Harmonisch eingefügt

Wannenmacher + Möller
11. März 2020
Blick auf die Tiegelschule (Visualisierung: Wannenmacher + Möller)
Auf dem Grundstück der ehemaligen Tiegelschule im Essener Nordviertel nahe der der Universität Duisburg-Essen soll ein Grundschulneubau entwickelt werden. Welche Ausgangs-Situation haben Sie vorgefunden?

Die vorhandene Tiegelschule liegt inmitten eines dichten und intakten urbanen Umfeldes mit einer Blockrandbebauung aus direkt anschließenden mehrgeschossigen Wohngebäuden. Auf der Rückseite liegt der Schulhof eingebettet in einen Grünzug, der die Bebauung von der stark befahrenen angrenzenden Grillostraße abschirmt. Trotz dieser sehr intakten vorgefundenen Situation schlägt der Entwurf vor, die vorhandene Tiegelschule abzureißen und durch einen Neubau zu ersetzen. Diese Entscheidung haben wir uns nicht leicht gemacht, denn der Altbau besitzt durchaus architektonische Qualitäten. Es wurde jedoch schnell deutlich, dass sich das Raumprogramm nicht im vorhandenen Gebäude unterbringen ließ und der Bestandsbau auch nicht zu einem heutigen Ansprüchen genügenden Schulgebäude umgebaut werden konnte.

Lageplan (Zeichnung: Wannenmacher + Möller)
Wie kamen Sie zum vorgeschlagenen Baukörper?

Uns war es wichtig, dass sich der Neubau harmonisch in die vorhandene Häuserzeile einfügt. Zu diesem Zweck schließt er direkt an die Giebelwände der Nachbargebäude an, übernimmt deren Breiten und mit seinem Satteldach auch deren Dachform. So führt das neue Schulgebäude ganz selbstverständlich fort, was vorhanden ist. Auch der in der Mitte des Baukörpers vorgenommene Rücksprung aus der Flucht der Tiegelstraße findet seine Entsprechung im historischen Stadtgrundriss. Dabei entsteht ein kleiner Vorplatz, der dem neuen Schulgebäude ein großzügiges Entree verleiht und nicht zuletzt durch den Erhalt des hier stehenden Baumes eine hohe Aufenthaltsqualität aufweist. Durch die mittige, von Süden nach Norden vorgenommene Abstaffelung des Baukörpers wird die Belichtung der links und rechts angrenzenden Räume in den Obergeschossen gewährleistet.

Ansichten und Schnitte (Zeichnungen: Wannenmacher + Möller)
Wie organisieren Sie die neue Tiegelschule?

Mittelpunkt der Schule ist das zweigeschossige Forum. Von hier werden alle Nutzungsbereiche erschlossen. Das Forum durchläuft die Schule wie eine Passage und verbindet den Vorplatz im Süden mit dem Schulhof im Norden. Die Zugänge zur Schule erfolgen über zwei gegenüberliegende Eingangsbereiche an den jeweiligen Enden des Forums. Westlich und östlich angrenzend liegen Fach- und Gemeinschaftsräume sowie die Verwaltung.

Die Klassenräume, hier Lernateliers genannt, befinden sich in den beiden Obergeschossen. Jeweils 2 Lernateliers bilden zusammen mit einem Gruppen- und einem Mehrzweckraum, der vorrangig für die Aktivitäten des Ganztagsbetriebs, aber auch für Unterrichtszwecke genutzt werden kann sowie einer Teamstation, in der sich die Arbeitsplätze des Kollegiums befinden, ein sogenanntes Tandem. Innerhalb der 6 Tandems sind die Bereiche zwischen den einzelnen Räumen nicht bloße Verkehrsflächen sondern stehen für interaktives, selbstgesteuerte Lernen zur Verfügung. Im 1. Obergeschoss sind die Tandems um das zweigeschossige Forum herum gruppiert, im 2. Obergeschoss um einen oberhalb des Forums liegenden Dachgarten.

Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Wannenmacher + Möller)
Welche Innenraumqualitäten waren Ihnen wichtig?

Das neue Schulgebäude will sowohl das Bedürfnis der Schüler nach konzentriertem Lernen wie auch nach Kommunikation befriedigen. Für Letzteres bildet das Forum den geeigneten Raum. Es ist der zentrale Versammlungsort im Schulalltag der Schüler, ein Raum der Begegnung und der Kommunikation. Das Forum ist als Multifunktionsfläche gestaltet, in dem Möbel, ein Kiosk oder die offene Bibliothek verschiedene Nutzungsmöglichkeiten anbieten. Durch den Luftraum und zahlreiche Öffnungen in den flankierenden Wänden ergeben sich vielfältige Blickbeziehungen zwischen dem Forum und den Tandems. Große Glasflächen zum Vorplatz, zum Schulhof und im Dach lassen viel Tageslicht ins Innere des Gebäudes und sorgen für eine hohe Aufenthaltsqualität.

Innerhalb der Tandems ermöglichen verglaste Wände der Lernateliers und des Mehrzweckraums Sichtbeziehungen zu den gemeinsamen Erschließungszonen und fördern auch hier die Kommunikation. Rückzugsbereiche für konzentriertes und spezifisches Lernen werden innerhalb der Lernateliers angeboten. Durch ihre periphere Lage werden störende Einflüsse aus dem Forum vermieden. Große Fensteröffnungen garantieren helle und freundliche Räume.

Innenraum (Visualisierung: Wannenmacher + Möller)
Gibt es schon einen geplanten Fertigstellungstermin?

Das neue Schulgebäude soll Ende 2023 fertiggestellt sein. Momentan läuft das Verhandlungsverfahren, der Baubeginn ist für die zweite Jahreshälfte 2021vorgesehen.

Neubau der Tiegelschule in Essen
Nichtoffener Wettbewerb
 
Auslober/Bauherr: GVE Grundstücksverwaltung Stadt Essen GmbH, Essen
Betreuer: scheuvens + wachten plus planungsgesellschaft mbh, Dortmund
 
Jury
Martin Halfmann, Vors. | Frank Ahlbrecht | Rolf Fliß | Ronald Graf | Prof. Frank Hausmann | Simone Raskob | Friedhelm Terfrüchte | Wolfgang Zimmer | Thomas Sternagel | Dr. Wilhelm Stahl | Muchtar al Ghusain | Jens Gröne | Silvia Tuchel | Prof. Dr. Stefan Rumann | Stephanie Frevel

 
1. Preis
Architekt: Architekten Wannenmacher + Möller GmbH, Bielefeld, Münster
Landschaftsarchitekt: brandenfels landscape + environment, Münster, Osnabrück
TGA: solares bauen GmbH, Freiburg, Berlin, Strasbourg (FR)

2. Preis
Architekt: Kersten Kopp Architekten GmbH, Berlin
Landschaftsarchitekt: capattistaubach Landschaftsarchitekten, Berlin
TGA: Ingenieurbüro Mai, Berlin
 
3. Preis
Architekt: Lamott.Lamott Architekten PartGmbB, Stuttgart
Landschaftsarchitekt: De Buhl LA Landschaftsarchitektur, Sommerhausen
TGA: Neuplan Ingenieurbüro, Gießen
Tragwerksplaner: Schreiber Ingenieure - Planungen im Bauwesen, Stuttgart

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