Stadtquartier Hellerhöfe

Schmidt Plöcker Architekten
10. agosto 2022
Innenhof (Visualisierung: SPA)
Im Frankfurter Gallusviertel soll sich das bisherige Areal der Frankfurter Allgemeinen Zeitung GmbH (F.A.Z.) und der Frankfurter Societät GmbH (FS) in den kommenden Jahren in ein gemischt genutztes Viertel verwandeln. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Der heutige Stadtteil Gallus entstand im Jahre 1888 und wuchs schnell zum Industrie- und Arbeiterviertel. Städtebaulich ist der Stadtteil klar strukturiert durch Baublöcke, die sich aus dem Erschließungsraster ergeben, das in der Gründerzeit um 1900 für die Siedlungserweiterung der historischen Innenstadt in westlicher Richtung planerisch vorgegeben wurde. Diese Blockstruktur prägt die verschiedenen, über Jahrzehnte gewachsenen, Stadtquartiere im Gallus nahezu unverändert bis heute. 

Als eine wirtschaftliche Achse zieht sich die Mainzer Landstraße quer durch den Stadtteil. Nach dem Verschwinden von Produktion und Handwerk wurden seit 2000 verstärkt neue Wohnquartiere gebaut, in Richtung der Innenstadt auch einzelne Büro- und Hotelprojekte. Insgesamt erfährt der Stadtteil einen grundlegenden Wandel seiner Nutzungs- und Bewohnerstruktur. 

Die Fassade des Altbaus, der ab den 1950er- Jahren als „Societäts-Druckerei“ genutzt wurde, prägt mit ihrem Gebäudeschwung und den markanten Backsteinpilastern das Stadtbild in der Frankenallee. Gebäude und Fassade stehen nicht unter Denkmalschutz. Jedoch stellt diese ein identitätsstiftendes Element für den Standort dar und ist Zeugnis der Geschichte des Ortes.

Bestand (Quelle: Auslobung Wettbewerb)
Welches sind die Kerngedanken Ihres Entwurfs?

Unser Entwurf greift die vorhandenen städtebaulichen Strukturen auf und bildet den Rahmen für bespielbare Grünräume und Gärten. Aus der Rückbesinnung auf die Tradition des Ortes entwickeln wir eine Zukunftsvision, die die Kontinuität des gründerzeitlichen Städtebaus mit dem Pioniergeist des Frankfurter Neuen Bauens verbindet.

Innerhalb des Quartiers bilden die unterschiedlichen Freiflächen den Kern für eine neue Wohn- und Aufenthaltsqualität. Der große Freibereich im Teilbereich Ost wird durch fünf umlaufend angeordnete Finger gegliedert, die den Hof zonieren, ohne ihm Großzügigkeit zu nehmen. Herzstück sind bespielbare Gärten und Grünräume, die die gemeinschaftlichen Außenräume für die Bewohner erlebbar machen.

Der Entwurf für die Hellerhöfe legt Wert auf kurze Wege, ein lebenswertes Ambiente sowie eine nachhaltige Nutzungsmischung. Dazu gehört auch die Aktivierung der Erdgeschosszonen, die Belebung der öffentlichen Bereiche, um die urbanen Qualitäten des Quartiers zu stärken. 

Konzept (Bild: SPA)
Welche Aufgaben hat die Freiraumplaung zu bewältigen?

Im Norden erfolgt die Begrenzung des Quartiers durch die begrünte Frankenallee. Dort gibt es bereits Ansätze der Bewohnerinnen und Bewohner, sich durch Urban Gardening den Grünraum anzueignen. Diese Idee befürworten wir, greifen diese auf und stärken zusätzlich mit der Idee von grünen Vorgärten. Zukünftig soll es Angebote an Gemeinschaftsflächen und vertikalem Grün als Verbindung zum grünen Innenhof des Areals geben. 

Im westlichen Teil des Stadtbausteins entstehen durch mäandrierende L-förmige Baukörper Höfe und Plätze, die die Belichtung der Gebäude begünstigen sowie Aufenthaltsqualität im Quartier schaffen. Zwischen den Gebäudeformationen wird eine fußläufige Verbindung in Ost-West Richtung generiert, die die einzelnen Grünräume mit Ihren unterschiedlichen Grünflächenmotiven miteinander verbindet.

Lageplan (Zeichnung: SPA)
Was wird die Qualität des neuen Quartiers ausmachen?

Die Hellerhöfe bieten die einmalige Chance guten Wohnraum zu schaffen, den sozialen Zusammenhalt im Quartier zu stärken, funktionale Vielfalt zu fördern sowie Klima- und Umweltschutz selbstverständlich zu implementieren. Es entsteht ein zentraler Stadtbaustein, der das Stadtviertel Gallus sowie die Stadt Frankfurt aufwertet und resilient für die Zukunft macht. Lebendig, urban und grün – eine neue Heimat im Großstadtdschungel.

Blick über die Mainzer Landstraße (Visualisierung: SPA)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Die städtebauliche Figur, die einerseits die Blockrandstruktur des Quartiers arrondiert und sich somit sehr selbstverständlich einfügt. Andererseits die mäandrierenden L-förmigen Baukörper, die die entstehenden Höfe öffnen und die Belichtung von Süden, Westen und Osten begünstigen. Die Hellerhofstraße ist in unserem Konzept verkehrsberuhigt und verbindet so beide Teile des Quartiers. Persönliches Highlight ist das Holz-Hybrid-Hochhaus an der Mainzer Landstraße, mit dem wir einen angenehmen städtebaulichen Akzent bilden.

Gibt es Besonderheiten zu den Themenbereichen, Materialien, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft?

Als schützende Hülle und zur Straße extrovertiert sind die Stadtfassaden mit Ziegel, Putz sowie mit zurückgesetzten Loggien vorgesehen. Im Innenhof wechselt diese zu einer ruhigen Fassade. Balkone und Terrassen bestärken in Kombination mit Holz, in Kombination mit einer Fassadenbegrünung den Eindruck eines Phantasiegartens. Das Hochhaus an der Mainzer Landstraße ist als Holz-Hybridbau geplant.

Im Frankfurt der Zukunft wird die Stadt zur Ressource. Die Lebensdauer von Bauteilen und Baustoffen wird bei der Planung mit ins Kalkül gezogen. Hierdurch werden die geplanten Bauteile nach Ende der Lebensdauer sortenrein aus dem Gebäude entfernt und in den Stoffkreislauf zurückgeführt; somit wird eine dauerhafte Bebauung gesichert. In diesem Zusammenhang spielt Anpassbarkeit und Variabilität der geplanten Gebäudestruktur, die „Permanenz“ des Entwurfes, ebenfalls eine entscheidende Rolle. Die vorgesehenen flexiblen Grundrisse, die Änderungen der Nutzung zulassen, ohne an Wirtschaftlichkeit zu verlieren, können am Ende des „ersten Lebens“ eines Gebäudes eine Bestandssanierung enorm begünstigen. Ziel ist, das Ensemble und den mit der Erstellung entstandenen CO₂-Aufwand möglichst lange nutzbar zu halten. 

Für die Büronutzung sind von klassischer Verzimmerung bis hin zu Open-Space alle Konzepte realisierbar. In den Wohnbereichen bieten die Grundrisse insbesondere durch die Anordnung und strukturelle Flexibilität der Gartenhäuser ein Maximum an räumlichen und funktionalen Konstellationen. 

Zur Reduzierung des Global Warming Potentials (GWP) werden gezielt Materialien verwendet, die hinsichtlich Ihres CO₂-Footprints optimiert sind oder als CO₂-Senke fungieren. Als Zielstellung für ein ambitioniertes Bebauungskonzept soll für das Gesamtareal der GWP-Kennwert in CO₂- Äquvivalent / m2 Nutzfläche und Jahr der Nutzungsdauer konsequent reduziert werden. 

Zusammen mit einer Versorgung über das Fernwärmenetz der Stadt Frankfurt und einer Aktivierung von geeigneten Flächen zur Nutzerstromerzeugung durch Photovoltaik lässt sich so ein wegweisendes Gesamtkonzept aus Konstruktion und Betrieb realisieren.

Modell (Foto: SPA)
Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit?

Der städtebauliche Rahmenplan ist in Arbeit und wird in enger Abstimmung mit dem Stadtplanungsamt der Stadt Frankfurt und der Bauherrschaft für die Baurechtschaffung vorbereitet. 

Hellerhöfe in Frankfurt am Main
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: PE Hellerhöfe F.A.Z. GmbH & Co. KG und PE Hellerhöfe FS GmbH & Co. KG, Frankfurt am Main; in Kooperation mit Magistrat der Stadt Frankfurt am Main
Betreuung: Bäumle Architekten | Stadtplaner, Darmstadt
 
Jury
Prof. Arno Lederer, Stuttgart, Vors. | Prof. Dr. Constanze Petrow, Geisenheim | Johannes Ernst, München | Claudia Meixner, Frankfurt am Main | Martin Hunscher, Stadt Frankfurt am Main | Markus Radermacher, Stadt Frankfurt am Main | Paul Bauwens-Adenauer, Projektentwicklungsgesellschaften, Frankfurt am Main | Dr. V. Breid, Projektentwicklungsgesellschaften, Frankfurt am Main | Volker Geenen, Frankfurt am Main
 
1. Preis
Schmidt Plöcker Architekten PartG mbB, Frankfurt am Main | Christian Olaf Schmidt, Markus Plöcker, Alexander Dill, Sebastian Schuster
Lavaland GmbH, Berlin | Prof. Laura Vahl
Treibhaus Landschaftsarchitektur, Berlin | Deniz Dizici
Mitarbeit: Eva Franke, Felicitas Schlotte, Jessica Busch, Gloria Groher, Marie Breunig, Moritz Lüpke, Franz Theobald, Björn Wehrheim, Thuy Nguyen, Björn Lotter
Brandschutz: Icr-brandschutz, Darmstadt
 
2. Preis
03 Architekten GmbH, München | Andreas Garkisch, Karin Schmid, Michael Wimmer
Studio Vulkan Landschaftsarchitektur, München | Florian Strauß
Mitarbeit: Huy Le, Andreas Mischke, Carolin Blaim, Roland Schafroth, Svenja Oeverland, Laura Kwanka, Zihao Ye, Daniel Wölfel
Visualisierungen: Ponnie Images, Köln/Aachen
 
3. Preis
kbnk Architekten, Hamburg | Franz-Josef Nähring
BHF Bendfeldt Herrmann Franke LandschaftsArchitekten, Schwerin | Ulrich Franke
Mitarbeit: Mattia Gammarota, Ole Schult, Niklas James Parker, Jenny Harms, Nina Kirchgäßner, Juliane Wichtmann

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