Weitere Besonderheiten waren die unmittelbare Nachbarschaft des dominanten und in den Abmessungen innerstädtisch untypischen städtebaulichen Dimensionen des Tempelhofer Flughafens von Ernst Sagebiel und die unter Denkmalschutz stehenden Nachbargebäude Columbiahalle und Columbiatheater. Das alles führt in der Gesamtheit zu einem spannungsreichen, vielfältigen und heterogenen Umfeld, das eine vielschichtige Antwort verlangte.

Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Der Ort mit dem berühmten Tempelhofer Flughafen und seiner Geschichte, die Columbiahalle mit der kulturellen Verankerung in der Stadt, der Kreuzberger Bergmannkiez im Rücken haben allein schon nach einer besonderen Antwort verlangt und inspiriert.
Uns war es wichtig, den umgebenden Großformen eine im Detail sehr differenzierte, in der Gesamtwirkung aber sehr selbstbewusste, ganzheitliche und kräftige Antwort gegenüberzustellen, die die Geschichte des Ortes interpretiert und ins Heute überführt.
Aus diesem Grund haben wir uns in Farbe, Materialität und Kubatur am Umfeld orientiert, eine aus einer Baukörperfaltung entwickelte Gesamtkubatur entwickelt und im Detail geschliffen und verfeinert und ihr somit einen unverwechselbaren eigenen Charakter gegeben.
Die grandiose Südausrichtung des Wohnriegels haben wir zur Ausbildung von großen Loggien mit großzügigen Verglasungen genutzt, die die Unverbaubarkeit und die Ausrichtung nutzen. Die Loggien schaffen viel Privatsphäre, minimieren den Straßenlärm, der vom Columbiadamm kommt, und strukturieren den Gesamtbaukörper angenehm ruhig.

Unterschnitt Wohngebäude (Foto: HG Esch)
Wohn- und Gewerbebau (Foto: HG Esch)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Wir hatten das Glück, dass wir einen Bauherrn hatten, der bei all den normalen Projektproblemen ein großes Vertrauen in unser architektonisches Können und unsere Haltung hatte. Im Rahmen des Baurechts, des Budgets und all der normalen kleinen Rahmenbedingungen konnten wir hier sehr selbstständig tätig sein.
Da wir neben der Architekturplanung auch für die Generalplanung verantwortlich waren, haben wir hier den Entwurf im guten Dialog mit dem Bauherren und allen fachlich Beteiligten lösen können.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Wir halten es für eine Stärke unseres Büros und unserer Haltung, dass unsere Projekte den Renderings in der Realität meist sogar überlegen sind und die ersten Entwürfe kaum von der gebauten Realität abweichen.
Trotz sich veränderter Nutzung (zu Beginn des Projektes war das Wohnen noch ein WG – Wohnen mit Microappartements) hat auch dieses Projekt die Stärke aus dem Entwurf bis zur Fertigstellung gezogen und hat wenig vom Esprit des Entwurfes verloren.
Einzelne wirtschaftliche Optimierungen sind natürlich normales Tagesgeschäft, wichtig ist dabei, dass der Entwurf so stark ist, nicht seinen Spirit zu verlieren und langsam unmerklich zu einem anderen Gebäude wird.

Gewerbebau (Foto: HG Esch)
Innenhof (Foto: HG Esch)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Natürlich haben auch uns Vorschriften wie die EnEV oder andere beschäftigt und ihren nicht immer nur sinnvollen Beitrag zum Projekt geleistet. Dem kann man sich nicht entziehen.
Es wurden aber auch Elektrostellplätze in der Tiefgarage vorgerüstet, also auch hier ein Stück Vertrauen in die Zukunft.
Der stützenfreie Unterschnitt unter das Wohngebäude war eine besondere tragwerksplanerische Herausforderung, das Ergebnis spricht für sich.
Die Ausbildung der Fassade mit langformatigen eleganten beigefarbenen Klinkern sorgt aus unserer Sicht nicht nur gestalterisch sondern auch ökologisch für eine nachhaltige, patinafähige und damit auch wertbeständige Gebäudehaut, die sich im Stadtraum auf lange Sicht so darstellen wird.
 

Fassadendetail 1 (Foto: HG Esch)
Fassadendetail 2 (Foto: HG Esch)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Da waren zuerst natürlich die Klinker im Langformat der Firma Hagemeister.
Die spielerisch alternierende Verkleidung der Loggien mit Langlochblech und einer champagnerfarbenen Beschichtung haben in der Wahrnehmung ebenfalls eine große Bedeutung.
Für die spätere Wohnqualität und die ruhige Anmutung genauso wichtig waren aber die großen Verglasungen mit hochwertigen Schiebelementen in den Loggien.

Lageplan (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Schnitt (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Columbiadamm
2016
Columbiadamm 37-43
10965 Berlin-Tempelhof

Nutzung
Wohngebäude mit angeschlossenem Gewerbebau

Auftragsart
Direktauftrag

Bauherrschaft
Projektgesellschaft Columbiadamm 37-43 mbH, Gilching

Architektur
Gewers Pudewill, Berlin
Georg Gewers, Henry Pudewill
Projektleiter: Alexander Mendelsohn, Ulf Griesel
Mitarbeiter: Kevin Krüske, Jacek Maj, Nico Pluntke

Fachplaner
Generalplaner Gewers Pudewill

Ausführende Firmen
GU Erweiterter Rohbau inkl. Fassade und Dach: Conex Bau, Berlin
HLS: Sanizentra Haustechnik GmbH, Teltow
ELT: Eskob Elektroanlagenbau GmbH, Berlin
Trockenbau: Spoma Parkett und Ausbau GmbH, Berlin
Innentüren Holz/Stahlblech und Tischlerarbeiten: Meergans GmbH, Berlin
Estrich- und Beschichtungsarbeiten: KFT Köhler, Uhlstädt-Kirchhasel
Parkettarbeiten: Wache Parkettleger GmbH i.G., Berlin
Fliesen- und Natursteinarbeiten: Welzel Bau GmbH, Berlin
Metallbau und Geländerkonstruktionen, Metall- Uckermetall Prenzlau GmbH, Prenzlau

Hersteller
Klinker: Firma Hagemeister
Fenster/Außentüren: Firma Fritz Glock
Sonnenschutz/Rollladen: Firma Roma

Energiestandard
EnEV 2009

Bruttogeschossfläche
12.036 m²

Gebäudevolumen
28.750 m³

Gebäudekosten
12.720.000 € KG 300+400

Fotos
HG Esch

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