Stadtbaustein Domstraße

Carsten Roth Architekt
28. August 2019
Blick Domstraße / Große Reichenstraße - Büros (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Zentral zwischen Hauptbahnhof und Binnenalster gelegen soll am Domplatz unter Einbeziehung eines Bestandbaus ein Gebäudeensemble entwickelt werden mit insgesamt 10.000 Quadratmetern Büroflächen, 58 Wohnungen und circa 1.250 Quadratmetern Restaurants und Gewerbeflächen. Welche Antworten gibt Ihr Entwurf auf die Frage, die der Wettbewerb stellt?

Die in den 1920er-Jahren neu etablierte Domstraße hatte eine historisch nicht existente Quartiersgrenze geschaffen, die die Altstadt mit ihrem Rathaus vom Kontorhaus-Viertel trennte. Entlang dieser Schnittstelle liegt der Domplatz mit den Ausgrabungsstätten der Hammaburg als Ort des ältesten Siedlungskerns Hamburgs direkt vis-a-vis des Quartiergrundstücks. Unser Entwurf ergreift nun diese einmalige Gelegenheit und schafft eine hochwertige Situation am Schnittpunkt Altstadt / Kontorhausviertel / Willy-Brandt-Straßenzug. Straßenparallel wurde ein Stadtbaustein platziert, wodurch eine überaus einprägsame Situation entsteht: Das Merkzeichen an der Grenze zweier, beziehungsweise dreier Quartiere, insbesondere der städtebaulich so wünschenswerte Ein- und Ausgang in das Altstadtzentrum mit seinem Domplatz. Mit rund 10.000 Quadratmetern Bürofläche, rund 60 Wohnungen und Gastronomie und Einzelhandelsflächen in den Erd- und Mezzanin-Geschossen sorgt dieser Stadtbaustein nicht nur zur Verschönerung bei – sondern auch maßgeblich zur Belebung dieses Quartieres.

Lageplan (Zeichnung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Welches sind die Kerngedanken Ihres Entwurfs?

Unser Entwurf bezieht die historisch wichtigen Kontorhaus-Bauten aus der Nachbarschaft elegant mit ein und es entstehen für das Quartier einzelne Gebäudeabschnitte, die aber dennoch als ein Ensemble wahrgenommen werden, da es einen übergeordneten Zusammenhalt gibt. Das Bürohaus schafft zusammen mit seinem Gegenüber auf der anderen Straßenseite eine Torsituation am Übergang von der Altstadt in das Kontorhausviertel. Unsere Absicht ist es immer, eine Architektur zu entwickeln, die Menschen mit ihrem Ort in Einklang bringt und das vor allem bei denen, die tagtäglich am oder im Bauwerk leben und arbeiten. Wenn sich jeden Tag eine neue Erzählung offenbart, können wir Architektur schaffen, die ästhetisch nachhaltig unser Leben begleitet.

Domplatz mit Umgebungsbebauung (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Wie organisieren Sie das Gebäudeensemble?

Der einprägsame Zuschnitt des Bürohauses verfolgt - neben der Einhaltung der Abstandsflächen, und der Genehmigungsfähigkeit - die Straßenparallelität. Der gesamte Baublock möchte „Gesicht in Richtung Süden zeigen“ - zur Kreuzung mit dem Haupteingang zum Gebäude. Der übrige Stadtbaustein orientiert sich an den gegenüberliegenden Gebäuden entlang der Großen Reichenstraße, vorrangig aber an den Abstandsflächen. Die Staffelgeschosse vermitteln zum verbleibenden Bestandsgebäude im Baublock. Die einzelnen Gebäudeabschnitte werden im Bereich der Staffeln gegliedert durch Pergola-Übergänge. Hierdurch werden unterschiedlich Höhen zum Altbestand überbrückt, Dachterrassen geschaffen, und Bauabschnitte in der Abfolge technisch vereinfacht. Die Büronutzungen gliedern sich über die Volumen und Fassaden in kleinteiligere Abschnitte. Neben dem Haupteingang gibt es mehrere Nebeneingänge, die eine maximale Flexibilität ermöglichen. Der Wohnungsbau erhält zwei Eingänge an den Seiten. Im Erdgeschoss befindet sich Gastronomie und je nach Geländeverlauf wird es eine zum Teil zweigeschossige Tiefgarage geben. 

Schnitt (Zeichnung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Gab es Vorgaben zu Standards der Büros und Wohnungen?

Die Wohnungen werden von Ein- bis Drei-Zimmerwohnungen den urbanen Lebensstilen angepasst entwickelt, ein Haus ist frei finanziert, ein Haus wird mit den Kriterien für den geförderten Wohnungsbau in Hamburg geplant. Alle Wohnungen erhalten Loggien, beziehungsweise Dachterrassen zum Domplatz und der Großen Reichenstraße oder Balkone zum ruhigen Innenhof. Die rund 10.000 Quadratmeter Büroflächen werden durch mehrere Eingänge und Querverbindungen maximal flexibel organisiert, der Ausbau wird gewohnt hochwertig geplant.

Blick Brandstwiete / Große Reichenstraße - Wohnen (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Blick Alter Fischmarkt - Wohnen (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Welches architektonische Thema war Ihnen besonders wichtig?

Die Fassaden. Wenn wir Fassaden plastisch gestalten, dann verzahnen wir damit den Zwischenraum viel stärker mit den Gebäuden und ihrem Innenleben. An einer glatt abgeschnittenen Fassade endet hingegen oft der Freiraum abrupt und endgültig. Für mich gibt es nicht wirklich einen Innen- oder Außenraum, sondern es gibt nur ein großes Raumkontinuum, das sich durch die ganze Welt hindurch zieht und von Licht erfüllt ist.

Blick Domstraße / Schauenburgstraße - Büros (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Welche Materialstrategie schlagen Sie vor?

„polyDOM“ steht für die Wahl des Materials: Inspiriert von zwei exzellenten Kontorhäusern von 1906 bzw. 1911, entworfen von den Architekten Leon Frejtag und Erich Elingius in der Schauenburger Straße 15 und 21, orientieren sich die Neubauten an den Oberflächen der farbigen, irisierenden Keramik (grès flammée). Das Wohngebäude erhält ein Sichtmauerwerk aus überwiegend rötlich, teils grünlich schimmernden glasierten Ziegeln. Im Erdgeschoss und Mezzanin wird ein besonderes Ziegelrelief entwickelt, um den Sockel gezielt herauszuarbeiten. Die Bürogebäude erhalten eine Kunststein-Fertigteilfassade aus rotgrauem Zement mit roten und grünen großformatigen Zuschlägen. Die Zuschläge werden heterogen zugemischt, die einzelnen Fertigteile grenzen sich teilweise voreinander ab. Die einzelnen Bauteile werden in den Oberflächen unterschiedlich glatt hergestellt mit wechselvollen Lichtreflektionen, wobei die horizontalen Elemente zusätzlich bauabschnittsweise unterschiedlich geneigt sind. 

Detail (Visualisierung: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Der eigentliche Baubeginn hängt natürlich von vielen unterschiedlichen Faktoren ab, die grobe Planung sieht einen Bauantrag in 2020 und den Baubeginn in 2021 vor. Über einen Fertigstellungstermin können wir uns sicher in drei bis vier Jahren noch einmal konkret unterhalten. Wir hoffen, dass das Projekt mit einer Zeitraffer-Kamera begleitet wird um dann am Ende einen Film vom Bestand zum Neubau zeigen zu können – den zeigen wir Ihnen dann gerne nach Fertigstellung.

Stadtbaustein (Foto: CARSTEN ROTH ARCHITEKT)
Entwicklung am Standort Domstraße in Hamburg-Mitte
Nichtoffener Realisierungswettbewerb

Auslober/Bauherr: AUG. PRIEN Immobilien Gesellschaft für Projektentwicklung mbH, Hamburg
Betreuer: D&K drost consult GmbH, Hamburg

Jury
Prof. Johannes Kister, Vors. | Franz-Josef Höing | Michael Mathe | Jan Kleihues | Prof. Almut Grüntuch-Ernst | Finn Warncke | Karl Heinz Humburg | Sybille Kramer | Jan Petersen | Bernd Saar | Frank Holst | Torben Wiencke | Dr. Michael Osterburg | Heinz Raube
 
1. Rang
Architekt: CARSTEN ROTH ARCHITEKT, Hamburg
 
2. Rang
Architekt: Tim Hupe Architekten, Hamburg
 
3. Rang
Architekt: gmp Architekten, Hamburg

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