Neubau für Sprach- und Kulturwissenschaften, Frankfurt am Main

Stein im Puzzle

Peter Petz
17. Juni 2015
Blick auf den Haupteingang

Peter Petz: Als vorläufigen Abschluss der Entwicklung der universitären Kernzone des Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt plant das Land Hessen die Errichtung eines Neubaus für Sprach- und Kulturwissenschaften. Wie haben Sie die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?
Lutz Keßling: Der Campus Westend wird südlich vom ehemaligen Verwaltungssitz der I.G. Farben begrenzt. Dieses Gebäude von Hans Poelzig zählt zu den bedeutendsten erhalten Bauwerken moderner Architektur in Deutschland. Dieses baugeschichtliche Zeugnis und die ebenfalls unter Denkmalschutz umgebende Parkanlage konnten glücklicherweise als Grundlage für die Entwicklung eines universitären Campus mitten in der Stadt Frankfurt dienen, der für uns vor Ort schon jetzt mit seinen bereits erstellten Bauabschnitten als offener belebt und beliebter Campus mit außerordentlich hochwertigen, architektonisch pointierten Einzelbauten innerhalb eines Gestaltkanons erlebbar ist. Dieses ganzheitliche  Gestaltungskonzept orientiert sich hinsichtlich Materialität und Fassadenbildung eng an Hans Poelzigs IG-Farben-Gebäude, so konnte – wie bereits auf dem Campus erkennbar – eine gemeinsame Identifikation im Städtebau und Architektur erzielt werden. Unser Entwurf fügt sich somit in diese Struktur und Materialität im Sinne eines «Weiterbauen» ein – und wird damit ein weiterer natürlicher Baustein der gegebenen Ordnung. Zugleich stärkt unser Wettbewerbsbeitrag, wo nötig, den Städtebau und interpretiert das «Weiterbauen» mit Blick auf die äußere Fassadengestaltung, ohne das einheitliche «Ganze» aus den Augen zu verlieren.

Lageplan

Wie organisieren Sie die Nutzungen?
Die Nutzungen sind vielfach, neben Flächen für die Sprach- und Kulturwissenschaften mit Bereichsbibliothek und Cafeteria wurden im Raumprogramm auch Büroflächen für Studentenwerk und universitäre Verwaltung sowie Werkstätten gefordert. Unser Entwurf besetzt das Baufeld über die gesamte Länge und entwickelt ein städtebauliches Ensemble aus 4 kubischen in Höhe und Breite verschiedenen Baukörpern, die diese unterschiedlichen Nutzungen aufnehmen und ablesbar werden lassen. Das Ensemble kann mit dieser Komposition auf die unterschiedlichen Seiten städtebaulich angemessen reagieren: Die westliche Raumkante an der Rostocker Straße wird vom südlichen Volumen aufgenommen, weicht im Übergang zum Platz an der Miquelallee auf die Bauflucht der nördlichen zukünftigen Campusbebauung zurück, um hier die Verbindung zwischen dem Campusgelände und der zukünftigen Zentralbibliothek am Platz der Miquelallee zu stärken- zugleich entsteht damit ein attraktiver mit gezogenen Dachplatanen bestandener Eingangsplatz, der von  Cafeteria und öffentlich frequentierten Nutzungsbereichen begleitet wird. Im Norden wird die Platzkante zur Miquelallee durch ein kräftiges 5-geschossiges Volumen markiert, dieser Bau ist im Bereich der Hansaallee von einem 2-geschossigen Körper unterschnitten, der die Bibliothek aufnimmt. Ein  6-geschossiger Erweiterungsbau für Kunstpädagogik befindet sich im Südosten im Bereich Hansaallee und fügt sich in seiner Proportion ambivalent sowohl in den Neubau der Sprach- und Kulturwissenschaften als auch in die Kubaturen der südlich angrenzenden Bestandsbauten Seminar und Exzellenzcluster ein. Somit kann der Neubau auch ohne Erweiterungsbau als eigenständiges, kompositorisch abgeschlossenes, Gebäudeensemble gelesen werden und der Erweiterungsbau kann zu späterem Zeitpunkt problemlos errichtet werden, ohne den laufenden Betrieb der Sprach– und Kulturwissenschaften zu stören.

Schnitt

Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?
Während der Bearbeitung haben wir im Büro intensiv diskutiert, inwieweit sich der Entwurf im Spannungsfeld zwischen Weiterbauen des Campus mit der vorgegebenen einheitlichen Gestaltung und Kontinuität und der doch notwendigen architektonischen Eigenständigkeit bewegen sollte. Wir haben uns dann auch aufgrund der vor Ort erlebten außerordentlichen Qualität von Architektur und Städtebau entschieden, unseren Beitrag als weiteren passenden «Stein im Puzzle» auszubilden, dies aber mit Modulationen innerhalb des vorgebenden Leitbildes. Damit schaffen wir – wie die Bauten unser Kollegen – ein unaufgeregtes Passepartout für das studentische Leben und universitäre Forschen vor Ort. Das Hörsaalzentrum von Ferdinand Heide im Herz der Anlage weicht einzig aufgrund seiner Funktion und Bedeutung für den Campus von einer gleichmäßigen gerasterten Fassade ab, alle weiteren Institutsgebäude, die die Ränder des Campus besetzen, entsprechen aber dem Duktus des Poelzig-Baus, insofern haben wir uns nach unserer Meinung folgerichtig dafür entschieden, moduliert «weiterzubauen». Natürlich wollten wir dennoch dem Neubau mit einer Variation der Rasterfassade eine Eigenheit mitgeben, die den Baukörper bei näherer Betrachtung auszeichnet, ohne vielleicht im gesamten zu eigenständig zu wirken. Zugleich war eine weitere Herausforderung, den 2. Bauabschnitt vernünftig in eine Baukörperkomposition einzufügen: In beiden Stufen musste für uns der Entwurf kompositorisch abgeschlossen wirken, des Weiteren muss natürlich ein späteres Ergänzen des 2. Bauabschnitt problemlos ohne Störung des 1. Bauabschnitt erfolgen können. Schließlich haben wir diese Lösung gefunden, die den 2. Bauabschnitt sozusagen als Schnittmenge zwischen den Neubau der Sprach- und Kulturwissenschaften und die bestehende südliche Bebauung einfügt.

Ansicht Ost
Ansicht West

Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?
Für den Neubau möchten wir die Materialität des Poelzig Baus IG Farben und das Fassadenprinzip der in unterschiedliche Ebenen strukturierten Lochfassade in seiner Typologie variieren: Die Fassade wird in zwei Wandebenen aufgelöst, die die Themen Horizontalität und Vertikalität  unterschiedlich behandeln. Die äußere Schicht wird mit Travertin – im liegendem großformatigen Verband – verkleidet, die zurück springende zweite Ebene erhält ein mineralisches Mosaik aus dunkleren farbig abgestuften Travertinfliesen. Dieser Grundfarbton der hinteren Fassadenebene erlaubt es uns je nach Baukörper den Farbton nuanciert zu ändern. Auch wären unterschiedliche Fliesenmosaike für uns denkbar. Die Nutzungen für  Bibliothek, Cafeteria bilden im Fassadenthema ein ablesbares Sockelmotiv aus, indem großformatige Öffnungen geschaffen werden. Kräftige im Bronzeton eloxierte dreifach verglaste Aluminiumfenster strukturieren das Erscheinungsbild. Außen liegende Raffstores dienen der Verschattung und können das Gesamtbild temporär akzentuieren. In der Fassadengestaltung der Innenhöfe können wir freier hinsichtlich Farbe und Material werden, dies möchten wir im weiteren Verlauf entwickeln.
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?
Ein Fertigstellungstermin liegt uns noch nicht vor, zuerst müssen wir das anschließende VOF Verfahren erfolgreich abschließen.

Modell (Bild: Alex Schmitt)
Neubau für Sprach- und Kulturwissenschaften auf dem Campus Westend der Goethe-Universität Frankfurt am Main, 3. Bauabschnitt
Beschränkter Wettbewerb

Jury
Prof. Zvonko Turkali, Vors.
Sabina Freienstein
Inge Laste
Prof. Dörte Gatermann
Prof. Ansgar Lamott
Prof. Jórunn Ragnarsdóttir
Irene Bauerfeind-Rossmann
Guido Brennert
Thorsten Dettmer
Thomas Platte
Prof. Birgitta Wolff

1. Preis
Arch.:  BLK2 Böge Lindner K2 Architekten, Hamburg
Modell: wup Wiens und Partner GmbH, Hamburg

2. Preis
Arch.:  Staab Architekten, Berlin
TGA: WBP Ingenieure für Haustechnik, Münster

3. Preis
Arch.:  Atelier 30 Architekten, Kassel

4. Preis
Arch.: Harris + Kurrle architekten, Stuttgart
Energie:  TEB, Vaihingen-Enz
TGA: Ing.-Büro Heimann, Berlin
Tragwerk: Engelsmann Peters Ingenieure, Stuttgart
Brandschutz: Planungsgruppe Kuhn, Sindelfingen

5. Preis
Arch.:  Max Dudler, Berlin
TGA: ZWP Ingenieur-AG, Berlin
Tragwerk: LAP Leonhardt · Andrä und Partner Ber. Ing. AG, Berlin
Brandschutz: HHP Berlin Ing. für Brandschutz GmbH, Berlin

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