Photo © Achim Birnbaum
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Kindertagesstätte Kinderhaus Franziskus

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Location
Burgstraße 27, 70569 Stuttgart-Kaltental
Year
2015
Architekten
Kuhn und Lehmann Architekten, Freiburg im Breisgau Team: Daniel Lenz, Prof. Christoph Kuhn, Thomas Lehmann Wiesler Zwirlein Arch
Landschaftsarchitekt
g2-Landschaftsarchitekten, Stuttgart
Tragwerksplaner
IB Lachenmann Beratender Ingenieur im Bauwesen, Vaihingen
Bauphysiker
Stahl+Weiß, Bauphysik und Energiekonzeption, Freiburg
TGA-Fachplaner
Henne & Walter GbR, Reutlingen
Baubeginn
2012
Fertigstellung
2015
Brutto-Grundfläche (BGF)
1.015 m²
Netto-Grundfläche (NGF)
640 m²
Auszeichnung
Beispielhaftes Bauen Stadtkreis Stuttgart 2011-2015 - Auszeichnung

In seiner Erscheinung mag das Kinderhaus Franziskus zunächst irritieren. Kompakter Holzbau? Filigraner Stahlbau? Tatsächlich entwickelt sich diese Dualität stringent aus dem lokalen Kontext, den funktionalen Anforderungen und einer angemessenen Haltung gegenüber Energieverbrauch und Ressourcenkreisläufen.

Der extrem kleine Bauplatz in Hanglage führt unter der Prämisse, dass dem Aufenthalt im Freien mindestens der gleiche Raum beizumessen ist wie dem Geschützten und Geborgenen im Inneren, zu dem komprimierten dreigeschossigen Baukörper. Der flächeneffiziente Grundriss vermeidet unbrauchbare Verkehrsflächen. Haupteingang und Hauptgruppenräume liegen zentral auf der mittleren Ebene, die Kleinsten spielen ganz oben, im unteren Gartengeschoss finden sich die gemeinsam genutzten Räume für alle.

Um die Minimalforderungen an die Programmfläche in dem hochverdichteten Umfeld zu erfüllen, zählt tatsächlich jeder Zentimeter. Im Sinne einer Suffizienz-Strategie heißt das „nicht mehr als nötig“ und bildet die Grundlage für einen gesamthaften nachhaltigen Ansatz. Der Holzbau ermöglicht schlanke Konstruktionen trotz guter Dämmung und spart zusätzlich wertvolle Fläche.

Der tiefe Baukörper hat zwangsläufig ein Belichtungsproblem. Die Antwort darauf ist die von Süden nach Norden verlaufende Lichtschneise. Dieser knapp bemessene „Leerraum“ leistet weit mehr als ein großzügiges Treppenhaus. Er versorgt auch bei tiefstehender Wintersonne die nördlichen Räume mit natürlichem Licht. Er verbindet die drei Geschosse zu einem Haus, das über vielfältige vertikale und horizontale Sichtbeziehungen als Ganzes erlebt werden kann, das aber dennoch differenzierte Rückzugsräume und Nischen bereithält. Er ist schließlich auch Teil eines einfachen Lüftungskonzeptes, das den fließenden Raum nutzt, um auf Lüftungskanäle weitgehend verzichten zu können. Die warme Abluft des Hauses wird über die Sanitärräume in den Dachraum geführt, wo sie mittels einer Wärmerückgewinnung die frische Außenluft auf ihrem Weg ins Gebäude vorerwärmt. Die jetzt wohltemperierte Zuluft wird zentral vom Erdgeschoss aus über den offenen Luftraum frei überströmend im ganzen Haus verteilt. Dieser Kreislauf sorgt allzeit für gute Luftqualität und minimiert die Wärmeverluste. Im Sommer senkt der Luftwechsel mit kühler Nachtluft das Temperaturniveau vor Tagesbeginn. Die freie Raumhöhe über 9 Meter ermöglicht bei geöffneten Oberlichtern bereits über die natürliche Thermik einen permanenten Luftaustausch. Jeder Raum verfügt über Fenstertüren und zwei kleine Fenster, die durch ihren Höhenversatz für gute natürliche Durchlüftung sorgen. Ohne technische Hochrüstung kann der Energiebedarf so unter die gesetzlichen Vorgaben gedrückt und die Versorgung der Fußbodenheizung über die ohnehin erneuerte Heizungsanlage des benachbarten Gemeindehauses gedeckt werden – eine eigene Wärmeerzeugung wurde obsolet.

Der dreigeschossige Luftraum ist also integraler Bestandteil eines simplen Belichtungs-, Lüftungs- und Energiekonzeptes. Er verbindet räumliche Großzügigkeit und Komplexität mit ökologischer Sinnfälligkeit. Dieser ist auch der Holzbau geschuldet. Neben der Flächeneffizienz durch die schlanke Konstruktionsweise (dämmen und tragen in einer Ebene) schont der nachwachsende Rohstoff kreislauffähig Ressourcen und bindet dauerhaft CO2. Holz im Winter zu „verheizen“ ist dagegen in der Regel kontraproduktiv. Insbesondere in einem Kinderhaus muss die Holzkonstruktion sorgfältig gegen Feuer geschützt werden. In Verbindung mit dem haushohen Luftraum ist das besonders schwierig. Es führt dazu, dass im Inneren das Holz hinter weißen Vorsatzschalen verschwindet. Das Weiß bietet zusammen mit dem sandfarbenen Kautschuk-Boden den hell-ruhigen Hintergrund für das bunte Treiben der Kinder. Ausnahmen sind die breiten Treppenläufe und die Fenster aus massivem Lärchenholz.

Nach Außen erhält das Haus einen Filter aus umlaufenden Balkonen. Auch diese dienen mehrfach. Sie schützen als geschossweiser Dachüberstand das hier sichtbare Holz. Sie kompensieren als Außenspielfläche den fehlenden Bodenkontakt in den Obergeschossen und als umlaufende Rettungswege vervollständigen sie das Brandschutzkonzept und machen damit die Kombination aus Holzkonstruktion und der offenen Innenräumlichkeit überhaupt erst möglich.

Darüberhinaus vermittelt die filigrane weiße Stahlkonstruktion zu den weißen Putzbauten der Nachbarschaft. Der Materialeinsatz des in der Herstellung energieintensiven aber bestens recycelbaren Stahls wird dabei aufs äußerste minimiert und steht im Kontrast zum flächig-massiven Holzbau. Diese umlaufende Zwischenzone ermöglicht die bewusste Engstellung und Platzbildung des Ensembles aus Kirche, Gemeinde- und neuem Kinderhaus, gewährt aber gleichzeitig eine respektierende Distanz. Die rasterartig angeordneten Streckmetallpaneele verdichten sich als Sonnenschutz entsprechend Himmelsrichtung und Sonnenstand. Zum Kirchenportal nach Westen bilden sie damit ein gleichmäßig beruhigtes Gegenüber. Mit seiner Tiefenschichtung erzeugt der Fassadenaufbau eine vielfältig wechselndes Licht- und Schattenspiel.

Das Kinderhaus Franziskus verkörpert eine kohärente Balance aus angemessener Ressourcenschonung im Betrieb (Effizienz), bei der Erstellung sowie dem möglichen Rückbau (Konsistenz) und einem sparsamen Flächenverbrauch (Suffizienz). Diese Balance findet ihren architektonischen Ausdruck in einem komplexen und spannungsreichen Raum- und Materialgefüge in dem jeder Teil seine spezifische Rolle in einem synergetischen Gesamtsystem spielt.

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