Wiederaufbau als Chance
MoRe Architekten
13. November 2024
Blick auf die Willi-Fährmann-Schule in Eschweiler (Visualisierung: © MoRe Architekten)
MoRe Architekten haben den Wettbewerb für den Ersatzneubau der bei einem Hochwasser zerstörten Willi-Fährmann-Schule in Eschweiler gewonnen. Tobias Martin Reinhardt stellt den Entwurf vor, der Gebäude und Außenräume aufwerten soll.
Herr Reinhardt, für die im Juli 2021 durch eine Flutkatastrophe sehr stark beschädigte Willi-Fährmann-Schule soll ein Ersatzneubau geplant und errichtet werden. Welche Ausgangssituation haben Sie vorgefunden?
Der an gleicher Stelle bereits vorhandene Schulbau wurde erst 2010 vollständig saniert. Bei der von Ihnen erwähnten Flut im Jahr 2021 wurde er so stark beschädigt, dass eine erneute Instandsetzung nicht mehr wirtschaftlich darstellbar war. Die Zerstörung des Gebäudes als Chance für eine grundlegende Neuinterpretation der schulischen Anforderungen zu betrachten, war daher unser vorrangiges Ziel. Dies galt nicht nur für das Gebäude, sondern auch für die Außenräume, die durch die Maßnahme massiv aufgewertet werden sollten. Das Grundstück befindet sich in einem sehr heterogenen Kontext am Übergang zwischen Innenstadt und Randbezirk, geprägt von Wohngebäuden unterschiedlicher Größe und verschiedenen Alters. Mit dem Neubau soll ein Ort entstehen, der sich in gleichem Maße zum Stadtraum öffnet, wie er sich von seinem Umfeld abhebt.
Lageplan (© MoRe Architekten)
Wie fanden Sie zum vorgeschlagenen Gesamtbild?
Dem Entwurf ging eine sehr intensive Analyse der Aufgabenstellung voraus, im Zuge deren sich irgendwann der Wunsch, einen möglichst großen zusammenhängenden Schulhof zu schaffen, als oberste Priorität für uns herauskristallisierte. Parallel dazu war es uns ein Anliegen, die Baumasse der Schule in städtebaulich verträgliche Baukörper zu gliedern, die in Kombination wiederum sinnvoll bespielbare Außenräume für Vorplatz, Parken und den Außenbereich der Mensa bilden. In Modellstudien haben wir den polygonalen Baukörper entwickelt, der die genannten Anforderungen am besten erfüllt.
Der Neubau der Schule ermöglicht, eine moderne Lernlandschaft zu gestalten, die heutigen pädagogischen Konzepten entspricht. (© MoRe Architekten)
Wie organisieren Sie die neue Förderschule?
Das Raumprogramm der Förderschule wird, wie gesagt, in einem polygonalen Baukörper untergebracht, der in drei Teile gegliedert ist. Der mittlere Bauteil ist für die Gemeinschaftsbereiche wie Aula und Musiksaal vorgesehen. Die beiden anderen beherbergen in den Obergeschossen jeweils einen Lerncluster und im Erdgeschoss die Verwaltung beziehungsweise den Werkstattbereich. Die Organisation folgt dabei einer fraktalen Struktur, bei der sich das Ordnungsprinzip der Gesamtanlage in kleinerem Maßstab in den einzelnen Bauteilen wiederholt. Die Funktionen sind stets radial um ein natürlich belichtetes Zentrum angeordnet.
Grundriss Erdgeschoss (© MoRe Architekten)
Ansichten (© MoRe Architekten)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Ein Thema, das uns im vorgefundenen sehr heterogenen Kontext stark beschäftigt hat, waren die Übergänge zwischen Innen- und Außenraum. Wir hatten den Wunsch, einen Ort zu schaffen, der sich einerseits ganz auf sich selbst bezieht, gleichzeitig aber auch die nötige Offenheit ausstrahlt, um zu einem einladenden Zuhause für Lernende und Lehrende zu werden. Dazu haben wir uns sehr intensiv und auf unterschiedlichen Ebenen mit den Transitionsbereichen beschäftigt. Auf städtebaulicher Ebene werden die Vorzonen des Gebäudes immer zu Höfen gefasst die geschützte Übergangsbereiche darstellen. Das Innenleben der Schule ist durch die Patios in den Clustern und das Atrium geprägt. Den Unterrichtsräumen sind teilweise Loggien vorgelagert, die als kleine Lehrgärten genutzt werden können. Das Gebäude schafft sich so seine eigenen Außenräume, die wiederum in den Stadtraum hineinwirken.
So soll es im neuen Schulhaus dereinst aussehen. (Visualisierung: © MoRe Architekten)
Können Sie uns durch die neue Willi-Fährmann-Schule führen als ob sie schon fertiggestellt wäre?
Von der Martin-Luther-Straße gelangt der Besucher über den zweiseitig gefassten Vorplatz durch den Haupteingang ins Gebäude. Direkt dahinter öffnet sich die zweigeschossige Aula mit Sitzstufen, die als Treffpunkt, Veranstaltungsort, Café und Marktplatz dient. Überdacht von einem großen Glasdach bildet sie das Herzstück des schulischen Lebens. Die Sitztreppe lädt in den Pausen als helle, freundliche Aufenthaltsfläche zum Verweilen ein und fungiert bei Theater- und Musikaufführungen als Tribüne. Der Boden besteht hier aus geschliffenem Estrich.
In den Lernclustern im Obergeschoss stellen wir uns eine privatere, fast wohnliche Atmosphäre vor. An den Zugängen zu den Clustern wechseln die Kinder ihre Schuhe, bevor sie »ihren« Bereich betreten. Der zentrale Patio in der Mitte der Lernbereiche sorgt nicht nur für die natürliche Belichtung der Clustermitte, sondern ist auch als pädagogisch nutzbarer Außenraum gedacht. Die Räume zeichnen sich durch warme Holzoberflächen und eine offene, transparente Gestaltung aus.
Modellfoto: © MoRe Architekten
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Da das Umfeld keine ortsbildprägende Materialsprache erkennen ließ, waren wir in unserer Entscheidung frei und wählten aufgrund der wesentlich besseren CO2-Bilanz eine Holzskelettkonstruktion, die bei der zweigeschossigen Bauweise zahlreiche Vorteile mit sich bringt. Die Konstruktion soll im Innenraum sicht- und erlebbar bleiben. Die Holzoberflächen schaffen nicht nur eine behagliche Atmosphäre, sondern sind auch robuster als viele andere Materialien.
Aktuell sind erste Abstimmungsgespräche in Vorbereitung und wir hoffen, dass wir anschließend mit der Beauftragung und einem zügigen Projektstart rechnen dürfen. Ein konkreter Fertigstellungstermin wurde noch nicht thematisiert.
Nicht offener Wettbewerb
Auslobung: Stadt Eschweiler, Hochbauamt
Betreuung: post welters + partner mbB Architekten und Stadtplaner BDA/SRL, Dortmund
Jury
Prof. Rolf Westerheide, Aachen (Vors.) | Juliane Kopperschmidt, Dortmund | Gert Lorber, Köln | Barbara Pampe, Montag Stiftung, Bonn | Prof. Dr. Andreas Uffelmann, Hannover | Susanne Weihrauch, Solingen | Dana Duikers, Stadt Eschweiler | Heinz-Theo Frings, Eschweiler | Josef Gier, Stadtrat Eschweiler | Nadine Leonhardt, Bgm. Stadt Eschweiler | Dietmar Widell, Stadtrat Eschweiler
1. Preis
MoRe Architekten, Hamburg | Tobias Martin Reinhardt
Mitarbeit: Fabiola Dos Ramos, Matthias Krumbe, Rita Correia, Maya Mill
Hunck + Lorenz Freiraumplanung, Hamburg | Heike Lorenz
Mitarbeit: Eva-Maria Gleitze, Randi Sandmann, Maren Mirecki
ein 3. Preis
Kastner Pichler + Partner Architekten Part GmbB, Köln | Jochem Kastner, Konstantin Pichler-ter Horst, Stephan Schorn
Mitarbeit: Carlos Gutiérrez, Lukas Maas, Hannah Lanzerath
stern landschaften, Köln | Doron Stern
Visualisierung: studiorosarot, Tübingen
ein 3. Preis
hks | architekten GmbH, Aachen | Justus Poth
Mitarbeit: Aude Charoy, Sophie Stollenwerk, Christian Hölscher
KRAFT.RAUM. Landschaftsarchitektur und Stadtentwicklung, Düsseldorf | René Rheims
Mitarbeit: Milena Renz