Das sinnvolle Einfache

Thomas Geuder
21. April 2015
Die städtebauliche Leitidee des Entwurfes für die Studentenwohnanlage folgt dem Funktionsplan für das „HochschulQuartier Kleve“, in unmittelbarer Nähe der Hochschule „Rhein-Waal“ am rechten Ufer des Spoykanals. (Bild: AEG Haustechnik)

Ein dezentraler Umgang mit der Energie ist – da sind sich (unabhängige) Fachplaner einig – einer der wichtigsten Parameter zur viel beschworenen Energiewende. Gemeint ist damit zum einen die dezentrale Erzeugung universell einsetzbaren Stroms per Photovoltaik oder, so jüngere Entwicklungen, per Brennstoffzelle im eigenen Keller. Die Möglichkeiten der Erzeugung von Stom sind hier mittlerweile recht groß. Auch bei der damit verbundenen Speicherung der Energie ist einiges denk- und machbar, was Pilotprojekte wie etwa das Haus B10 von Werner Sobek zeigen (wir berichteten: Aktiv und passiv). Zu den Überlegungen über die Dezentralisierung gehört freilich auch, neben den Erzeugern auch die Verbraucher von Energie aus ihrer zentral organisierten Zwangsjacke zu befreien. In vielen Fällen ist das sogar äußerst sinnvoll, da sich Energie in Form von Strom sehr leicht im Gebäude verteilen und entsprechend nutzen lässt. Etwa bei der Warmwasserbereitung, die immerhin ca. 12 % des Energieverbrauchs ausmacht. Denn nach wie vor wird das Warmwasser meist zusammen mit der Heizwärme im Keller erzeugt und das heiße Wasser über teilweise recht lange Leitungen in die Wohnungen verteilt. Damit man in den Wohnungen dann nicht minutenlang auf warmes Wasser warten muss, ist die Warmwasserleitung meist als permanent zirkulierendes System angelegt. Daraus folgen mehrere Dinge: Durch das ständige Warmhalten im Kessel wird viel Energie verbraucht, auf seinem Weg vom Kessel zu Wasserhahn geht außerdem Wärmeenergie verloren, ebenso beim ständigen Zirkulieren, was an sich und obendrein noch zusätzliche Energie benötigt. Effizient klingt das nicht.

Umweltgerechte Investitionen und moderne Wohnkonzepte waren für das Studentenwerk Düsseldorf wichtige Faktoren zum Werterhalt, Wohnkomfort und zu preisgünstigen Mieten. (Bild: AEG Haustechnik)

Die von nps tchoban voss Architekten aus Hamburg geplante Studentenwohnanlage der Hochschule Rhein-Waal in Kleve, an der niederländischen Grenze bei Arnheim, ergänzt das bereits 2009 fertiggestellte, ebenfalls von nps gebaute Gebäudeensemble und schließt den Campus an seiner Nordseite. In nur 12-monatiger Bauzeit sind hier zwei miteinander verbundene Gebäude mit 112 Wohnplätzen für Studenten entstanden, vorwiegend Einzel-Appartments mit Bad und Küche, sowie WG-taugliche Wohnungen für zwei bis drei Studenten. Jedem Bewohner stehen rund 25 m² zur Verfügung. Dem Bauherren war neben der räumlich effizienten Architektur auch die Energieeffizienz im Gebäude wichtig. So wurden die Baukörper der vier- bzw. fünfgeschossigen Gebäude im Passivhaus-Standard KfW 40 errichtet und deren Fassade mit einem Wärmedämmverbundsystem sowie einer Dreifachverglasung ausgestattet. Als Sonnenschutz dienen beschichtete Aluminiumlamellen im Scheibenzwischenraum. Die Haustechnik besteht im Wesentlichen aus einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, einer Sole-Wasser-Wärmepumpe zur Beheizung sowie einer Photovoltaikanlage auf dem Dach.

Die Fertigbadzellen verfügen über einen Gießharzboden, Wand- und Deckenpaneele aus HPL-Platten sowie die entsprechende Sanitärkeramik. (Bild: Hans Jürgen Landes)

Der so erzeugte PV-Strom soll dabei vor allem im Gebäude selbst verbraucht werden, um die Energieeinsparpotenziale größtmöglich auszuschöpfen. So erfolgt auch die Warmwasserbereitung in allen Bädern und Küchen dezentral in elektronischen Durchlauferhitzern (DDLE Basis, AEG). Pro Wohneinheit übernimmt ein Gerät die Bereitung für Dusche, Waschtisch und Küchenspüle. Das bringt mehrere Vorteile: Das warme Wasser kann bedarfsgerecht, also ohne Verluste durch die Bereitstellung und den Transport, bereitgestellt werden. Man spart sich den zentralen Kessel sowie die Warmwasserleitungen samt Zirkulationssystem, wodurch der Wartungsaufwand vermindert wird. Außerdem lassen sich so die Forderungen des Gesetzgebers in Bezug Legionellensicherheit erfüllen, da es in den Leitungen so gut wie kein stehendes Warmwasser gibt. Die Studenten ihrerseits können durch die Vorwahl der Wassertemperatur ebenfalls einen wichtigen Beitrag zum effizienten Einsatz der Energie leisten. Alles in allem lassen sich so die Energieverluste bei der zentralen Warmwasserbereitung von oftmals um bis zu 45 % verringern. Durch den Einsatz eines elektronischen Durchlauferhitzers (bei dem die Leistung in Abhängigkeit von der Wunschtemperatur geregelt wird) gegenüber einem hydraulischen Durchlauferhitzer (bei dem die Leistungsstufen in Abhängigkeit der Durchflussmenge geschaltet werden) lassen sich die Energiekosten außerdem um rund 30 % reduzieren.

Die im Rohbau eingebrachten Fertigbäder mussten nur noch an die Kaltwasser, Abwasser und Stromleitungen angeschlossen werden. (Bild: AEG Haustechnik)

Bei der Studentenwohnanlage in Kleve sind wurden sämtliche Bäder außerdem in Leichtbauweise anschlussfertig vorgefertigt (Geberit-Huter aus Matrei am Brenner in Österreich) und konnten so vor Ort direkt vom LKW in die Wohnungen gehoben werden. Die 2,20 x 1,80 großen Fertigbäder haben ein vergleichsweise geringes Gewicht von 320 kg/m². Diese Fertigung und Montage aus einer Hand hat vor allem Vorteile in der Verarbeitungsqualität und beim Einhalten des Bauzeitplans und somit letztendlich bei den Kosten gebracht. Sogar ein späteres Verschieben oder Demontieren durch eine Grundrissänderung ist vorstellbar – was schlussendlich ein ebenso wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit und somit Baustein zur Energiewende ist.

Für die Wohnräume ist eine kontrollierte Wohnraumlüftung vorgesehen, mit einer Zuluftführung über Kanäle in den Zwischendecken und Auslassöffnungen in den Raumwänden sowie einer Abluftführung über die Sanitärräume bzw. Küchen. (Bild: Hans Jürgen Landes)
Jedem Bewohner stehen rund 25 m² Wohnfläche zur Verfügung, als Single-Wohnung, 2er- oder 3er-Wohngemeinschaft. (Bild: Hans Jürgen Landes)
Lageplan (Quelle: nps tchoban voss)
Grundriss Regelgeschoss (Quelle: nps tchoban voss)
Grundriss Erdgeschoss (Quelle: nps tchoban voss)
Systemvergleich dezentral Elektro und zentral Heizöl (Quelle: AEG Haustechnik)
Platziert wurde der „DDLE Basis“ in jedem Fertigbad über dem WC-Spülkasten, wo er mit seiner geringen Bautiefe von nur 93 Millimetern nur wenig Platz in Anspruch nimmt. (Bild: AEG Haustechnik)
Die Eingangsbereiche, Foyers, Flure sowie die Aufzüge sind mit farbigem Linoleum ausgestattet. (Bild: Hans Jürgen Landes)
In Kleve wurde die neue Hochschule Rhein-Waal, geplant ebenfalls von den Hamburger Architekten nps tchoban voss, bereits im Jahr 2009 eröffnet. (Bild: AEG Haustechnik)

Projekt
Studentenwohnanlage an der Briener Straße
Kleve, D

Hersteller
EHT Haustechnik GmbH / Markenvertrieb AEG
Nürnberg, D

Kompetenz
elektronischer AEG Durchlauferhitzer DDLE Basis

Architektur
nps tchoban voss GmbH & Co. KG Architektur und Städtebau
Sergey Tchoban
Hamburg, D

Mitarbeiter: Dierk Schafmeyer (Projektleiter), Ulf Jensen

Bauherr
Studentenwerk Düsseldorf
Düsseldorf, D

Landschaftsarchitektur
JKL Junker + Kollegen Landschaftsarchitektur BDLA
Georgsmarienhütte, D

Tragwerks-, Bauphysik- und Schallschutzplanung
IBK GmbH
Düsseldorf, D

Haustechnikplanung
Krawinkel Ingenieure GmbH
Krefeld, D

Brandschutzplanung
Pabst + Partner Ingenieure
Bonn, D

Passivhausplanung und Wärmeschutz, Ausschreibung, Vergabe, Bauüberwachung
Architekturbüro Hülsmann & Thieme
Kleve, D

Fertigstellung
2013

Fotografie
Hans Jürgen Landes
AEG Haustechnik



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