Berliner Dreierlei

Katinka Corts
15. June 2022
Foto: Ilya Ivanov

Kaum 20 Jahre alt war das siebengeschossige Gebäude, als sein Abriss besiegelt wurde – zum Unmut der Bevölkerung aber auch mit Ängsten der 255 Bewohner*innen verbunden, hier ein zahlbares Heim zu verlieren. Der Immobilieninvestor verpflichtete sich immerhin vertraglich dazu, dass (ein Teil der) Bestandsmieter*innen zu den alten Mieten im Neubau wieder wohnen könnte. Eine Sanierung sei jedoch wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, da sich einerseits zu viele Sanierungsarbeiten aufgestaut hatten, andererseits auch das Haus im Ganzen schlecht gealtert sei, wie Sergej Tchoban 2018 gegenüber dem Berliner Abendblatt erklärte. Dem Neubau sollte es besser ergehen, gefertigt aus hochwertigen Materialien, damit er in Würde altern könne. 

 

Lageplan: Tchoban Voss Architekten
Ansicht Straßenseite: Tchoban Voss Architekten

Wo also vorher ein in der Fassade eher unrühmlicher Siebengeschosser mit ewig repetitiver Fassade das Straßenbild prägte, griffen Tchoban Voss Architekten die Kleinteiligkeit der gegenüberliegenden Häuser und ihre abwechslungsreiche Fassadengestaltung für die Gestaltung des Neubaus auf. Zwischen den begrenzenden Eckhäusern, eines davon die denkmalgeschützte Rote Apotheke von 1887, befinden sich nun vermeintlich drei voneinander unabhängige Gebäude, die jedoch Geschossdecken auf demselben Niveau und durchgängig miteinander verbundene Untergeschosse haben.

 

Foto: Ilya Ivanov
Foto: Ilya Ivanov

Während der linke Bau mit gelb-ockerfarbenem Vollklinker verkleidet ist und alle Fensterstürze mit abgerundeten Elementen aus Architekturbeton ausgeführt sind, sind am Mittelbau helle, großformatige Natursteinplatten horizontal gelegt und in den Obergeschossen die Fenster der dritten und vierten sowie fünften und sechsten Etage optisch zusammengefasst. Wiederum anders kommt der dritte Bau daher: warmgrauer, rostbraun marmorierter Kohlplatter Muschelkalk und halbrunde Lisenen aus ebendiesem Material prägen seine Fassade. Der Sockelbereich der beiden äußeren Häuser ist auf zwei überhohe Etagen aufgeteilt, beim Mittelbau sind diese miteinander verbunden, sodass ein markanter, hallenartiger Großraum für die Verkaufsflächen von Apple zur Verfügung steht. Die eh schon immense Höhe bekrönt eine durchgehende Lichtdecke. 

Die Innenhofseite des sechsgeschossigen Ensembles mit aufgesetztem Attikageschoss ist im Sockelbereich aufwendiger gestaltet, in den übrigen Geschossen mit weißer Putzfassade schlicht gehalten. Der mittlere Baukörper ist dabei auf seiner gesamten Höhe tiefer in den Innenhof geschoben, was die unterschiedliche Staffelung der Bauten noch mehr betont. Der Hof selbst konnte dank der Nutzungsverschiebung in die Untergeschosse vergrößert und grüner gestaltet werden, zudem gibt es neuerdings mehr Stellplätze für Fahrräder.

 

Foto: Stefan Mueller
Foto: Stefan Mueller

Asia-Imbiss, Dönerladen, Drogeriemarkt und Lebensmittelgeschäft prägten das Erdgeschoss des früheren Gebäudes. Zwar sind die beiden Letzteren weiterhin auf dem Areal vertreten – auf den Einzelhandelsflächen im ersten Untergeschoss –, große Verkaufsflächen für Platzhirsche wie Apple und H&M Home zeigen jedoch, dass hier heute ein anderer, gentrifizierterer Wind weht. Ein Teil der 45 Wohnungen steht wieder für betreutes Senioren-Gemeinschaftswohnen zur Verfügung, die übrigen wurden zu marktüblichen Preisen vermietet.

Erdgeschoss (Plan: Tchoban Voss Architekten)
Untergeschoss (Plan: Tchoban Voss Architekten)
Zweite Etage (Plan: Tchoban Voss Architekten)
Regelgeschoss (Plan: Tchoban Voss Architekten)

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