Nature First

Martina Metzner
22. Januar 2020
Natürlichkeit und Nachhaltigkeit stehen hoch im Kurs bei Objektstoffen. (Foto: Clarke & Clarke)

Nachhaltigkeit hat viele Aspekte – ökologische, soziale, ökonomische, funktionale und gestalterische gehören alle zusammen, um eine ganzheitliche Betrachtung zu ermöglichen. Für das nachhaltige Gestalten von Gebäuden und Räumen ist eine fundierte Beurteilung und Auswahl von Produkten wichtig, da dies immer mehr zur Projektanforderung dazu gehört. Seit vielen Jahren schon labelt die Heimtextil Aussteller mit nachhaltigen Produkten aus und versammelt sie im Green Directory Guide. Diese Runde waren 250 Hersteller dabei. Um das Engagement der Heimtextil zu verdeutlichen, verkündete die Messe, die vom 7. bis zum 10. Januar auf dem Messegelände in Frankfurt am Main zum 50sten Mal stattfand, ihre Partnerschaft mit dem United Nations Office for Partnerships und präsentierte die 17 „Sustainable Development Goals“, die sie auf ihren rund 50 Textilveranstaltungen im Jahr (darunter auch die Messen Techtextil in Frankfurt, Neonyt in Berlin und Intertextile in Shanghai) und gemeinsam mit dem Texpertise Network weiter fördern möchte. 

Der Trend zeigt eindeutig, dass Natürlichkeit und der Nachhaltigkeitsgedanke in das Objektgeschäft einzieht. Informationen dazu konnten Architekten und Planer auf der ausgebauten Interior.Architecture.Hospitality Area in Halle 4.2 finden. Dort versammelten sich Aussteller mit Objektschwerpunkt, die neu geschaffene Materialbibliothek für Objektstoffe sowie ein Vortragsforum und die Infocounter der Expertentouren, die täglich mehrmals über die Messe führten und unter anderem von World-Architects organisiert wurden. 

OceanSafe-Textilien von Deco Design Fürüs sind aus natürlichen Rohmaterialien gewonnen und werden zu einem synthetischen Garn aufbereitet. (Foto: Mathias Duerr / World-Architects)
Der deutsche Weber Maasberg stellte seine Gardinenkollektion aus 100 Prozent modifizierter COEX-Baumwolle vor. (Foto: Mathias Duerr / World-Architects)
Regionale Produktion punktet

Nachhaltigkeit betrifft nicht nur das Material an sich, sondern auch die Herstellungsweise, eine regionale Produktion und Einhaltung von sozialen Standards – gerade im Textilbereich ein drängendes Thema. Auf ihrer Guided Tour, organisiert durch World-Architects, führte daher Textildesignerin Astrid Schaal zu Herstellern wie Continental und Gebrüder Munzert aus Deutschland, Bartolini aus Italien oder Raymakers aus den Niederlanden, da sie noch in Europa produzieren. Continental etwa produziert vollständig im baden-württembergischen Kochertal und präsentierte auf der Heimtextil skai Pureto – ein Kunstleder aus Polyurethan, das 100 Prozent PVC-frei ist und besonders weich und soft.

Highlight der Tour war das Krefelder Unternehmen Deco Design Fürus mit der neuen Marke OceanSafe. Textilien und Bettwäsche aus OceanSafe-Garn, das aus natürlichen Rohmaterialien gewonnen und zu einem synthetischen Garn aufbereitet wird, sollen nach Angaben des Herstellers dem biologischen Kreislauf zugeführt werden, da innerhalb von acht Wochen vollständig zu 100 Prozent abbaubar. Das OceanSafe-Sortiment umfasst drei Materialgruppen: OS Kleopatras Baumwolle, Polyester-Ersatz OS Petrochemie 1 und 2 sowie schwerentflammbares OS Polymer auf Säurebasis. Dafür hat Deco Design Fürüs die Cradle to Cradle-Zertifizierung erhalten und wurde auf der Messe auch durch das AIT-Trendscouting gewürdigt. 

Das Kreislaufprinzip wird auch bei anderen Herstellern immer wichtiger: So zeigte auch Branchenprimus für schwer entflammbares Garn Trevira, dass sie verstärkt auf Pre- und Post-Production-Recycling setzen. Mit Trevira CS Eco launchen sie ein Garn, was zu 50 Prozent aus recyceltem Grundmaterial wie PET-Flaschen besteht. Außerdem testet Trevira die Partnerschaft mit Really, dem Joint-Venture von Kvadrat und dem Modelabel Samsøe Samsøe, das Textilbauplatten aus Textilüberschuss und -abfall herstellt. 

Das Start-up Féline aus den Niederlanden zeigte einen nachhaltig gewonnen Filz in starken Farben. (Foto: Féline)
Kork kommt wieder

Natürliche Materialien sind stark gefragt, daher gab es eine Fülle an Alternativen zu synthetischen Materialien auf der Heimtextil zu sehen. Sowohl der deutsche Weber Maasberg als auch der italienische Weber Redaelli präsentierten Vorhangstoffe aus durch das Coex-Verfahren modifizierter Baumwolle, die dadurch nach B1 schwer entflammbar ist. Allerdings müssen diese Stoffe mit weichem beziehungsweise destilliertem Wasser gewaschen werden, um die Funktion aufrechtzuerhalten. Dies würden allerdings Wäschereien automatisch anbieten, versicherte Geschäftsführer Gunther Maasberg. Außerdem zeigte Redaelli, bekannt für seinen hochwertigen Velours, den der Weber auch an Marken wie Rubelli oder Dedar liefert, unter „Cinque Terre“ Stoffe, die mit natürlichen Pigmenten gefärbt werden. Ein weiteres Highlight war am Stand von Coverdec aus Wien zu entdecken: Flexibles Holz, das wie Textil zu verwenden ist, sowie flexible, wattierte Korkpanels, die durch den Einsatz von Korkfurnier akustisch wirksam sind und Schadstoffe aus der Luft binden. Ein neuartiges Garn aus Kork konnte man zudem beim Hersteller Sedacor entdecken. Liebling der Besucher unter dem Aspekt „Natürlichkeit“ ist und bleibt allerdings Organoid. Der Hersteller aus Österreich, der Heu und Blumen auf HPL-Platten oder Vliese verarbeitet, präsentierte eine Light-Variante. Dazu werden die Trägervliese aus Flachs oder Ecovlies mit nur wenig Blätter oder locker gestreute Blütenmischung beschichtet. 

Bei den Light-Tapeten von Organoid werden die Trägervliese aus Flachs oder Ecovlies mit nur wenig Blätter oder locker gestreute Blütenmischung beschichtet. (Foto: Organoid)

Stoffe und Textilprodukte mit schallabsorbierender Zusatzfunktion sind weiterhin hoch im Kurs, wie man dies bei vielen Objektstoff-Anbietern gut sehen konnte. Nun wird das Ganze mit nachhaltigen Aspekten gepaart. So stellte das Start-up Féline aus den Niederlanden zum ersten mit einer nachhaltig produzierten akustisch wirksamen Filzkollektion aus, bei der kein Wasser wie bei herkömmlicher Filzproduktion verwendet wird und weitaus weniger Energie, da kein Trocknungsprozess stattfindet. Auf den Guided Touren mit Contract-Fokus von Designerin Jutta Werner, dem Architekten Marc Mir sowie den Innenarchitekten Sylvia Leydecker, Julius Reimann und Peter Joehnk konnte man außerdem die semitransparente, schwer entflammbare Akustikstoff-Kollektion von Gebrüder Munzert entdecken, die mit einem Folienbändchen für die akustischen Wirkung arbeitet und die durch die Buntweberei vollständig im fränkischen Naila gefertigt wird.

Bitte fühlen: Besucher einer Guided Tour von World-Architects auf der Heimtextil 2020. (Foto: Mathias Duerr / World-Architects)
 
Sonnenrolle-Linie „Twilight“ mit Tag- und Nacht-Effekt von Jab Anstoetz zusammen mit Designer Carsten Gollnick. (Foto: Jab Anstoetz)
Leuchtende Wände

Auf optische Funktion setzt Jab Anstoetz mit seiner neuen Sonnenrolle-Linie „Twilight“ für die sie mit Designer Carsten Gollnick zusammengearbeitet haben: Bei Tag erscheinen die Sonnenrollos aus patentiertem Vlies transluzent, in der Abenddämmerung erscheinen Ornamente darauf. Und Drapilux setzt auf drei Meter hohe Objektstoffe mit akustischen, klimaaktiven und geruchsabsorbierenden Funktionen. Darunter auch Stoffe, die Trevira CS Eco einsetzen. Marburg zeigte sich mit neuem Standbau, den der neue Kreativ-Chef Felix Diener entworfen hat und auf dem plakativ eine die Tapete „squarLED“ eingesetzt wurde. „Alle anderen können nur Tapete, wir können Tapete und Technik“, sagt Diener und verweist zusätzlich auf das EMV-Abschirmvlies, das vor elektromagnetischer Hochfrequenzstrahlung schützt und auf „keimEX“, eine Tapete für hygienisch sensible Bereiche, die sogar multiresistente Keime abtöten kann. 

Marburg setzt mit „squarLED“ auf leuchtende Wände. (Foto: Mathias Duerr / World-Architects)

Auch im Trend Space in Halle 3.0 war Nachhaltigkeit ein wichtiges Thema. Unter dem Titel „Where I belong“ und im Setting eines mit Luft aufgeblasenen Erlebnisparks, zeigte das Trendstudio FranklinTill aus London in einer Sonderschau die Wertschöpfung alternativer, umweltfreundlicher Materialien. „Remade“ thematisierte Müll als Rohstoff der Zukunft, seien es Plastikflaschen, Überschüsse aus der Textilproduktion oder nicht mehr getragene Kleidungsstücke. „Naturals Assets“ zeigte teils altbekannte oder neue, öko-positive Rohstoff-Alternativen wie Jute, Algen, Seegras bis hin zu Bananen- oder Maiskolben-Blättern. Zusammen mit dem international aufgestellten Trend Council präsentierte die Heimtextil auch ein Material Manifesto zur Erstellung des Trend Space. Dabei wurde unter anderem der Einsatz neuer Materialien, die nach der Ausstellung als Abfall enden würden, so weit wie möglich vermieden und auf Vorhandenes gesetzt, um einen minimalen ökologischen Fußabdruck zu genieren. Fazit der Heimtextil 2020: Ob Tapete, Polsterstoff, Gardine oder Akustiktextil – an umweltschonenden Materialien und Produktionsverfahren kam zur Heimtextil 2020 kein Besucher vorbei. 

Trend Space in Halle 3.0 (Foto: Mathias Duerr / World-Architects)

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