Runde Sache

Martina Metzner
8. April 2020
Im Besprechungsraum wurden Akustikplatten aus Fichtenholz und Zement auf Schienen befestigt. (Foto: © Cradle to Cradle e.V.)

Während aktuell noch viel Forschung zum Thema kreislauffähige Bauwirtschaft und Architektur betrieben werden (wir berichteten über das UMAR), machen sich andere bereits auf den Weg, Gebäude nach den Regeln der Kreislaufwirtschaft zu sanieren oder zu bauen. So ist das neue Headquarter von Cradle to Cradle in Berlin-Friedrichshain, das im Sommer 2019 bezogen wurde und der NGO auch als Bildungszentrum und Reallabor dient, vollständig nach den eigenen Maßgaben der der gemeinnützigen Organisation saniert worden. Eine alte Ostberliner Plattenbau schien der ideale Ort zu sein, um die „Wiege zur Wiege“-Strategie im Reallabor umzusetzen. Cradle to Cradle steht für die potenziell unendliche Zirkulation von Produkten und Materialien in biologischen als auch technischen Kreisläufen. Das Prinzip basiert dabei auf der Annahme, dass nicht der Verzicht, sondern der richtige Konsum zu einem positiven ökologischen Fußabdruck beiträgt. Abfall wird grundsätzlich als Nährstoff angesehen, Gebäude als Rohstofflager.

Glastrennwände von Lindner können nach Nutzung wieder demontiert und neu eingesetzt werden. (Foto: © Cradle to Cradle e.V.)

Drees & Sommer hat das Sanierungsprojekt mit Planungsleitungen sowie Cradle to Cradle- und Prozessberatung begleitet. Für die C2C-Entwurfsplanung und Innenarchitektur zeichnete RBSGROUP – Part ofDrees & Sommer verantwortlich. Hintergrund dazu: Drees & Sommer hat sich 2019 nach Jahren der Projektpartnerschaft mehrheitlich an der Zertifizierungsorganisation Epea von Cradle to Cradle beteiligt. Die Zertifizierung orientiert sich daher neben allen Industriebereichen nun stärker auf die Bauwirtschaft. Begründet wird dies auch durch das hohe Potenzial für die Kreislaufwirtschaft im Bereich Bauen mit Blick auf den hohen Materialeinsatz.

Die Deckenleuchten von Waldmann versorgen die Mitarbeiter mit biodynamischem Licht. (Foto: © Cradle to Cradle e.V.)

Um das C2C-Prinzip inhaltlich und praktisch erlebbar zu machen, wurden bei der Sanierung der Räumlichkeiten der ehemaligen Apotheke für das C2C-Lab „gesunde“ und kreislauffähige Produkte und Baustoffe eingesetzt, die nach C2C- zertifiziert sind. Kriterien, um die Zertifizierung zu erhalten, gehen weit über die reine Kreislauffähigkeit hinaus und setzen Materialgesundheit, den Einsatz von erneuerbarer Energien bei der Herstellung, den verantwortungsvollen Umgang mit Wasser und Einhaltung sozialer Standards voraus. Ein 20-seitiger materialökologischer Katalog diente zudem als Rote Liste, welche Chemikalien in den Bauprodukten nicht enthalten sein dürfen und wurden den rund 40 Baupartner überreicht, um die Raumgesundheit zu gewährleisten.

Elektrische Leitungen wurden im Aufputz verlegt, das Parkett von Tarkett ist nach den Cradle to Cradle-Kriterien besonders schadstofffrei. (Foto: © Cradle to Cradle e.V.)

Um ökologisch und sozial „gesunde“ Produkte und Materialien wieder in den biologischen oder technischen Kreislauf zurückzuführen, spielt das Designkonzept eine wesentliche Rolle. So wurde auf die kreislauffähige Rückbaubarkeit geachtet, sodass Baustoffe und -produkte nach Änderung des Nutzungsszenarios der Räume wieder sortenrein den Kreisläufen zugeführt werden können. Auch der Aspekte der Herstellerrücknahme der Materialien und Produkte wurden mit einbezogen. Es war schwierig für diese Aufgabe adäquate Handwerksbetriebe zu finden, berichtet Nora Griefahn, geschäftsführende Vorständin des C2C-Lab. Viele Handwerker wollten nicht nach den Maßgaben arbeiten, fanden sie nicht effizient oder einfach unkonventionell. Nach ein, bis zwei Anläufen pro Gewerk hätte es aber geklappt und daraus sei eine fruchtbare Partnerschaft entstanden, so Griefahn. Verkabelung, Rohre sowie Lichtschalter wurden daher durch Aufputz installiert. Die Fenster wurden nicht eingeschäumt, sondern eingeschraubt. Die Bodenplatten, die aus alten CDs geupcycled wurden, sowie das Parkett im großen Veranstaltungsraum sind schwimmend verlegt und jederzeit herausnehmbar. Die Lüftungsrohre aus Aluminium sind ebenso leicht herausnehmbar. Die Metalllamellen des Deckensystems aus verzinktem Stahlblech können nach der Nutzung einfach demontiert und an den Hersteller zurückgegeben werden. Selbst die Fußleisten wurden – zum Ärger der Handwerker – nicht verklebt, sondern nur verschraubt. Alles darüber hinaus, was man in den Räumen erhalten konnte, wurde belassen: Teile des Bodens, Wandfliesen in der Küche.

Aber nicht nur Wiederverwendung oder -verwertung spielten eine Rolle bei der Sanierung des C2C-Lab – auch gesundheitlichen Aspekte. Dies fördere die Fitness und das Wohlbefinden der Mitarbeiter, weiß man im C2C-Lab. So verfügen die kreislauffähigen Bezüge der Polstermöbel über eine sehr geringen Abrieb, sodass die Stoffasern weniger in die Luft und damit in unsere Atemwege gelangen. Die reversiblen Fliesen im barrierefreien Bad wurden per Lehmputz aufgebracht – er reguliert Feuchtigkeit und absorbiert Schadstoffe. Silikonfugen wurden nur dort verwendet, wo es unbedingt nötig war. Weiterhin: Teppiche, die die Luft reinigen, Wandfarben, die nicht ausgasen, Leuchten, die mit biodynamischen Licht zum Wohlbefinden beitragen sowie Pflanzenwände, die Luftqualität verbessern und den Naturbezug herstellen. Selbst bei den Stromkabeln achtete man darauf, dass diese nicht mit PVC ummantelt sind, da bei der Produktion von PVC Chlor freigesetzt wird. Als nächstes Projekt visieren die C2C-Lab-Macher die vollverzinkte Fassade an, die mit klickbaren Pflanzmodulen die Umgebung nicht nur verschönern, sondern auch die Stadtluft verbessern sollen.

Das C2C-Lab kann in der Tat eine Blaupause sein, so wie es die Macher voranstellen. Vor allem, weil die Organisation eine gesellschaftliche Relevanz hat und in verschiedene Bereiche, nicht zuletzt in die Politik hineinwirkt. Zur offiziellen Eröffnung im September 2019 war auch die Berliner Bausenatorin Katrin Lompscher präsent und befürwortete das Konzept: „Die technischen Bauvorschriften müssen geändert werden. Es muss einfach werden, Bestandssanierung nach C2C-Vorschriften durchzuführen.“ Sicher sollte man aber bedenken, dass der Einsatz von zertifizierten Produkten nur eine von vielen Möglichkeiten ist, Gebäude und Räume nachhaltig und kreislauffähig zu gestalten. Daher sollte das C2C-Lab vor allem als Inspiration für Planer und die Industrie dienen, von Beginn an und in Kooperation mit allen Baubeteiligten über die Kreislauffähigkeit von eingesetzten Systemen, Baustoffen und -produkten nachzudenken.

Bautafel
Bauzeit: Juli 2018 bis Juli 2019
Planung und Prozessberatung: Drees & Sommer
Entwurfsplanung und Innenarchitektur: RBSGroup
Großunternehmer: UNDKRAUSS
Dokumentation des Projektes: Building Material Smart
Strom: EWS Schönau
Fensterbau: Hans Timm
Möbelbau: Baufachfrau

Cradle to Cradle zertifizierte Produkte und Dienstleistungen
Fenster und Türen: Systembaukasten für Fenster und Türen von Schüco
Glaslösungen für Innen-, Außentüren und Fenster von AGC Interpane
Ausstattung und Möbel: Holz für Ausstattung und Büromöbel: Accoya
Bürostühle: Giroflex; Büro- und Konferenzstühle von Herman Miller
Stehtische, Loungemöbel und Workbenches von Steelcase
Möbel aus 100 % recyceltem Kunststoff von LOLL Designs
Tische und Hocker aus Holz von Werkhaus
Modulare Büromöbel aus C2C-Materialien von WINI
Textilien: Bezüge von JAB Anstoetz
Elektrik: Schalter von Busch-Jaeger
Leuchten: Deckenleuchten von Garviled
Pendel- und Stehleuchten mit biodynamischem Licht von Waldmann
Pflanzen: Luftreinigende Pflanzen- und Wasserwände sowie Stauraumelemente von CP
Boden: Teppichfliesen mit feinstaubbindender Wirkung von Desso
Linoleum, Holzparkett und PVB von Tarkett
Umweltfreundliche Produkte für Estrich und Boden von Uzin
Fassade: Feuerverzinkte Außenfassade von Zinq

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