Präzise und starke architektonische Identität

BHBVT Ges. von Architekten
1. giugno 2022
Brandenburgisches Landesmuseums für moderne Kunst in Frankfurt an der Oder (Visualisierung: BHBVT)
In Frankfurt an der Oder sollen bislang separat voneinander liegenden Museumsflächen in einem zentral gelegenen Gebäude zusammengeführt werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?

Im Mittelpunkt des Entwurfs steht die Auseinandersetzung mit dem denkmalgeschützten ehemaligen Lichtspieltheater und seinem unmittelbaren städtebaulichen Kontext. Das Gebäude ist im Stile der frühen Ostmoderne als bedeutender Kulturbau konzipiert worden und ist heute nicht nur aufgrund der architektonischen Prägung enorm wichtig für die Stadt und ihre Bewohner, sondern weil sich auch unzählige Erinnerungen an diesen Ort knüpfen. Bei einem Tag der offenen Tür im Jahr 2019 nutzten über 1800 Personen die Gelegenheit, um nach vielen Jahren des Leerstands wieder einen Blick in die Räume werfen zu können. Das ehemalige Lichtspieltheater zählt zu den wichtigsten Gebäuden der Stadt Frankfurt an der Oder. Oberbürgermeister René Wilke bezeichnet es als „inoffizielles Zentrum der Seele unserer Stadt“. Die prominente Lage an der Heilbronner Straße, gegenüber des Lenné-Parks bietet zudem ein enormes Potential für eine programmatische Neuausrichtung des Standortes. 

Lageplan (Zeichnung: BHBVT)
Worin lag die Herausforderung der Aufgabenstellung ?

Die Herausforderung bestand darin, die Qualität und Struktur des denkmalgeschützten Lichtspieltheaters präzise herauszuarbeiten und das Gebäude in neuem Glanz erscheinen zu lassen, gleichzeitig aber auch die neue Nutzung als Kunstmuseum deutlich sichtbar werden zu lassen. Das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst (BLMK) ist schließlich eine bedeutende Institution in Frankfurt an der Oder und in ganz Brandenburg und kann dadurch die Revitalisierung der Frankfurter Innenstadt entscheidend unterstützen und mitprägen. Wir wollten deshalb den Erweiterungsbau mit dem denkmalgeschützten Gebäude zu einer stimulierenden und kraftvollen Symbiose vereinen. Dies erreichen wir mit einem abgewinkelten Baukörper, der den Bestand dreiseitig umschließt und sich an der Ostfassade möglichst weit nach vorne schiebt und dadurch auch von der Heilbronner Straße aus wahrnehmbar wird.

Modell (Foto: BHBVT)
Wie organisieren Sie das Brandenburgische Landesmuseum für moderne Kunst?

Im Bestandsgebäude bleiben der Eingangsbereich sowie die Foyers im Erdgeschoss und 1. Obergeschoss in ihrer Funktion erhalten, der Saal im 1. Obergeschoss soll auch in Zukunft als Veranstaltungssaal genutzt werden. Er wird in seiner ursprünglichen Länge mit der bauzeitlichen Bühne erlebbar werden. Als einzig modernes und zugleich radikales Element im Bestandsgebäude wird eine farbige Sitztreppe an der Nordwand des Saales eingefügt, die ein angemessenes Gegenüber zur Bühne darstellt. Die Sitztreppe kann als Tribüne, als Kommunikationsort oder für Performances und Ausstellungen genutzt werden. Im Erweiterungsbau werden die Räume mit hohen klimatischen Anforderungen untergebracht, wodurch ideale räumliche und baukonstruktive Voraussetzungen geschaffen werden können, sowie eine optimale Positionierung der Haustechnik mit kurzen Leitungswegen. Im 1. Obergeschoss nimmt er die sieben Ausstellungsräume auf, die mit unterschiedlichen Raumgrößen und zwei unterschiedlichen Raumhöhen geplant sind und für Ausstellungen thematisch gruppiert werden können. Das Erdgeschoss des Erweiterungsbaus nimmt die Depots, Lager und Werkstätten auf. Zwischen Bestands- und Erweiterungsbau wird ein glasgedeckter Lichthof gesetzt, der Orientierung gibt und zum Ausruhen einlädt.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: BHBVT)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: BHBVT)
Grundriss 2. Obergeschoss (Zeichnung: BHBVT)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Wir möchten dem Brandenburgischen Landesmuseum für moderne Kunst, insbesondere durch den Erweiterungsbau, eine präzise und starke architektonische Identität verleihen, die sich in den Frankfurter Stadtraum einschreibt. Die Museumsarbeit des BLMK soll durch die von uns geschaffene Architektur bestmöglich unterstützt und stimuliert werden. Die Vorträge, Workshops, Performances, Kunstfestivals und Kinovorstellungen, die im BLMK zukünftig stattfinden, werden den gesellschaftlichen Diskurs und die kulturelle Teilhabe in Frankfurt an der Oder und in Brandenburg nachhaltig bereichern.

Innenraum (Visualisierung: BHBVT)
Welche Besonderheiten hinsichtlich Konstruktion und Material zeichnen Ihren Vorschlag aus?

Grundsätzlich werden wir aufgrund des Denkmalschutzes die vorhandenen Materialien im Innenbereich, wie die Travertin-Verkleidungen im Foyer, weitgehend erhalten. Der ursprüngliche Charakter der Innenräume soll auch in Zukunft erlebbar sein. Als einzig radikal neues Element positionieren wir die große Sitztreppe mit einer rot lackierten Oberfläche in den Altbau. Der Anbau, der die Ausstellungsräume aufnimmt, ist als vorgefertigter Holzrahmenbau konzipiert, im Bereich der östlichen Aufständerung mit einem Stahltragwerk verstärkt. Die Ausstellungsräume erhalten einen grauen Sichtestrich, weiße Wände und eine sichtbare Holzrippendecke mit linearen Leuchtsystemen in den Rippenzwischenräumen. Diese einfachen und robusten Oberflächen der Ausstellungsräume sorgen für adäquate Bedingungen für die Museumsarbeit des BLMK und schaffen einen deutlichen Kontrast zu den historischen Materialien des Altbaus. Der Erweiterungsbau wird außen mit einem perforierten und gefalteten Aluminiumblech verkleidet, das in einem leuchtenden Rot beschichtet wird. Der Erweiterungsbau setzt sich von der nüchternen Fassade des Bestandsgebäudes deutlich ab und wird so unverkennbar als neu hinzugefügtes Element ablesbar, das die Neuprogrammierung des Standortes anzeigt.

Fassadenausschnitt (Zeichnung: BHBVT)
Detailschnitt (Zeichnung: BHBVT)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Von Seiten der Stadt Frankfurt an der Oder wird das Jahr 2028 als Fertigstellungstermin kommuniziert.

Schnitte (Zeichnung: BHBVT)
Sanierung und Umbau des ehemaligen Lichtspieltheaters der Jugend zum neuen Standort des Brandenburgischen Landesmuseums für moderne Kunst in Frankfurt an der Oder
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Stadt Frankfurt an der Oder
Betreuung: Büro für Stadtplanung, -forschung und -erneuerung (PFE), Berlin
 
Jury
Prof. Ulrike Lauber – lauber zottmann blank Architekten, München | ehem. Beuth Hochschule, Berlin, Vors. | Prof. Dr. Birgit Franz – HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst, Hildesheim/Holzminden/Göttingen | Prof. Claus Anderhalten – Anderhalten Architekten GmbH, Berlin | Universität Kassel | Dr. Hans‐Joachim Krekeler – Architekturbüro Krekeler & Partner, Brandenburg an der Havel | Bärbel Kannenberg – Kannenberg Architekten BDA und Ingenieure, Wittstock/Dosse | Christian Kannenberg – Kannenberg Architekten BDA und Ingenieure, Wittstock/Dosse; vertritt Eberhard Lange – Architekturbüro Gerald Kühn‐ von Kaehne und Eberhard Lange, Potsdam | Heiko Schiller – schiller engineering, Hamburg | Marcel Adam – Marcel Adam Landschaftsarchitekten BDLA, Potsdam | Dr. Manja Schüle – Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg | René Wilke – Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt an der Oder | Ulrike Kremeier – Direktorin des Brandenburgischen Landesmuseums für Moderne Kunst
 
1. Preis
BHBVT Ges. von Architekten, Berlin
KMG Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin
GM013 Landschaftsarchitektur, Berlin IngenierGruppe Bauen, Berlin
freie ingenieure bau | Dr. Belaschk + Krätschell, Berlin
 
3. Preis
LRO Lederer Ragnarsdóttir Oei, Stuttgart
pin – planende Ingenieure gmbh, Berlin
relais Landschaftsarchitekten Heck Mommsen PartGmbB, Berlin
schlaich bergermann partner – sbp gmbh, Berlin
Halfkann + Kirchner, Berlin

3. Preis
Kuehn Malvezzi Associates GmbH, Berlin
GTB Berlin Gesellschaft für Technik am Bau mbH, Berlin
Holzwarth Landschaftsarchitektur, Berlin
KRONE Ingenieure GmbH, Berlin
Hamann Ingenieure GmbH, Berlin

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