Clusterwohnungen und mehr

EM2N Architekten
5. maggio 2021
Blick von der Kienitzer Straße (Foto: Andrew Alberts)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Der Wettbewerb ging aus einer Initiative zu experimentellem Wohnungsbau von 2013/2014 der Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher hervor. Insofern ließ das angedeutete Raumprogramm und die Auslobung des Wettbewerbs im Entwurf einen größeren Spielraum als üblich zu. Ideen und Gedanken zu Fragen der Standards, der veränderten Demografie, eines neuen gesellschaftlichen Miteinanders im Wohnumfeld, die Vielfalt an heutigen Lebenssituationen und Lebensmodellen waren Teil der Aufgabe. Sie befand sich damit im Kräftefeld aktueller und wichtiger Themen wie der Innenentwicklung respektive der baulichen Verdichtung unserer Städte, der Schaffung kostengünstigen Wohnraums und dem Bedürfnis einer Angebotsvarianz zur Durchmischung sowohl der Bewohnerschaft als auch der Nutzungsmöglichkeiten.

Blick in den begrünten Innenhof (Foto: Andrew Alberts)
Blick vom Laubengang im 1. Obergeschoss (Foto: Andrew Alberts)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Die Fülle der gegenwärtig interessanten, genossenschaftlichen Bauten ist sicherlich ein wichtiger Fundus. Zeitgleich haben wir die Wanderausstellung ‘Together! Die Neue Architektur der Gemeinschaft’ für das Vitra Design Museum zusammen mit Ilka und Andreas Ruby entwickelt, sodass wir sehr sensibilisiert waren für die Frage, wie kollektive Momente und Orte entstehen können. Insbesondere das soziale und ökonomische Potenzial von Clusterwohnungen fanden wir für die Stadt Berlin eine wichtige Option im Projekt.

Blick aus dem Laubengang im 4. Obergeschoss
Ausblick ins Rollbergviertel (Foto: Andrew Alberts)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Unser Vorschlag, einer aus mehreren Teilen zusammengesetzten hybriden Figur, vermittelt an der Nahtstelle zwischen der heterogenen Blockrandstruktur mit ihren charakteristischen Brandwänden und den mäandrierenden Großstrukturen der Spätmoderne aus den siebziger Jahren. Die ambivalente Figur vereint die unterschiedlichen Maßstäbe und Typologien (Scheibe und Hof) seines Umfeldes und kann so die Aufgabe als städtebauliches Passstück übernehmen. 

Durch diese präzise städtebauliche Setzung entsteht ein zentraler Hof, der als kollektiver Ort fungiert und so zu einem der identitätsstiftenden Elemente der Hausgemeinschaft wird. 

Das Vorhaben verortet sich zwischen ambitioniertem Experiment und marktfähigem Produkt. Eine großzügige und gleichzeitig hocheffiziente Erschließungs- und Balkonstruktur bietet Potenzial für eine überdurchschnittliche Aneignungsfähigkeit durch die Bewohnerschaft. Wir sind hocherfreut, dass wir die damit einhergehenden Fragen von Brandschutz und Tageslichtversorgung lösen konnten und seit der Fertigstellung sehen, wie gut diese Struktur von den Bewohner*innen angenommen und aktiv bespielt wird. Die für das Erdgeschoss vorgeschlagenen Nutzungen wie das Café mit Sitzgelegenheiten im Freien und die flexibel dimensionierten Studios entlang der Briesestraße kommunizieren mit der Stadt und beleben das Quartier. Jedes der vier Gebäudeteile reagiert mit seiner einfachen und kompakten Grundstruktur und seiner spezifischen Typologie auf die jeweilige Lage und Ausrichtung.

Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Durch die eingangs geschilderte Entstehungsgeschichte des Vorhabens wurde wertvolle Vorarbeit seitens der Senatsverwaltung geleistet. Dank dem Mut der Bauherrschaft wurde sowohl das Vorhaben sowie der Wettbewerb offen und innovativ aufgegleist, als auch das Projekt in seiner Konsequenz realisiert.

Vorplatz einer 2-Zimmer-Wohnung im westlich gelegenen Riegel (Foto: Andrew Alberts)
3-Zimmer-Eckwohnung im westlich gelegenen Riegel (Foto: Andrew Alberts)
2-Zimmer-Eckwohnung im westlich gelegenen Riegel (Foto: Andrew Alberts)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Nur wenig. Der Wohnungsspiegel war bereits durch die Auftraggeberin festgelegt. Es wurden Apartments mit einer Größe von ein bis vier Zimmern, Studios und Clusterwohnungen mit zusätzlichen Gemeinschaftsbereichen geschaffen. Innerhalb der Großstruktur des flexiblen Regals konnte der Wohnungsmix mit geringem Aufwand während des Planungsprozesses angepasst werden. Dazu mussten keine Veränderungen der strukturellen Festlegungen vorgenommen werden. 

Bereits im ersten Entwurf haben wir den Mehrwert des Laubengangs erkannt. Er ermöglicht die Erweiterung des Wohnraums ins Freie und ist gleichzeitig eine sehr wirtschaftliche Erschließungsform, vor allem bei Gebäuden mit einem hohen Anteil an kleinen Wohnungen. Lediglich ein zusätzliches Fluchttreppenhaus musste in der Entwurfsplanung aus Brandschutzgründen ergänzt werden. 

Lageplan (Zeichnung: EM2N)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: EM2N)
Grundriss 7. Obergeschoss (Zeichnung: EM2N)
Schnitte (Zeichnung: EM2N)
Neues Wohnen an der Briesestraße
2020 
Briesestraße 19 / Kienitzer Straße 26
12053 Berlin

Nutzung
101 Wohn- / Ateliereinheiten, Clusterwohnungen, Café, Tiefgarage mit 28 Stellplätzen

Auftragsart
Wettbewerb, 1. Preis
 
Bauherrschaft
Stadt und Land Wohnbauten-Gesellschaft mbH
 
Architektur
Planung: EM2N Architekten AG, Zürich
Ausführung: EM2N Architekten Berlin GmbH, Berlin
Partner Mathias Müller, Daniel Niggli
Associates Fabian Hörmann (Wettbewerb), Verena Lindenmayer (Ausführung)
Projektleitung Henrike Kortemeyer
Projektteam Wettbewerb Mathias Kampmann, António Mesquita, Inês Nunes, Jonas Rindlisbacher, Caroline Vogel, Leonard Wertgen
Projektteam Ausführung Laura Ball, Pia Brückner, Felix Dechert, Götz Lachenmann
 
Fachplaner
Bauberatung / Bauökonomie: GNEISE Planungs- und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin
Ausschreibung / Qualitätssicherung: HW-Ingenieure GmbH, Berlin
Bauingenieur (Wettbewerb): Schnetzer Puskas Ingenieure AG, Zürich
Abbruchs- und Tragwerksplanung: Ingenieurbüro Rüdiger Jockwer GmbH, Berlin
HLK-Planung, Lüftung Tiefgarage: Ingenieur- und Sachverständigenbüro Karl-Heinz Quenzel, Berlin
Haustechnik: GNEISE Planungs- und Beratungsgesellschaft mbH, Berlin
Akustik: Bauphysik Ritter, Potsdam
Wärmeschutz- und Energiebilanzierung: Andreas Wilke Ingenieurbüro für Bauphysik und Baukonstruktion GmbH, Potsdam
Brandschutzplanung: Andreas Wilke Ingenieurbüro für Bauphysik und Baukonstruktion GmbH, Berlin
Prüfingenieur Brandschutz: KLW Ingenieure GmbH, Berlin
Verkehrsplanung: R+T Verkehrsplanung GmbH, Darmstadt
Landschaftsarchitekt: MAN MADE LAND Bohne Lundqvist Mellier GbR, Berlin
Vermesser: Ingenieursozietät Rek & Wieck, Berlin
Signaletik: EM2N, Caroline Vogel, Zürich
 
Bauleitung
Implenia Hochbau GmbH, Leipzig 

Hersteller
Montana Bausysteme AG: Fassade Metallblech, MONTAFORM® DESIGN 35-5/440 
VitrA Bad GmbH: Bodenfliese Bäder,, Steinzeugfliese, 5x5cm, VitrA Pro Technic Function
Beton und Naturstein Babelsberg GmbH: Vorgehängte Betonfertigteilfassade, Einzelanfertigung
 
Energiestandard 
EnEV 2014
 
Bruttogeschossfläche
13.343 m²
 
Gebäudevolumen
33.286 m³
 
Gesamtkosten
k.A.
 
Fotos
Andrew Alberts
 

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