Ministerium auf schwierigem Grund

Katinka Corts
12. enero 2022
Der städtebauliche Entwurf von Büro HENN mit WES LandschaftsArchitektur (Modellfoto: Till Budde)

Es gibt geschichtlich einfachere Planungsperimeter und auch einfachere Bauaufgaben: Der Bauplatz für den EZ-Campus, den das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) künftig beziehen wird, befindet sich zwischen den Resten der Berliner Mauer, neben Europa- und Deutschlandhaus, neben Gropius-Bau und dem Dokumentationszentrum Topographie des Terrors. Die städtebauliche Planungsaufgabe war ebenso komplex, denn es galt, ein gewaltiges Neubauvolumen mit einer BGF von 36‘000 m2 stadtverträglich in den Stadtraum einzufügen und zugleich an das bestehende Europahaus anzubinden. Das Ministerium formulierte bald die Bezeichnung EZ-Campus, was sich jedoch als anders gemeint herausstellte: kein Campus im Sinne eines öffentlichen, für jeden und jede zugänglichen Stadtraums, sondern vielmehr ein Campus für die Ministerien, die hier einen gemeinsamen Ort finden. Zwar waren publikumswirksame Flächen wie Pressestelle und Versammlungsraum gewünscht, eine wirkliche Öffnung in Anbetracht der ministerialen Sicherheitsanforderungen jedoch nicht.

Alexander Koblitz, der stellvertretende Vorsitzende des Preisgerichts, fasste in der Vorstellung der Projekte weitere Herausforderungen zusammen: Das zu planende Areal befindet sich hinter dem 48 Meter hohen Europahaus und dem knapp halb so hohen Deutschlandhaus – womit der Ort per se nicht direkt erfahrbar ist seitens der Straße. Der Denkmalschutz wies darauf hin, dass bei einer Bebauung auch sichergestellt sein müsse, dass die Blickachsen und Sichtbeziehungen zwischen Gropiusbau und dem gerade erst in neuem Glanz erstrahlenden Dokumentationszentrum Flucht, Vertreibung, Versöhnung im Deutschlandhaus nicht unterbrochen würden.

Um die genaue Ausformulierung einer Architektur ging es vorerst nicht, wenn auch zahlreiche Büros schon sehr detaillierte Ideen und Pläne abgaben und es damit, so Koblitz, nicht auf die vorderen Ränge schafften. Es ging darum, die vertretbare Körnung für den Ort zu definieren. Aus den 15 eingereichten Arbeiten hat die Jury schlussendlich vier Preise entschieden, wobei sich die ersten drei typologisch sehr ähneln – zwei zueinander verdrehte Baukörper – und die Plätze eins und zwei gar an fast gleicher Stelle zwei im Fußabdruck nahezu identische quadratische Baukörper setzten.

1. Preis, HENN mit WES Landschaftsarchitektur
1. Preis, HENN mit WES Landschaftsarchitektur

Der erstplatzierte Entwurf von Büro HENN und WES Landschaftsarchitektur fügt auf dem Gelände zwei Baukörper mit je quadratischer Grundfläche und unterschiedlicher Höhe ein. Parallel zum Gropiusbau steht der fünfgeschossige und 22m hohe Nordbau, südlich schließt sich der elfgeschossige und 45 m hohe zweite Bau an. Mit diesen Höhen bewegen sich die Entwurfsverfasser im bekannten Rahmen, wenn man sich an die Höhen von Europahaus und Deutschlandhaus erinnert. Mit 48 Metern Seitenbreite sind die Einzelbauten recht dick, in der Höhe lockert sich der Grundriss jedoch mit einem Innenhof auf. Lediglich im ersten Obergeschoss sind beide Bauten über eine Brücke miteinander verbunden, die Verbindung zum Europahaus liegt unterirdisch. Lobenswert am Projektvorschlag ist, dass der Raum zwischen Bestand und Neubau sehr selbstverständlich gefüllt wird. Hier sind zwei Eingänge vorgesehen, wobei sich der öffentliche Teil im Südbau befindet und alle sicherheitsrelevanten Bereiche im nördlichen Baukörper. In den Büroetagen der Obergeschosse wäre es dank einer Hoftypologie möglich, die Büroräume nach außen und alle Besprechungszimmer nach innen zu verlegen – und das tageslichtnah.

Beitrag von wulf architekten, Landschaftsarchitektur planstatt senner (Modellfoto: Till Budde)
2. Preis: wulf architekten, Landschaftsarchitektur planstatt senner
2. Preis: wulf architekten, Landschaftsarchitektur planstatt senner

Wulf Architekten haben bei ihrem Entwurf einen sehr ähnlichen Ansatz gewählt, wobei die quadratischen Bauten um zwölf Meter schmaler sind und dadurch das Volumen über die Höhe kompensiert werden muss. Somit ragen die acht und vierzehn Geschosse umfassenden Hochhäuser deutlich über die benachbarten Bestandsbauten heraus. Das öffentliche Sockelgeschoss schließt komplett an die Ostfassade des Deutschlandhauses an. Das schafft zwar einen guten Abschluss auch in Richtung der Straße, der Vorschlag verschließt die Ministeriumswelt jedoch zugleich hermetisch und verbaut die Sichtbeziehung zum Gropius-Bau.

Beitrag von steidle architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH mit TERRA.NOVA, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung (Modellfoto: Till Budde)
3. Preis: steidle architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH mit TERRA.NOVA, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung
3. Preis: steidle architekten Gesellschaft von Architekten und Stadtplanern mbH mit TERRA.NOVA, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung

Als Quader bildeten Steidle Architekten die zwei Baukörper ihres städtebaulichen Vorschlags aus. Bei ähnlicher Komposition wie die genannten Vorgänger nehmen die Bauten deutlich mehr Grundfläche ein, ragen dafür aber nur acht respektive sechs Geschosse in die Höhe. Zur südlichen Anhalter Straße sind die publikumswirksamen Nutzungen orientiert, aber dass die Öffentlichkeit den Rest des Areals durchquert, ist nicht vorgesehen. Große Brücken verbinden die beiden Bauten mit dem Europahaus über mehrere Geschosse, was die Durchlässigkeit zusätzlich stört.

Beitrag von Reichel Schlaier Architekten GmbH Freie Architekten BDA und nsp landschaftsarchitekten stadtplaner Part-GmbB (Modellfoto: Till Budde)
4. Preis: Reichel Schlaier Architekten GmbH Freie Architekten BDA und nsp landschaftsarchitekten stadtplaner Part-GmbB
4. Preis: Reichel Schlaier Architekten GmbH Freie Architekten BDA und nsp landschaftsarchitekten stadtplaner Part-GmbB

Den vierten Preis lobte Koblitz als „verblüffende Arbeit“, die in der Jury am meisten polarisiert habe. Reichel Schlaier Architekten stellten ein einzelnes, 22-geschossiges Hochhaus vor den an das Gelände angrenzenden Park. Mit minimalem Fußabdruck steht der Baukörper in einer Art Landschaftspark und in der Flucht des Deutschland-Hauses. Das Problem jedoch: Nur mit einem insgesamt dreigeschossigen Untergeschoss konnte das Bauvolumen untergebracht werden, womit sich zudem Pressestelle, Versammlungsraum und Kantine in den Untergrund verlagern. Dies sei, so die Jury, auch im Selbstverständnis der Ministeriums nicht vorstellbar. Der Gedanke, ein einzelnes Objekt im Park stehen zu haben, gefiel. Jedoch kamen dabei auch wieder sicherheitsrelevante Fragen, auch zu Einfriedungen, auf, die hier an sich nicht offen sichtbar gewünscht sind.

„Der städtebauliche Entwurf hat die bestmögliche Neutralität und gibt als Grundlage zu einem Bebauungsplan die Möglichkeit, dass auch bei einem hochbaulichen Realisierungswettbewerb noch genug Freiheit bleibt, dem Neubau einen besonderen architektonischen Ausdruck zu geben.“

Alexander Koblitz, stv. Vorsitzender des Preisgerichts, über den Entwurf von HENN

Der Beitrag von HENN stellt laut der Jury die überzeugendste städtebauliche Komposition dar. Sowohl die Höhenstaffelung der Baukörper untereinander als auch die Herausarbeitung des Binnenraumes zwischen Bestand und Neubau, der für die Öffentlichkeit zugänglich ist und zugleich die für das Ministerium notwendigen sicherheitsrelevanten Aspekte erfüllt, heben den Entwurf deutlich von der Konkurrenz ab.
Nun gibt erstmal die Bundesseite den Takt vor, die wesentlichen Merkmale des erstplatzierten Entwurfes müssen aufbereitet und dann in einen Bebauungsplan überführt werden. Geklärt werden muss auch, ob im Anschluss ein weiterer hochbaulicher Wettbewerb durchgeführt werden soll oder ob es zu einer Ausschreibung kommt. Sobald die Bedarfsplanung abgeschlossen ist, werden die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung BMZ das Verfahren weiterführen. 


Digitale Ausstellung der Projekte unter https://ez-campus-plus.berlin.de

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