Yusuf Bilyarta Mangunwijaya: Ein unbekanntes indonesisches Multitalent
Blick ins Innere der Kirche St. Maria Assumpta in Klaten. Sie war Y. B. Mangunwijayas erster Sakralbau. (Foto: Eduard Kögel)
Der Priester aus Yogyakarta studierte in Deutschland Architektur, um die gotischen Kirchenbauten der Kolonialzeit zu ersetzen. Doch aus Europa heimgekehrt, gestaltete er auch Wohnhäuser, Hochschulbauten und sogar ein Museum.
Der indonesische Bischof von Semarang eröffnete Yusuf Bilyarta Mangunwijaya (1929–1999) nach der Ordination 1959 in Yogyakarta seinen Plan: Der junge Priester sollte moderne Architektur in Deutschland studieren, um die von den niederländischen Kolonialherren etablierte gotische Kirchenarchitektur zu überwinden. Zur Vorbereitung ging er kurz an die einzige indonesische Hochschule in Bandung, von dort machte er sich auf nach Aachen, wo er an der RWTH bis 1966 studierte.
Im Aachener und Kölner Raum waren bis Mitte der 1960er-Jahre bedeutende katholische Kirchen entstanden, die Rudolf Schwarz, Dominikus Böhm, Hans Schwippert oder Rudolf Steinbach gestaltet hatten. Ihre Ausstattungen stammten oft von Anton Wendling. Schwippert, Steinbach und Wendling zählten zu den Professoren, bei denen Mangunwijaya studierte. Daneben waren der Dombaumeister Willy Weyres und der Kunsthistoriker Wolfgang Braunfels wichtig, die auf Exkursionen historische Kirchenmonumente besuchten. Stadtplanung unterrichtete Erich Kühn, dessen Assistent Liborius Schelhasse 1963 das Seminar »Planen und Bauen in warmen Klimazonen« etablierte. Später erinnerte sich Mangunwijaya daran so: »Liborius Schelhasse hat es geschafft, mir die Augen für die wahren Probleme der Architektur in Entwicklungsländern zu öffnen.« Als Vorbild einflussreich war für ihn auch Le Corbusier, dessen 1955 fertiggestellte Kapelle Notre-Dame-du-Haut in Ronchamp er später in seinen Publikationen erwähnte. Das Diplom bestand der Priester mit sehr gut.
Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Yogyakarta auf Java war sein Bischof bereits verstorben, und dessen Nachfolger hatte keine Pläne für große Kathedralen. Sein Betätigungsfeld fand Mangunwijaya in der Stadt und in kleineren Orten der Region, wo er von den späten 1960er- bis Mitte der 1990er-Jahre hauptsächlich aktiv war. Sein (unvollständiges) Werkverzeichnis umfasst circa 80 Entwürfe – die jedoch nicht alle gebaut wurden. Etwa die Hälfte der Projekte waren Kirchen, kirchliche Seminare oder Klöster, dazu kamen Bildungs- und Wohnbauten, Sanierungen und ein Museum.
Seitenfassade der Kirche St. Maria Assumpta (Foto: Eduard Kögel)
Die erste KircheDie erste in Mangunwijayas Werkverzeichnis aufgeführte Kirche ist St. Maria Assumpta in Klaten, ungefähr 40 Kilometer westlich von Yogyakarta. Bereits bei diesem Bau entwickelte er Ideen, die er später immer wieder variierte. Der Kirchenraum ist nicht durch geschlossene Wände geprägt, sondern kann im Erdgeschoss mit Holzpaneelen aufgefaltet werden. Konstruktiv verwendete der Architekt zwei in drei Elemente aufgelöste pyramidal angeordnete Stahlbetonstützen, die den auskragenden First des gefalteten Daches tragen. Darunter ordnet sich die Ausrichtung des Kirchenraums gegen die Firstrichtung. Die ebenfalls gefaltete Außenwand über einem Querträger ist mit unregelmäßigen Öffnungen durchbrochen, die mit abstrakten, von außen hellblauen Lebensbaumreliefs gefasst sind.
Im Innenraum sind ähnliche Reliefs in Schwarz eingefärbt. Der große stützenfreie Raum ist von einer Holzdecke überspannt, die einen Belichtungs- und Belüftungsschlitz zur Seitenwand frei lässt. Die wenigen vorhandenen Stützen am Rand des Raumes sind teils reich dekoriert und in Handarbeit hergestellt. Mangunwijaya unterstützte die lokale Ökonomie, indem er das Geld lieber für die Arbeiter ausgab als für das Material. Daneben schuf er mit seinen Projekten auch Qualifizierungsprogramme, die den Handwerkern ermöglichten, besondere Fähigkeiten zu erlernen. Die Schalung der Stahlbetonbauteile wurde mit Bambus individuell hergestellt. Nach dem Motto »keine Reste« verwendete er den Bauholzabfall für den Altar, und aus Metallresten entstand die Dekoration der Fenstergitter. Mit der 1968 fertiggestellten Kirche, die bis heute in einem guten Zustand ist, baute der Architekt ein Raummodel, das dem Klima und dem Lebensgefühl der Einheimischen entspricht und das im scharfen Kontrast steht zum gotischen Schachtelraum der Missionskirchen.
Eine Kapelle des Marienheiligtums von Sendangsono (Foto: Eduard Kögel)
Andere BauaufgabenAb Anfang der 1970er-Jahre baute Mangunwijaya für zwei Dekaden im kleinen Bergdorf Sendangsono an einem Marienheiligtum. Ohne vorher einen genauen Plan entwickelt zu haben, konzipierte er zusammen mit den Handwerkern über die Jahre viele kleine Pavillons und Kapellen. Ebenfalls in den 1970er-Jahren entstand das Jugendzentrum Wisma Salam, dessen Kirche inzwischen allerdings abgerissen wurde. Für die Gadjah-Mada-Universität (UGM), an der er lehrte, entwarf Mangunwijaya eine Bibliothek, deren schweres Betonvolumen in brutalistischer Manier über einem transparenten Erdgeschoss »schwebt«. Mitte der 1980er-Jahre realisierte der Architekt das Kulturzentrum Bentara Budaya in Jakarta. An allen diesen Bauten werden immer wieder Ideen variiert, die er bereits in seinen ersten Werken entwickelt hatte.
Das Jugendzentrum Wisma Salam (Foto: Eduard Kögel)
Bibliothek der Gadjah-Mada-Universität in Yogyakarta (Foto: Eduard Kögel)
Theoretiker, Aktivist, SchriftstellerNach der Rückkehr unterrichtete Mangunwijaya ab 1969 über zehn Jahre an der UGM in Yogyakarta in der Abteilung für Architektur. Dort schrieb er ein Buch zur Bauphysik, das die Studierenden bis heute verwenden. Wichtiger allerdings wurde sein in vielen Auflagen publiziertes philosophisches Lehrbuch »Wastu Citra«, das er mit über 1000 Abbildungen illustrierte und in dem er eine zeitgenössische Architektur mit Bezug zum Ort einfordert. Daneben verfasste er erfolgreich politische Essays, Schriften zu religiösen Fragen und Romane, für die er international Auszeichnungen erhielt.
Als Aktivist unterstützte Mangunwijaya in den 1980er-Jahren die Bewohner eines Slums am Kali-Code-Fluss in Yogyakarta, wofür er zeitweise sogar in den Hungerstreik trat. Für dieses Projekt erhielt er 1992 den Aga Khan Award. Für sein soziales, ökologisches und ästhetisches Engagement zeichnete ihn 1995 in Schweden die Ruth und Ralph Erskine Nordic Foundation aus. In seiner Dankesrede sagte er: »Architekt ist ein faszinierender Beruf. Er trägt die Berufung in sich, eine bessere und menschlichere Welt mitzugestalten und ihr zu dienen.«
Jakartas Kulturzentrum Bentara Budaya (Foto: Eduard Kögel)
Noch bis zum 18. Dezember ist an der TU Berlin die Ausstellung »Dipl.-Ing. Arsitek« zu sehen, in der neben den Arbeiten sieben weiterer Architekten auch das Werk von Y. B. Mangunwijaya gezeigt wird. Teil der Schau sind auch Projekte von Jan Beng Oei und Herianto Sulindro.