„Es geht um die Ausgewogenheit“

Martina Metzner
10. April 2019
Ingenieur Markus Pfeil hat sich mit seinem Büro Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft auf ganzheitliche Energiekonzepte spezialisiert. (Bild: Fabian Stürtz | Photographer)
Ob eine atmende Fassade für die dm-Zentrale, ein Passivhaus aus Holz für die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) oder ein Eisspeicher für FESTO: Steckt dieser Forschergeist auch in vielen Ihrer TGA-Kollegen oder sind Sie da eher die Ausnahme?

Markus Pfeil: Ich möchte mir ein Urteil über die gesamte Branche nicht anmaßen. Ich kann für unser Büro sagen: Forschergeist ja. Sowohl mein Partner, Holger Koch, als auch ich kommen aus der Forschung. Viele TGA-Büros kommen eher aus der Versorgungstechnik. Wir haben den Fokus auf dem Ganzheitlichen, was auch Thema meiner Lehre an der Münster School of Architecture ist. Wir betrachten erst einmal das Gebäude und die Gebäudehülle.

Für das neue Bürogebäude der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) in Osnabrück entwickelte PKi, zusammen mit METARAUM Architekten, eine Gebäudehülle, die aus Holz und Hanf besteht. (Bild: Fabian Stürtz)
Dank dem ressourcenschonenden Mix aus Hülle, Grundwasserkühlung, Blockheizkraftwerk sowie Photovoltaikanlage ist die DBU ein Plusenergiehaus. (Schema: PKi)
Welche TGA-Konzepte werden in den nächsten Jahren mehr Gewicht bekommen?

Zum einen: Für uns besteht ein ganzheitliches Energiekonzept aus zehn Bausteinen. Grundsätzlich wird jedes Energiekonzept individuell erarbeitet. Es geht um eine Ausgewogenheit: Die bauphysikalischen Maßnahmen sind wichtig, um die Technik zu reduzieren. Und dass man Qualitäten in Gebäuden in den Vordergrund bringt, die für den Menschen nützlich sind. Wir bauen ja Gebäude nicht des Energiesparens wegen, sondern für die Menschen. 
Zum anderen: Die Zukunft der Energieversorgung auf der Stromseite wird mehr und mehr aus erneuerbaren Quellen stammen. Die Photovoltaik wird eine entscheidende Rolle in der Gestaltung von Gebäuden spielen. Für die Architekten bedeutet das, die Photovoltaik, also die aktive Gebäudehülle als Kraftwerk, architekturverträglich unterzubringen. Strom wird in der Zukunft ein noch bedeutenderer Energieträger werden, mit dem im Gebäude sehr effizient umgegangen werden muss.

Die Wärmepumpe wird neben der Wärmedämmung als eine Art Heilsbringer in Sachen Energiewende gehandelt. Wie sehen Sie das?

Die Wärmepumpe hat diesbezüglich eine enorm wichtige Rolle: Denn sie erzeugt mit Strom effizient Wärme. Allerdings muss die Wärmepumpe sehr gut in ein Konzept eingeplant werden. Die Frage, wo die Wärme herkommt, muss gut beantwortet werden – im besten Fall kommt sie als Geothermie aus einer Erdsonde oder einem Brunnen.

Der Eisspeicher bei FESTO (Bild: SONDERWOMAN PHOTOGRAPHY)
Sie haben uns bei der Tour auf der ISH zu ‚Naturspeicher‘ geführt, ein schwäbisches Unternehmen, das Eisspeicher anbietet. Wann lohnt es sich, über einen Eisspeicher nachzudenken?

Man muss erst einmal verstehen, warum ein Eisspeicher eine Wärmequelle ist: Wenn ich ein Schälchen mit Wasser in mein Tiefkühlfach stelle, dann muss ja zunächst mal Wärme herausgezogen werden, bis sich Eis bildet. Dieser Vorgang kommt einer Wärmelieferung gleich – allerdings auf einem sehr niedrigen Temperaturniveau. Beispielsweise im ländlichen Raum, wo kein Fernwärmenetz existiert und die geologischen Gegebenheiten es vielleicht nicht erlauben, einen Brunnen oder eine Erdsonde zu erschließen, könnte ein Eisspeicher in Kombination mit einer Wärmepumpe eine gute Lösung sein. Wir haben das für das Bürogebäude von Festo mit einem 1'300 Kubikmeter großen Eisspeicher realisiert. Naturspeicher bietet ein Produkt für kleinere Maßstäbe, etwa ein Einfamilienhaus, an. Eine Kombination aus Wasser, Eisspeicher, Regeneration durch Luft, mit einem Ventilator, und ein kleiner Teich oben, der als Kurzzeitspeicher fungiert. Ein sehr cleverer Ansatz.

Wir haben auf der ISH gesehen, dass viele Anbieter aus dem herkömmlichen Heizungsbereich in die Brennstoffzellen-Technologie einsteigen. Sie sagen, dass sei keine Konkurrenz zu Photovoltaik und auch nur eine Zwischenlösung. Weshalb?

Eine Zwischenlösung insofern, da die Brennstoffzelle wie die von Solidpower als Energiequelle Erdgas benötigt. Sie produziert über einen Erdgasreformer Wasserstoff und erst der Wasserstoff ist der Brennstoff für die Brennstoffzelle. Was die „Blugen-BG 15“ auszeichnet, ist ein Stromwirkungsgrad von 55 %. Das ist für eine dezentrale Stromerzeugung enorm und auf dem Niveau aktueller Großkraftwerke. Langfristig werden wir dazu übergehen müssen, dass fossile Energien nicht mehr verwendet werden, um Strom, Wärme oder Kälte zu produzieren.

Für kleinere Haushalte empfehlen Sie die Pelletheizung in Kombination mit einer Photovoltaikanalage.

Ja, denn Pellets und Photovoltaik ist eine hervorragende Kombination – sie nutzen sogenannte Erneuerbare Energien und stehen sich nicht im Wege. Mit Photovoltaik produziere ich Strom, mit Pellets Wärme. Und ein Pelletkessel kann auch gut eine Solarthermieanlage vertragen für die Warmwasseraufbereitung, gerade im Sommer.
Aus Pellets Strom zu produzieren, geht erstmal nicht. Hier setzt der „Pellematic“-Kessel der Firma Ökofen an, der oben einen Stirlingmotor aufgesetzt hat. Eine uralte Erfindung, ganz selten zu sehen, die es schafft, aus Wärme Strom zu produzieren. Im Verhältnis zwar wesentlich geringer als die Brennstoffzelle – aber die Biomasse als Energieträger macht diesen Pelletkessel so interessant.

Zum Bereich Klimatechnik haben Sie uns zwei Systeme vorgestellt, die die Belüftung in den Räumen verbessert. Wie funktioniert das?

Wir haben bei Howatherm aber auch bei LTG Air Tech Systems – zwei Hersteller für den großen Maßstab, Howatherm für Hallen und LTG für Büroräume – das Prinzip der ‚instationären‘ Lüftung gesehen. Luft strömt hierbei nicht kontinuierlich und gleichförmig, sondern pulsierend in den Raum. Durch dieses Wechseln von An- und Ausschalten entsteht eine sehr gute Luftmischung im Raum. Zugleich verhindert man auch Zugerscheinungen – eine große Herausforderung bei der Planung von stationären Lüftungen.

Bei Kiefer haben wir eine Art Hypokaustensystem gesehen – eine Heißluftheizung, die schon in der römischen Antike angewendet wurde. Das ist doch ein Nischenthema?

Die Bauteilaktivierung mit Wasser ist Standard, und wo sie eingesetzt wird, kann sie sehr gute Dienste leisten. Wasser ist ein enorm guter Energieträger. Luft ist das erst einmal nicht. Dennoch finde ich den Ansatz von Kiefer, das System in die Konstruktion einzubauen, clever: Wenn ohnehin Luft benötigt wird, kann man diese auch gleich nutzen um zu kühlen oder zu heizen. Man nutzt so die Trägheit der Masse im Gebäude. Diese moderne Art der Hypokauste verlangt jedoch ein sehr integrales Vorgehen.

Für die dm-Firmenzentrale in Kooperation mit LRO Architekten hat PKi eine „atmende“ Fassade entwickelt. (Bild: PKi)
Bei der dm-Zentrale wird Frischluft pulsierend in die Räume eingeblasen und anschließend wieder abgesaugt. (Schema: PKi)
Nach dem Passivhaus-Konzept kommen heute ganz andere energiesparenden Konzepte auf. Ist das Passivhaus überholt?

Man muss auf die Qualitäten des Passivhauses schauen – die wird man auch lange Zeit nicht übertreffen können, denn da ist man bauphysikalisch auf einem höchsten Niveau angekommen. Wenn ich sehr hohe Ansprüche habe, wie bei Energieplushäusern, würde ich immer die Hülle des Passivhauses fordern. Denn dadurch habe ich einen sehr guten Wärmeschutz, eine hohe Luftdichtheit, extrem energiesparende Fenster. Man muss generell der Passivhausbewegung dankbar sein, dass diese Produkte überhaupt am Markt angekommen sind.

Meinen Sie, dass der Nachwuchs heute ausreichend sensibilisiert wird auf diese Themen und die Technische Gebäudeausrüstung im Allgemeinen?

Ich mache die Erfahrung, dass sich Architekten primär als Gestalter sehen und die Wichtigkeit der energetischen Belange erst Stück für Stück erkannt wird. Meine Aufgabe als Hochschullehrer ist es, den Studierenden möglichst einen Überblick zu verschaffen, damit sie wissen, welche Fragen sie stellen müssen und welche Möglichkeiten sie haben. Viele junge Architektinnen und Architekten interessieren sich für diesen Bereich, es braucht aber auch den gesellschaftlichen Wandel. Und da tut sich ja auch gerade etwas, wenn wir die Fridays for Future-Schülerproteste sehen. Ich hoffe, dass die zukünftigen Studierenden fragen werden: Wie können wir die Welt verändern? Wie können wir hervorragende energetische Konzepte bauen? Und gleichzeitig eine gute Gestaltung erbringen? 

Vielen Dank für das Gespräch!

Markus Pfeil (*1967) studierte von 1987 bis 1995 Maschinenbau und Energietechnik. 1997 gründete er gemeinsam mit Holger Koch das Ingenieurbüro Pfeil & Koch ingenieurgesellschaft in Stuttgart und Köln, das sich auf ganzheitliche Energiekonzepte für Gebäude spezialisiert hat. Seit 2011 ist Pfeil Professor für „Ganzheitliche Technische Gebäudeausrüstung“ an der Münster School of Architecture der FH Münster.

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