Quellen der Zukunft für den blau-grünen Korridor Jüchen

JUCA Landschaft und Architektur mit Landschaftsmanufaktur
24. Juli 2024
Schulgarten Jüchen (Visualisierung: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Zwischen Schloss Dyck, der Stadt Jüchen und der Tagesbaufolgelandschaft Garzweiler soll ein landschaftsplanerisches und klimaangepasstes Konzept für die Entwicklung der historischen Kulturlandschaft entwickelt werden. Auf unterschiedlichen Testfeldern entlang vorhandener Gewässer und Radwege sollen darüber hinaus konkrete Aufwertungsmaßnahmen erfolgen, die zur Erprobung einer klimaresilienten Landschaftsgestaltung dienen. Wie haben Sie auf den Kontext reagiert und die Wettbewerbsaufgabe interpretiert?

Die historisch gewachsene Kulturlandschaft im Norden von Jüchen wurde über Jahrhunderte von kleinen Bächen, ihren Auen und den daran entstandenen Siedlungen mit fruchtbaren Ackerböden geprägt. Das Schloss Dyck und weitere prächtige Gutshöfe zeugen vom Erfolg dieser Geschichte, die in Zukunft mit dem Blau-Grünen Korridor Jüchen neu erzählt werden soll. 
Die Stadt Jüchen möchte auch zukünftig ihre Flächen nachhaltig bewirtschaften und sie setzt mit der wissenschaftlichen Erprobung von geeigneten Methoden zur Anpassung der Landschaft an den Klimawandel einen spannenden Startpunkt für diesen Prozess. Bis zu 17 landschaftliche und hydrologische Testfelder können angelegt werden. Entlang des Blau-Grünen Korridors Jüchen werden sie als Kulturlandschaft der Zukunft erfahrbar. Ausgewählte Informationspunkte laden zum Verweilen und über themenbezogene Klima-Erlebnis-Pfade zum näheren Erkunden der Testfelder ein. Neue Wasser-Quellen, nachhaltige Landwirtschaft als Nahrungs-Quelle sowie kommunaler und klimaresilienter Pflanzenanbau sind die Themen, die entlang des Blau-Grüner Korridors erprobt und erläutert werden. 

 

Bestand (Quelle: Auslobung)
Welche Maßnahmen schlagen Sie vor?

Die Jüchener Bäche bilden auch zukünftig die Lebensadern der Landschaft sowie die Hauptverbindungen im Blau-Grünen Korridor. Die Gewässer in der Jüchener Kulturlandschaft werden als komplexes, anthropogen geprägtes System betrachtet und im Sinne einer Optimierung für Siedlungen, Landwirtschaft und Naturschutz entwickelt. Das Einzugsgebiet der Bäche wurde durch den Tagebau stark verändert und der Wasserhaushalt wird unmittelbar durch Regenereignisse beeinflusst. Während des letzten Jahrhunderts wurden zahlreiche Flächen versiegelt, das Regenwasser kanalisiert und schnellst möglichst abgeleitet. Die künstliche Quelle der Sümpfung aus dem Tagebau, die den Jüchener Bach über lange Zeit speiste, wird mit dem Ende der Abbautätigkeit versiegen. Zunehmende Schwankungen zwischen extremer Trockenheit und starken Regenereignissen machen eine nachhaltige Weiterentwicklung der Wasserwirtschaft erforderlich. 
Zukünftig wird es das Ziel sein, auf multifunktionalen Flächen größere Mengen Regenwasser naturnah am Ort zu halten und technisch gedrosselt abzuleiten. Schwammstadt wie Schwammland nehmen mehr Wasser auf, halten es zurück und verbessern den Grundwasserstand. Überschüssiges Wasser wird gezielt in die Jüchener Bäche geleitet und somit neue Quellen zu deren Speisung erschlossen. Die Hydrologischen Testfelder werden angelegt, um sie zu erproben – als Quellen der Zukunft.

Der kommunale Klima-Wald wächst aus bestehenden Einzelbäumen, Alleen, Auengehölzen und Waldflächen durch gezielte Ergänzung über Neupflanzungen zu einem Wald-Netzwerk im Blau-Grünen Korridor zusammen. 
Entlang der Wege sind breite Blühstreifen und bunte Alleen angelegt, die aus verschiedensten heimischen und klimaresilienten Arten zusammengesetzt werden. Sie leiten die Besuchenden, bieten Vögeln, Insekten, Kleinsäugern und vielen weiteren Tieren und Pflanzen der offenen Feldflur Unterschlupf und Nahrung. 
Auf den landschaftlichen Testfeldern wird die Gewinnung von Sämlingen aus bestehenden Waldflächen im Stadtgebiet, die Verwendung von lokal gewonnenen Jungpflanzen für den kommunalen Betrieb von Baumschulen und Informationen zu klimaresilienten Baumarten erforscht. 

Lageplan (Zeichnung: JUCA / Landschaftsmanufaktur))
Welche landschaftsarchitektonischen Themen waren Ihnen besonders wichtig?

Alle Maßnahmen fügen sich authentisch in die historische Kulturlandschaft ein. Durch einfache Gestaltungselemente wird der gesamte Radweg über seine 25 km Länge als Einheit ablesbar. Das Leitsystem mit dem »Q« der Quellen der Zukunft hat einen Wiedererkennungswert über die landschaftsplanerischen Maßnahmen hinaus. Das Zeichen führt an vorhandenen und neuen Schildern entlang des Blau-Grünen Korridors und kann zusätzlich als Stele an Wegekreuzungen platziert werden. Informationen zu den Bausteinen der Kulturlandschaft der Zukunft können auf Themen-Tafeln an den Testfeldern und unterwegs präsentiert werden. An zentralen Punkten bieten die Info-Quellen mit Abstellanlagen für Fahrräder und Picknicktischen bequeme Angebote für die Besucherinnen und Besucher und laden zum Innehalten und Wahrnehmen ein. Die Klima-Erlebnis-Pfade vermitteln auf kleinen Rundgängen zu Fuß durch die Themenfelder die nachhaltige Bewirtschaftung der Landschaft und den wertschöpfenden Umgang mit der Natur als Quelle unseres Lebens. Die Info-Quellen und Klima-Erlebnis-Pfade werden barrierefrei gestaltet.

Testfeld Hydrologie H1 – Quelle Neubau und Auwald Jüchen West (Zeichnungen: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Testfeld Hydrologie H4 – Syntropischer Agroforst (Zeichnungen: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Können Sie uns über die unterschiedlichen Testfelder führen als ob diese schon fertiggestellt wären?

Im Wettbewerb wurden vier der Testfelder detailliert ausgearbeitet. Diese stehen mit ihren Quellen der Zukunft beispielhaft als Initiale für diese Entwicklung entlang des Grün-Blauen Korridor. Bewusst haben wir sie so ausgewählt, dass sie den gesamten Raum entlang des Grünen Korridors von Südwest bis Nordost aufspannen.

Testfeld H1 Auwald Jüchen West mit Klima-Erlebnis-Pfad: Quellen der Zukunft in der Wasserwirtschaft – Das Regenwasser im Neubaugebiet Jüchen West wird gesammelt und zur Speisung des Jüchener Baches genutzt. Auf dem Testfeld wird untersucht, wie Wassermengen sinnvoll zu drosseln sind und welchen Einfluss dies auf die naturnahen Rückhalteflächen der neuen Auen sowie im weiteren Verlauf auf den Jüchener Bach hat. Das Hackhausener Fließ wird als naturnahe Aue gestaltet und mit den Mulden der Neubausiedlung im Kaskadensystem verbunden. Pflanzenkläranlagen und Bodenfilter können in die Flächen integriert werden. Eine sinnvolle Ergänzung der Informationen ist im Bereich Testfeld H2 Wohnen und H3 Gewerbegebiet möglich, wo das Thema Versiegelung im Bestand als Potential im Sinne einer Quelle der Zukunft für die Jüchener Bäche besprochen werden kann.

Testfeld T5 Schulgarten und kommunale Baumschule mit Klima-Erlebnis-Pfad und NABU-Pfad – 
Die kommunale Baumschule wird mit den Schulgärten und dem NABU-Pfad als Ort der Natur-Erfahrung und der Erforschung und Entwicklung eines örtlichen klimaresilienten Pflanzensortimentes angelegt.  
In den Schulklimagärten wird nach einem Beispiel aus der Schweiz (Klimagarten 2085) von Schulklassen erforscht, wie Pflanzen auf den Temperaturanstieg durch den Klimawandel reagieren.
In der kommunalen Baumschule werden klimaresiliente Baumarten erprobt. Das besondere hierbei ist die Entwicklung kommunaler Baumschulbestände aus stadteigenen Waldflächen. Gewässernah werden Gehölze wie Weiden für Renaturierungsmaßnahmen angebaut. Unter den Gehölzen wird Saatgut für Wiesen und Blühstreifen getestet und gewonnen. Zusammen mit den Testfeldern T2 bis T4 können zusätzlich unterschiedliche Standorte einbezogen werden.

Testfeld H4 Syntropischer Agroforst mit Klima-Erlebnis-Pfad – Für den Agroforst werden Baumreihen in geeigneten Abständen auf den Acker gepflanzt und mit Gemüse- oder Getreideanbau kombiniert. Darunter wird die Gras- und Krautnarbe zum Schutz der Böden erhalten. Eine Beweidung durch Hühner oder Kühe sorgt für natürliche Düngung der Flächen. Ausgehend von alten Kulturtechniken versprechen diese Kombinationen von Nutzungen viel für die Zukunft: sie steigern die Bodenfruchtbarkeit, helfen als Erosions- und Wasserschutz, sorgen für saubereres Grundwasser, speichern Kohlenstoff, mäßigen das Mikroklima und fördern Biodiversität. Auf dem Testfeld H4 kann in Kooperation mit den Landwirten die Entwicklung erprobt und mit einem konventionellen Feld verglichen werden.
Parallel wird am Jüchener Bach die Optimierung der Wasserwirtschaft auf landwirtschaftlichen Flächen erprobt, die durch platzsparende In-Stream-Maßnahmen und neue nachhaltige Drainagen erwirkt werden kann.

Testfeld T8 (H7) Neuer Dorfanger Wallrath mit Klima-Erlebnis-Pfad – Ein integrierender Planungs- und Entscheidungsprozess zur nachhaltigen Entwicklung von klimaangepassten Räumen wird am Beispiel des Testfeldes in Wallrath erprobt. Der historische Dorfanger geht in eine klimaangepasste Zukunft. Die Prozesse zur Planung, die Beteiligung der Akteure und Kooperationen mit Stakeholdern wie der Kommune, Anwohnenden, Gewerbebetrieben, Landwirten, der Wasserwirtschaft, dem Naturschutz und dem Tourismus sind wichtige Faktoren für den langfristigen Erfolg von Maßnahmen. Ergebnisse der Testphase eines Pilotprojektes können auf weitere Maßnahmen im Blau-Grünen Korridor angewandt werden. 
Als Ziel für den Neuen Dorfanger in Wallrath wird eine gemeinschaftlich nutzbare, multifunktionale Auenfläche vorgeschlagen, die die angrenzenden Weideflächen von Überschwemmungen entlastet und in trockenen Zeiten der Gemeinschaft als Treffpunkt dient.
 

Testfeld Urbaner Raum 5 – Kommunale Baumschule und Schulgarten Jüchen (Zeichnungen: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Testfeld Landschaft und Hydrologie T8 (H7) – Neuer Anger Wallrath (Zeichnungen: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Ist schon ein Rahmenplan in Arbeit? Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Dem Wettbewerb liegt das »Freiraumkonzept Strukturwandel im Rhein- Kreis Neuss« von 2023 zugrunde. Die Erarbeitung des konkreten Landschaftskonzepts für den Grünen Korridor Jüchen als Grundlage und Vision für die weitere Ausgestaltung ist Teil der Leistungen, die beauftragt werden sollen. Bei der Größe und Vielseitigkeit der Aufgaben und Akteure ist dies für uns eine sehr sinnvolle Herangehensweise. Wir freuen uns auf den Prozess, bei dem wir alle Beteiligten vor Ort kennenlernen und unsere Planung diskutieren möchten. Ziel ist eine integrative Zusammenarbeit und ein agiles Konzept für den Grünen Korridor, dass der Gemeinde nachhaltig durch die Entwicklung der Kulturlandschaft der Zukunft führt.
Die Zeitschiene wird Teil der Planung sein. Parallel zum Rahmenplan sollen erste Bausteine bereits ab 2025 umgesetzt werden.

Auwald Jüchen West (Visualisierung: JUCA / Landschaftsmanufaktur)
Grüner Korridor in Jüchen
Nicht offener Wettbewerb
 
Auslobung: Stadt Jüchen
Betreuung: ISR Innovative Stadt- und Raumplanung GmbH, Düsseldorf
 
Jury
Prof. Ulrike Beuter, Landschaftsarchitektin, Oberhausen (Vors.) | Prof. Heinz W. Hallmann, Landschaftsarchitekt, Aachen und Berlin | V.-Prof. Dr. Daniel Münderlein, Landschaftsarchitekt, Aachen und Kassel | Juliane Kopperschmidt, Landschaftsarchitektin, Dortmund | Jens Spanjer, Landschaftsarchitekt, Geschäftsführer der Stiftung Schloss Dyck, Jüchen | Harald Zillikens, Bürgermeister der Stadt Jüchen | Nicole Müller-Finke, Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung | Ralf Pritzke, Vorsitzender des Umwelt- und Verkehrsausschusses der Stadt Jüchen | Gerd Kuska, Vorsitzender des Ausschusses Tagebaufolgelandschaften der Stadt Jüchen
 
1. Preis
JUCA Landschaft und Architektur, Brücker Fickinger Partnerschaft mbB, Berlin | Judith Brücker
Landschaftsmanufaktur, Berlin | Katja Erke
Mitarbeit: Cristina Rodríguez García, Carolin Fickinger
Fachberatung Ökologische Gewässerentwicklung: Prof. Dr. Henning Günther
 
2. Preis
RMP Stephan Lenzen Landschaftsarchitekten, Bonn | Prof. Stephan Lenzen
Mitarbeit: Sahar Karimzadeh, Sabelo Jeebe,
Rafi Ahmad, Grit Koalick (Visualisierung)
 
3. Preis
Club L94 Landschaftsarchitekt*innen GmbH, Köln
Frank Flor, Jörg Homann, Götz Klose, Prof. Burkhard Wegener
Mitarbeit: Priyambada Das, Maxime Scagnetti, Yuanqi Zhou, Victoria Rütten, Thomas Hebeler

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