Tilla Goldberg: „Es geht darum, die Ressource Wasser zu feiern und gleichzeitig die Nutzer zum Nachdenken anzuregen und ihren Umgang damit zu hinterfragen“

Thomas Geuder
31. January 2023
Tilla Goldberg (Foto: Ippolito Fleitz Group)

Thomas Geuder:  Frau Goldberg, eine Gestaltung, die nicht nur zum Bauherrn passt, sondern darüber hinaus Identität stiftet, ist das Markenzeichen von Ippolito Fleitz. Bei Büros, Verkaufsräumen oder Restaurants ist dieses Prinzip gut vorstellbar, doch das Bad – das bei der ISH im Fokus steht – ist ein sehr persönlicher, intimer Raum. Wie geht Ihre Philosophie mit dieser speziellen Gestaltungsaufgabe um?

Tilla Goldberg: „Identity Architects“ ist nicht nur unser Name, sondern unsere Mission. In jedem unserer Projekte spielen die Identität und die sehr persönlichen Präferenzen unserer Kunden eine zentrale Rolle. Das Badezimmer ist – mit Ausnahme des Schlafzimmers – der intimste Ort in den eigenen vier Wänden, den meistens nur nahestehende Menschen zu Gesicht bekommen. Ein Raum, den man morgens als Erstes betritt und in dem man am Abend entspannt. Hier folgt jeder seinen ganz eigenen Ritualen, die wir versuchen in die Raumgestaltung aufzunehmen und umzusetzen. War das Bad früher vorwiegend ein Funktionsbereich, der lediglich der Körperhygiene diente, ist es heute ein Lebensraum, der die eigene Persönlichkeit widerspiegeln soll. Und somit die eigene Identität darstellt. Das macht unsere Arbeit an dieser Stelle so interessant.

Rehau Future Apartment – interzum 2019 (Foto: Rehau AG + Co / Käthy Braun)

Vor dem Hintergrund von Klimawandel und Energiekrise nimmt der Umgang mit Ressourcen einen immer größeren Stellenwert ein, etwa wenn es um die Auswahl von Materialien geht. Beeinflusst dies auch Ihre Planungen, und wenn ja, wie?

Wir als die gestalterischen Kuratoren eines Projekts stehen in der Verantwortung, welche Materialien wir verwenden, hinter welchen Materialien wir stehen können. Sei es bezüglich der Langlebigkeit, des ökologischen Footprints oder auch bei der Ästhetik. Bei Bädern ist die Materialienauswahl sehr spannend, da sie viele unterschiedliche Aggregatzustände wie hohe Luftfeuchtigkeit oder verschiedene Wärmestufen aushalten müssen. Im Sinne der Nachhaltigkeit ist es von Vorteil, Materialien zu verwenden, die das Klima im Badezimmer ausnutzen und beispielsweise Wärme speichern oder die Feuchtigkeit für sich nutzen, wie es bei einem begrünten Badezimmer der Fall wäre. 

Maisonette P155 (Foto: Eric Laignel)

Ein Begriff, der nicht nur im Hochbau, sondern auch im Interior Design immer wieder fällt, ist die Nachhaltigkeit. Wo sehen Sie besonders im Bereich von Bädern und Nasszellen ein großes Einsparpotenzial, welche Zukunftsstrategien halten Sie für notwendig?

In meinen Augen hat der bewusste Umgang mit der Ressource Wasser den größten Impact für mehr Nachhaltigkeit im Badezimmer. Das kann die Verwendung von intelligenten Rohrsystemen oder eine Dusche mit intelligenter Wassersteuerung sein.  Smarte Technologien werden in Zukunft unsichtbar den Ressourcenverbrauch steuern und den Komfort im Bad erhöhen. Aber auch etwa atmungsaktive Putz- oder Lehmputzoberflächen, durch die die Raumluftqualität verbessert werden kann, spielen beim Thema Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle.

Geberit 6x6 – Biophilic Bathroom 2022 (Foto: Ippolito Fleitz Group)

Das Wasser ist eine enorm wichtige Ressource, mit der bewusst umgegangen werden sollte. Welche Stellschrauben sehen Sie in Ihrer Arbeit, das Bewusstsein für den Umgang mit Wasser beim Nutzer zu schärfen?

Als Architekten können wir insofern die Aufmerksamkeit der Nutzer auf die Ressource Wasser lenken, als dass wir bei der Beratung gewisse Ansprüche kritisch hinterfragen und im Sinne der Nachhaltigkeit prüfen. Durch eine bewusstere Beschäftigung mit allem, was hinter der Badezimmerwand passiert, und nicht nur mit der Ästhetik davor, können sinnvolle Planungen erstellt und das Bewusstsein der Nutzer auf dieses Thema gelenkt werden. Es geht darum, die Ressource Wasser zu feiern und gleichzeitig die Nutzer zum Nachdenken anzuregen und ihren Umgang damit zu hinterfragen. Der Faktor Nachhaltigkeit sollte zum selbstverständlichen Entscheidungskriterium für Konsumenten bei der Planung ihres Bads werden.

Fiktives Bad für Kleopatra – Kaldewei Wettbewerb (Visualisierung: Ippolito Fleitz Group)
Rebado „Newnature” – Oberflächendesign (Visualisierung: Ippolito Fleitz Group)

Über die Jahre hinweg hat das Bad teils einen großen Wandel durchlaufen, vom eher pragmatischen Waschplatz hin zum kleinen, privaten Wellnesstempel. Welche Ideen und Konzepte sind Ihrer Meinung nach für die kommenden Jahre zukunftsfähig?

Das Bad ist zu einem räumlichen Ausdruck der individuellen Persönlichkeit geworden. Die Grenzen zwischen Bad und Schlafzimmer lösen sich immer mehr auf und der Stellenwert des Badezimmers nimmt zu. Nicht nur als Funktionsraum, sondern als ästhetischer Raum. Ein Lebensraum, der gleichgestellt zu den anderen Räumen ist und somit die gleiche Aufmerksamkeit in der Gestaltung braucht. Der Mut zur individuellen Gestaltung nimmt zu und wirkt identitätsstiftend. Das Bad soll nicht mehr nur die reinweiße, sterile Kachelhölle sein. Viele Menschen möchten sich mit angenehmen, haptischen Materialien umgeben. So wird das Badezimmer immer mehr zu einer Oase des Well-being und der Ruhe – als wichtiger Gegenpol zum Stress der Welt. Hier kann man regenerieren und entspannen und ganz bei sich sein. Mit Licht und Material können wir hier eine intime, persönliche Atmosphäre schaffen.

Apartment Sch (Foto: Zooey Braun)
Show apartment “Shades of Grey” (Foto: Sui Sicong)

Gewähren Sie uns bitte einen Einblick in Ihr persönliches Umfeld: In welchen Badwelten bewegen Sie sich gerne, und was empfinden Sie dort als besonders gut, schön und auch praktisch?

Ich mag Räume, die eine Collage der Persönlichkeit, der individuellen Lebensgeschichte sind. Mein eigenes Bad ist relativ klein, daher habe ich es über große Spiegelflächen optisch vervielfacht. Mein Sehnsuchtsbild für das private Badezimmer mit mehr Raum ist die „Vanity Lounge“. Eine Raumsituation, die den klassischen Schminktisch in einen Ort verwandelt, an dem ich Lust habe, länger zu verweilen und mich zu verwöhnen. Das würde mein persönliches Traumbad um eine funktionelle Komponente erweitern, die auch die Aufenthaltsqualität erhöht. 

Haus Viewpoint (Foto: Philip Kottlorz)
Haus HOD (Foto: Zooey Braun)
Tilla Goldberg studierte Produktdesign an der Kunstakademie Stuttgart. Nach Erfahrungen bei Ross Lovegrove (London), Idée Workstation (Tokyo) und Nick Dine (New York) gründete sie 2001 Golden Planet Design. Seit 2009 ist sie im Management der Ippolito Fleitz Group und heute Studiodirektorin der Studios Brand Spaces und Product Design & Material Lab. Sie ist für die strategische und gestalterische Ausrichtung und Entwicklung von Projekten im Bereich temporäre und permanente Markenarchitektur sowie Produktdesign verantwortlich.
 
ISH zeigt marktfähige Lösungen für eine nachhaltige Zukunft
Die ISH, die Weltleitmesse für Wasser, Wärme, Luft, lädt vom 13. bis 17. März 2023 wieder nach Frankfurt am Main. Auf der international führenden Veranstaltung für die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnikbranche zeigt die Industrie ihre marktfähigen Produkte und Ideen zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäude. Rund 2.000 Unternehmen, davon 70 Prozent aus dem Ausland, werden erwartet. Sie präsentieren Lösungen für erneuerbare Energiequellen, nachhaltige Wassernutzung und saubere Luft.
 
Die Aussteller verteilen sich auf die beiden Bereiche ISH Water und ISH Energy. Modernes Baddesign und nachhaltige Technik im Umgang mit der Ressource Wasser stehen im Bereich ISH Water im Mittelpunkt. Besucher*innen finden in den Hallen eins bis sechs innovative Produkte und Lösungen für das lifestyleorientierte Badezimmer, eine hygienische Trinkwasserinstallation, zeitsparende Montage- und Befestigungstechnologien sowie Softwarelösungen. Das Angebot der ISH Energy in den Hallen acht bis zwölf reicht von innovativer Wärmeerzeugung mit Schwerpunkt auf nachhaltiger Wärmepumpentechnologie, moderner Wärmeverteilung, -übergabe und -systeme über intelligente Haus- und Gebäudeautomation bis hin zu Kälte-, Klima- und Lüftungstechnik. 

Einen tagesaktuellen Überblick über alle Aussteller, die dabei sind, gibt der ISH Contactor auf www.ish.messefrankfurt.com/contactor
 
Das Angebot der Aussteller wird flankiert von einem umfangreichen Rahmenprogramm. Trendforen, Wettbewerbe, Fachforen, geführte Rundgänge und Vorträge bieten Gelegenheit, sich zu informieren, weiterzubilden und zu vernetzen. Unter www.ish.messefrankfurt.com/events gibt es den aktuellen Stand.

Alle Informationen rund um die ISH unter www.ish.messefrankfurt.com
 
Talks + Tours und Guided Tours an der ISH 2023 vom 13. und 16. März 2023
Tilla Goldberg (Ippolito Fleitz Group), Alexandra Mrzigod (Werner Sobek), Jana Vonofakos (VRAI interior architecture), Julia Schneider (iam interior.architects), Malte Just (Just/Burgeff Architekten), Lien Tran (Lien Tran Interior Design), Michael Burghaus (architekturbüro .pg1), Markus Pfeil (Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft)

Talks + Tours und Guided Tours an der ISH 2023 – Infos und Anmeldung

World-Architects ist Content-Partner der Messe Frankfurt

Other articles in this category