Individuelle Architektur in Serie

scholl.balbach.walker gp
15. juin 2022
Durch einen Einschnitt am Ende der Umkleideraum-Spange öffnet sich die Sporthalle mit witterungsgeschütztem Eingang zum öffentlichen Raum (Foto: Hans Jürgen Landes)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Dreifeldsporthalle in Spandau ist eine von bisher neun baugleichen Hallen in verschiedenen Berliner Bezirken. Die Aufgabe bestand darin, Sporthallen für 60 Zuschauer-Stehplätze oder 199 Tribünen-Sitzplätze gleicher Bauart für eine serielle Bauweise mit hohem Vorfertigungsgrad zu entwickeln, die sich an verschiedenen Standorten einfügen lassen. Die Herausforderung bestand also weniger in der Bauaufgabe an sich, sondern in der Anpassbarkeit an verschiedene städtebauliche Situationen und Grundstückszuschnitte.

Bei Dämmerung wird die innere Struktur erkennbar (Foto: Hans Jürgen Landes)
Diagonal gespiegelt zum Haupteingang liegt der Zugang vom Schulhof ebenfalls geschützt unter einem Vordach (Foto: Hans Jürgen Landes)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Wir wollten einen Ort schaffen, an dem man gerne Sport treibt. Und ein Gebäude, das die Umgebung aufwertet. Gleichzeitig nimmt sich das Gebäude mit seinem Holzkleid zurück, sozusagen als temporäres Objekt, das da ist, aber semantisch auch Vergänglichkeit in sich trägt. Im Kontrast dazu soll sich die Glasfassade der Halle mit der plastischen vertikalen Gliederung in das Gedächtnis des Beobachters einprägen. 

Die äußere Erscheinung greift Gestaltungsmerkmale skandinavischer Architekturtradition auf, die für nüchterne Eleganz steht und sich harmonisch in die Umgebung einfügt.

Tragwerk, Hallenfassade und Hallenausbau stehen in geometrischem Bezug zueinander (Foto: Hans Jürgen Landes)
Beleuchtung und Haustechnik treten zwischen den Bindern des Hallentragwerks optisch in den Hintergrund (Foto: Hans Jürgen Landes)
Anstelle der Addition von Einzelelementen sind Bedienelemente, Anschlüsse und optische Melder in Nischen der Prallwand zusammengelegt (Foto: Hans Jürgen Landes)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die Anpassbarkeit an verschiedene Standorte basiert auf zwei Eigenschaften: die funktional differenzierte Zonierung der Nebenräume auf den beiden Längsseiten der Halle und die Anordnung der Erschließung auf drei Seiten. Dadurch können der Nutzung entsprechend die Umkleideraum-Spange dem öffentlichen Raum und die Geräteraum-Spange dem Grundstück zugeordnet werden.

Der in der Höhe gestaffelte Baukörper nimmt sich mit seiner Holzfassade gegenüber dem historischen Gebäudebestand zurück, greift aber mit zeitgemäßen Mitteln der Glasfassade der Halle gleichzeitig die vertikale Fassadengliederung des Gründerzeitschulbaus auf. So ergibt sich trotz der unterschiedlichen Materialität und Gebäudetypologie auf ganz selbstverständliche Weise eine Symbiose zwischen Alt und Neu.

Der Bezug zum Außenraum am jeweiligen Ende des zentralen Erschließungsflurs erleichtert die Orientierung im Gebäude (Foto: Hans Jürgen Landes)
Anstelle von Katalogprodukten sind die Garderoben Bestandteil des Ausbau- und Haustechnikkonzepts (Foto: Hans Jürgen Landes)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Senatsverwaltung hat von Anfang an unsere Qualitätsansprüche an Konstruktion und Materialität sowie die Individualität der Lösungen, wie z.B. den Ausbau der Umkleiden, mitgetragen. Die Herausforderung bestand darin, die hohen funktionalen Anforderungen der Vertreter des Schul- und Vereinssports in das Ausbaukonzept so zu integrieren, dass diese nicht in den Vordergrund treten.

Die Entscheidung des Bauherrn, bei diesem Serienbauprogramm die Ausführungsplanung nicht an den Generalunternehmer zu übertragen, hat Einflüsse Dritter auf die Konstruktion und das Erscheinungsbild verhindert.

Ausbauflächen und Objekte stehen in geometrischem Bezug zueinander (Foto: Hans Jürgen Landes)
Die Integration der Einzelfunktionen in den Ausbau setzt sich im Mehrzweckraum fort (Foto: Hans Jürgen Landes)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Bis auf den Rasterabstand des Hallentragwerks, der im Planungsprozess aus Gründen der Materialeffizienz von ursprünglich 1,25 Meter auf 3,75 Meter optimiert wurde, und den Vorschlag, durch Anordnung von Rollstuhlplätzen auf Hallenebene auf einen Personenlift zur Erschließung der Zuschauerebene verzichten zu können, ist der Wettbewerbsentwurf ohne Abstriche in die Realität umgesetzt worden.

Die lichtstreuende Verglasung der Halle ist Teil einer plastischen Fassadenstruktur, in die Dachrand, Regenentwässerung und Blitzschutz integriert sind (Foto: Hans Jürgen Landes)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Energetisch optimierte Gebäude mit hoher Aufenthaltsqualität sind für uns seit der Bürogründung das Ziel. Den Einsatz von Holz als nachwachsenden Rohstoff praktizieren wir schon länger, sowohl im Ausbau als auch für konstruktive Aufgaben. Insofern haben aktuelle Tendenzen unsere Herangehensweise an Bauaufgaben eingeholt.

Als „Kinder der Moderne“ verfolgen wir ein zeitloses Erscheinungsbild durch Reduktion auf wenige wesentliche Elemente mit dem Gestaltungsmittel der Abstraktion. Das spiegelt sich bei den Typensporthallen in dem Kontrast zwischen den homogenen Holzflächen, die sich über die gesamte Außenfassade erstrecken, und der gitterförmigen weißen Rahmung der Hallenverglasung, in der die Attikaabdeckung, die Simse, die Fallrohre und der Blitzschutz integriert sind, wider. Entsprechend nehmen sich die Glasfassaden der Gebäudezugänge mit schwarz beschichteten Profilen und die Attikaabdeckung der Nebenraumspangen mit Angleichung an den Grauton der Brettschalung zurück. Den Einzelfenstern der Umkleiden ist ein Screen aus Profilbauglas vorgelagert, der neben der Vereinheitlichung der Fassadenfläche als Blick- und Vandalismus-Schutz dient. Einzelelemente ordnen sich dem großen Ganzen durch Integration oder in Angleichung der Oberfläche unter.

Typensporthalle am Standort Lily-Braun-Gymnasium in Berlin-Spandau (Foto: Hans Jürgen Landes)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Holz ist innen und außen das beherrschende Material, sowohl konstruktiv als auch im Erscheinungsbild. Beton bildet lediglich die Basis für das Hallentragwerk und die Außenwände.

Imagebildend ist die sägeraue Brettschalung aus Weißtanne, die in einem speziellen Verfahren behandelt wurde, das die natürliche Vergrauung des Holzes vorwegnimmt.

Lageplan (Zeichnung: scholl.balbach.walker gp)
Grundriss Hallenebene (Zeichnung: scholl.balbach.walker gp)
Grundriss Galerieebene (Zeichnung: scholl.balbach.walker gp)
Längsschnitt (Zeichnung: scholl.balbach.walker gp)
Querschnitt (Zeichnung: scholl.balbach.walker gp)
Typensporthallen Lily-Braun-Gymnasium
2021
Münsingerstraße 2
13597 Berlin-Spandau
 
Nutzung
Schul- und Vereinssporthalle
 
Auftragsart
Generalplanerauftrag nach Nichtoffenem Realisierungswettbewerb
 
Bauherrschaft
Land Berlin, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen
 
Architektur
scholl architekten partnerschaft gp  scholl.balbach.walker, Stuttgart
Projektleitung: Wolfgang Balbach und Michael Walker
Mitarbeit: Yasmin Balbach, Santa Birzniece, Natascha Reimer Bradfield, Leticia Outomuro Cadavid, Peter Pfeil
 
Fachplaner
Tragwerksplanung: Helber+Ruff Beratende Ingenieure PartG mbB, Ludwigsburg
Technische Ausrüstung: Heimann Ingenieure GmbH, Berlin
Bauphysik: rw bauphysik Ingenieurgesellschaft mbH Co. KG, Schwäbisch Hall
Brandschutz: BPK Brandschutz Planung Klingsch GmbH, Niederlassung Berlin
Freianlagen: Frank Kiessling Landschaftsarchitekten, Berlin
Überflutungsnachweise: Ingenieurbüro Obermeyer, Potsdam
Leit- und Informationssystem: Büro für Gestaltung Wangler & Abele, München
 
Ausführende Firmen
Generalunternehmer: Gustav Epple Bauunternehmung GmbH, Niederlassung Berlin
Garten- und Landschaftsbau: Alphagrün GmbH, Berlin
 
Hersteller
Hallentragwerk: Rubner Holzbau GmbH, Augsburg
Brettschalung Fassade: Habisreutinger, Weingarten
Holz-Alu-P/R-System: RAICO Bautechnik GmbH, Pfaffenhausen
Verglasung Halle: Okalux Glastechnik GmbH, Marktheidenfeld-Altfeld
Verglasung Erdgeschoss: Saint-Gobain, Aachen
Profilbauglas: Pilkington Bauglasindustrie GmbH, Schmelz
Hallenausbau: Top-Sport GmbH, Rietberg
Hallentore und -türen: Herkules-Schwebetore GmbH, Lüdenscheid
Sportgeräte: Janzen Sport GmbH, Kloster Lehnin
Trennvorhänge: Metallbau Politz GmbH, Edersleben
Personenlift: Hiro Lift Hillenkötter+Ronsiek GmbH, Bielefeld
 
Energiestandard
KfW-Effizienzhaus 55
 
Bruttogeschossfläche
2.140 m²
 
Gebäudevolumen
15.500 m³

Gesamtkosten KG 200-700
ca. 6.210.000 € brutto

Fotos
Hans Jürgen Landes, Dortmund

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