In spannungsreichem Umfeld

Gewers Pudewill
9. dicembre 2020
Blick auf den denkmalgerecht sanierten Altbau und den angeschlossenen Neubau. (Foto: HGEsch)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

An einem derart zentralen Ort mit einer überregionalen Wahrnehmung ein Wohngebäude zu planen, das nicht trivial, anbiedernd oder laut daherkommen darf, ist eine schöne Herausforderung. Komplexer wurde die Aufgabe auch dadurch, dass eines der ältesten Häuser Kreuzbergs, das unter Denkmalschutz steht und eine extrem marode Bausubstanz besaß, in den Entwurf und die Planung zu integrieren war und wir Altes und Neues auf Augenhöhe verbinden wollten.

Die gewünschte Homogenität des Baukörpers wird durch ein flaches Klinkersonderformat sowie die in feinen Farbnuancen abgestimmte Sortierung erreicht. (Foto: HGEsch)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Spannung zwischen den geschichtlichen Entwicklungen und Brüchen, die hier wie an kaum einem anderen Ort der Stadt sichtbar werden, haben uns in unserer Auffassung bestärkt, den Schlussstein der Entwicklung an diesem Ort mit einem ruhigen eleganten Baukörper zu setzen, der eine zeitgemäße Haltung besitzt, aber auch ein würdevolles Altern des Gebäudes ermöglicht.

Der skulptural ausformulierte Baukörper mit den Loggien, die durch ein unterbrochenes Mauerwerk im Brüstungsbereich ein feines Spiel mit dem Licht und der damit einhergehenden Transparenz und Privatheit eingehen, sorgen trotz der Größe des Baukörpers für eine einladende und elegante Atmosphäre. Der eingesetzte Klinker als bestimmendes Fassadenmaterial in seinem schlanken, eleganten Sonderformat und seiner Sortierung unterstreicht die Homogenität des Baukörpers, ist im Detail der Farbe und des Glanzgrades jedoch vielfältig.

Gebäuderundungen bestimmen maßgeblich das Erscheinungsbild des Neubaus. (Foto: HGEsch)
Das spannungsreiche Umfeld verlangte eine unaufdringliche aber zeitgemäße Antwort. (Foto: HGEsch)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die sehr heterogene Umgebung, bestehend aus Gebäuden der Internationalen Bauausstellung 1987 (u.a. dem Kreuzberg Tower von John Hejduk (New York Five)), dem Jüdischen Museum mit dem Neubau von Daniel Libeskind, der ehemaligen Blumengroßmarkthalle, dem neuen Gebäude der TAZ von E2A aus Zürich und verschiedensten Neubauprojekten sorgten für ein sehr spannungsreiches inspirierendes aber auch nicht einfaches Umfeld. Genau darin lag aber auch eine große städtebauliche Chance für unseren Entwurf.

An diesem Gelenk zwischen der südlichen Friedrichstraße mit Sichtachse bis zum Gendarmenmarkt in Mitte und dem Jüdischen Museum war es unser Anspruch, den Bestand ohne Überformung mit einem Neubau zu ergänzen und dem Fromet- und Moses-Mendelssohn-Platz eine finale Fassung zu geben. Der Neubau schließt sich senkrecht an den Altbau an, bildet mit diesem dadurch einen kleinen grünen Platz, der sich wiederum nahtlos an den Besselpark anfügt und damit auch diesen Bereich wahrnehmbar wieder in das Stadtgebilde einordnet.

Die fließende Formensprache zieht sich auch in das Gebäudeinnere hinein. (Foto: HGEsch)
Eine eindrucksvolle Aussicht auf den Besselpark lässt sich von den Dachterrassen der zwei Staffelgeschosse genießen.  (Foto: HGEsch)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Da es sich um einen Wettbewerb handelte und wir im Rahmen der Stadtplanung und des Denkmalschutzes klare Rahmenbedingungen einhalten mussten, war der mögliche Spielraum für Entwurfsänderungen von vornherein stark eingeschränkt. Der Bauherr hatte sich von Beginn an für die Umsetzung eines hochwertigen Projektes entschieden und diese Haltung auch bis zum Schluss trotz aller Widrigkeiten wie z.B. Firmeninsolvenzen durchgehalten. Da sich viele Wohnungseigentümer explizit wegen der Architekturhaltung für das Haus entschieden haben, hielten sich auch die Änderungswünsche im Inneren des Gebäudes in absoluten Grenzen.

Ruhig und elegant wirkt der siebenstöckige, skulptural ausformulierte Baukörper. (Foto: HGEsch)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Wir versuchen bei all unseren Entwürfen immer die Verheißungen eines Renderings oder Modells im frühen Projektstadium mit so vielen Fakten und unseren Erfahrungen zu unterfüttern, dass die Realität dann später möglichst keine Enttäuschung wird. Das ist uns aus unserer Sicht auch bei diesem Projekt gelungen. Wenn man sich die Pläne und Renderings aus dem Wettbewerb anschaut, dann gibt es eine sehr hohe Deckungsmenge mit der jetzt gebauten Realität.

Lageplan (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Grundriss Erdgeschoss Alt- und Neubau (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Grundriss 7. Obergeschoss Neubau (Zeichnung: Gewers Pudewill)
Gebäudeschnitt und Ansicht Altbau (Zeichnung: Gewers Pudewill)
NEUHOUSE - Fromet- und Moses-Mendelssohn-Platz
2020
Fromet- und Moses-Mendelssohn-Platz 2, 4, 6
10969 Berlin Kreuzberg

Nutzung
Wohnen / Tiefgarage / Gewerbe
 
Bauherrschaft
UBM Developement AG
 
Architektur
Gewers Pudewill, Berlin, Projektleitung Thomas Birk, 
Georg Gewers, Christoph Hesse, Jacek Maj, Jesus Navarro Murcia, Sabrina Pinkes, Henry Pudewill, Philipp Winter

Fachplaner
Projektsteuerung/ Bauleitung: argus Ingenieurgesellschaft mbH, Berlin
TGA: Heimann Ingenieure GmbH, Berlin
Tragwerksplaner/ Konstruktiver Schallschutz: HEG Beratende Ingenieure Berlin GmbH, Berlin
Bauphysik/ Brandschutz/ Wärmeschutz: Andreas Wilke Bauphysik Baukonstruktion, Potsdam
Freianlagen: ST Raum a, Berlin
Vermesser: Ingenieursozietät Rek - Wieck - Dr. Schwenk, Berlin
Restaurierungsgutachter: Christian Martin, Berlin
Aufzugsplanung: Ing.-Büro Wieczorreck, Berlin
Bodengutachter: IGU Günther & Lippick GbR, Berlin

Ausführende Firmen
Aufzugsbauer: Schindler Aufzüge und Fahrtreppen GmbH Region, Berlin
Rohbau: BBK Boermann Baukontor GmbH
Ausführung Mauerwerk + Fassade Klinkerarbeiten: EngFle Baugesellschaft mbH, Kritzow
Fassade WDVS: MBM Bautechnik Gmbh & Co Kg, Berlin
Außenanlagen: Garten & Mehr Berlin GmbH, Berlin
Lüftung RDA: Alfred Eichelberger GmbH und Co Kg, Berlin
Dachdecker: GB Flachdach GmbH, Hoyerswerda
Türen: Christian Richter GmbH, Berlin
Alufenster: Burckhardt Metall Glas, Isemhagen
Schlosserarbeiten: SME Stahl- und Metallbauarbeiten, Dömitz
Trockenbau: EHTB Generalunternehmer GmbH, Berlin
Parkettlegearbeiten: Bembe Parkett Studio, Berlin
Tischlerarbeiten: Tischlerei E. Nickel GmbH & Co KG, Weißwasser
 
Hersteller
Ziegel: Gima

Bruttogeschossfläche
10.510 m²
 
Gesamtkosten
13.000.000 € (netto)
 
Auszeichnung
Geladener städtebaulicher Ideenwettbewerb, 1. Preis 
 
Fotos
HGEsch

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