Bronzenes Gewand

Drei Architekten
3. July 2019
Abendstimmung Alarmausfahrt Vollmerstraße (Foto: Zooey Braun)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Als wir im Herbst 2013 den Wettbewerb bearbeitet haben, mussten wir schnell feststellen, dass die Kombination aus Feuerwache, Kreisgerätewerkstatt und Wohnen eine sehr komplexe und durch viele Abhängigkeiten geprägte Bauaufgabe ist – dies hat sich in den fast fünf Jahren bis zur Übergabe des Gebäudes immer wieder gezeigt. Das Raumprogramm der neuen Feuerwache umfasst 23 Stellplätze, eine Waschhalle, zugehörigen Werkstatt-, Büro-, Schulungs- und Nebenräume sowie die Räumlichkeiten der Kreisgerätewerkstatt mit Atemschutzübungsstrecke. Zusätzlich mussten 10 Wohnungen für freiwillige Feuerwehr zur Sicherstellung der Rettungszeiten realisiert werden. Gleichzeitig gilt es, die aus- und einfahrenden Fahrzeuge sauber voneinander zu trennen. Also eine Vielzahl von unterschiedlichen Themen, die es auf einem gemeinsamen Grundstück und zu großen Teilen in einem Haus zu organisieren galt.

Zugangsbereich Alarmparkplatz und Kreisgerätewerkstatt (Foto: Zooey Braun)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Es sollte eine klare Trennung der Bereiche der freiwilligen Feuerwehr und der Kreisgerätewerkstatt möglich sein – dies aber in einem einheitlichen Baukörper mit kurzen Wegen. Wichtig war uns auch, dass die Anforderungen der einzelnen Abläufe sinnvoll in das Gebäude integriert werden – hier halfen die zum Teil abendfüllenden Termine mit den Beteiligten der freiwilligen Feuerwehr und der Kreisgerätewerkstatt, bei denen wir wichtige Impulse und Inspirationen zum Projekt erhielten.

Innenhof mit Fahrzeughalle und Kreisgerätewerkstatt (Foto: Zooey Braun)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Neubau der Feuerwache befindet sich in einem Mischgebiet am Rande der Stadt Biberach auf einer ehemaligen Bauschuttdeponie, die zuvor als Parkplatz genutzt wurde. Der Ort ist sehr vielfältig – neben größeren Industriebetrieben finden sich hier auch ein Obdachlosenwohnheim, eine Förderschule (zwischen 2015 und 2018 als Flüchtlingswohnheim genutzt) und die Anlagen der Deutschen Bahn. Das Gebäude spielt sich bewusst über die Wahl des Fassadenmaterials frei – das gewählte bronzefarbene Trapezblechmaterial gibt es am Ort nicht – stellt jedoch über den Industriecharakter des Materials wiederum den Bezug zu der umgebenden Bebauung her. 

Schlauch- und Übungsturm von der Bleicherstraße (Foto: Zooey Braun)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Die Leitfigur des Gebäudes als L-Förmiger Baukörper für die Funktionsbereiche und separat angesetzten Fahrzeughalle und die Lage der Verkehrsflächen (Zufahrten, Parkplätze, Hofflächen) entsprechen im Wesentlichen noch der im Wettbewerb definierten Grundfigur. Beeinflussungen und Veränderungen durch die Bauherren und die Nutzer (Feuerwehr, Kreisgerätewerkstatt) fanden insbesondere aus Kostengründen, vor allem im Inneren der Struktur, statt. Im ganzen Prozess bis zur Fertigstellung des Gebäudes wurde mit allen Beteiligten intensiv über die Lage von Räumen, Materialien und technischer Ausstattung.

Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Geplant war das Gebäude im Wettbewerb und auch im Vorentwurf mit einer homogenen Ziegelfassade. Diese war jedoch aus Kostengründen für den Bauherrn nicht vertretbar – hier wurde dann das bronzene Trapezblech als Alternative vorgeschlagen. Die Änderung des Fassadenmaterials hat auch die Ausformulierung der Details stark verändert. Das Gebäude wird durch das Lichtspiel auf der bronzenem Hülle stark geprägt. Die Grundrisse wurden mehrfach überarbeitet – das im Wettbewerb enthaltene Untergeschoss ist entfallen und wurde in die Erd- und Obergeschosse integriert. Auch bei der Anzahl der Stellplätze in der Fahrzeughalle gab es Anpassungen. Die aus der alten Feuerwache ausgebaute und mit wunderschönen Patina versehene Rutschstange wurde neu integriert. Sie sollte erst im Alarmspindraum landen und ist jetzt nur noch zu repräsentativen Zwecken im Foyer eingebaut. Ergänzt wurde das Gebäude um ein Technikbauwerk – hier sind Notstrom, Trafo, Mittelspannung und Pumpenprüfstand untergebracht – Flächen, die sich davor im Gebäude befunden haben.

Foyer Obergeschoss mit Florianstube und Rutschstange der alten Wache – nicht mehr in Betrieb (Foto: Zooey Braun)
Alarmumkleide Männer freiwillige Feuerwehr (Foto: Zooey Braun)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Durch den Einsatz von Fertigteilen ist das Gebäude im konstruktiven Bereich eher konventionell. Energetisch bewegt sich der Neubau ca. 55 % unter den Vorgaben der ENEV 2014 – ein Ansatz, den wir bei allen unseren Gebäuden als wichtigen Beitrag zum Thema der Nachhaltig- und Wirtschaftlichkeit verfolgen.

Fahrzeughalle Alarmausfahrt Vollmerstraße (Foto: Zooey Braun)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Wir haben uns für wenige Materialien sowohl an den Fassaden als auch im Inneren des Gebäudes entschieden. Die bronzefarbene Trapezblechfassade prägt das Gebäude – und verändert sich im Tagesverlauf je nach Lichtstimmung. Die Sockelzonen aus dunklem Faserzement gliedern das Gebäude und fassen Tore und Fenster zusammen. Die Sichtbetonfertigteile der Fahrzeughalle stehen in Kontrast zu den beiden Materialien und betonen den seriellen Charakter der einzelnen Fahrzeugboxen. Innen wurde ein glatter Sichtbeton mit rotem Kautschukboden kombiniert – neben den roten Leuchtziffern am Turm die einzige Anspielung auf das Thema Feuerwehr.

Schwarzplan (Zeichnung: Drei Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Drei Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Drei Architekten)
Feuerwache mit Kreisgerätewerkstatt Biberach an der Riss
2018
Bleicherstraße 44
88400 Biberach an der Riss

Nutzung
Feuerwache mit Alarm- und Einsatzzentrale und Fahrzeughalle für 23 Fahrzeuge, Schulungs-, Sozialräume für 140 Feuerwehrmänner und -frauen sowie Lager- und Werkstattbereiche und einer Kreisgerätewerkstatt mit Atemschutzübungsstrecke
 
Auftragsart
Planungswettbewerb nach RWP 2013

Bauherrschaft
Stadt Biberach
 
Architektur
Drei Architekten - Haffner Konsek Streule Vogel - Partnerschaft mbB, Stuttgart
Projektleitung: Rainer Streule
Mitarbeit: Maren Kirsch, Shahab Zarei, Elena Oberdörfer

Fachplaner
Tragwerksplanung: Schneck Schaal Braun Ingenieurgesellschaft Bauen mbH, Tübingen
Freianlagen: Koeber Landschaftsarchitektur (LPH 1-3), Stuttgart; Wasser-Müller (LPH 4-9) Ingenieurbüro GmbH Biberach
HLS- Planung, Bauphysik: Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft GmbH & Co. KG,Stuttgart
Elektroplanung: GBI Gackstatter Beratende Ingenieure GmbH Stuttgart
Feuerwehrtechnik: FWT Fachplanungsbüro Hoffmann Auenwald
 
Bauleitung
Gurland & Seher Architekten, Biberach an der Riss

Ausführende Firmen
Rohbau: Dechant Hoch- und Ingenieurbau GmbH, Weismain
Fassadenbekleidung: Matthäus Schmid Bauunternehmen GmbH & Co. KG, Baltringen
Aufzug: Kone GmbH, Hannover
Schließanlage: H+W mechatronik GmbH, Neu-Ulm
Montagegrube: Hans Balzer Werkstatt- und Fahrzeugtechnik GmbH & Co KG, Memmingen
Türen: Schreinerei Hecht, Ertingen-Binzwangen
Abgasabsaugung: Ecovent GmbH & Co. KG, Lübbecke
Werkstatttechnik: Boss Werkstatt- und Industrieausrüstung GmbH, Oberhausen
Atemschutz: Fitra GmbH & Co. KG, Würselen
Schlauchwäsche: Rud. Prey GmbH & Co. KG, Kiel
Spindschränke: Kessler & Söhne Württembergisches Eisenwerk GmbH & Co. KG, Stuttgart
Funk- und Leittischtechnik: Meder CommTech GmbH, Singen
Elektrotechnik: Rud. Otto Meyer Technik GmbH & Co. KG, Stuttgart
 
Hersteller
Holz-Aluminium Fenster: Batimet GmbH
Fassade Eternit: Eternit
Fassade Trapezblech: Kalzip GmbH
Kautschukboden: nora systems GmbH
 
Energiestandard 
Holz-Pellet-Heizung mit Gasbrennwert-Kessel zur Spitzenabdeckung
Unterschreitung der EnEV 2014 um 55%
 
Bruttogeschossfläche
6.693 m²
 
Gebäudevolumen 
34.036 m³
 
Kubikmeterpreis
464 €/ m³ KG 100 - 700

Gebäudekosten
14.800.000 € KG 300 + 400

Gesamtkosten
19.800.000 € KG 100 - 700
 
Fotos
Zooey Braun Fotografie Stuttgart

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