Neue Brache in Berlin?

Katinka Corts | 17. Dezember 2024
Die meisten der bunten Sitze wurden inzwischen demontiert und verschenkt. (Foto: Traktorminze via Wikimedia Commons, CC BY-SA 4.0)

Dem großen Stadion im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark in Berlin geht es an den Kragen: Der Abriss der Anlage mitsamt der 1987 fertiggestellten, von Fišarová und Ondřej entworfenen Haupttribüne war 2014 diskutiert und später beschlossen worden. Das Land Berlin plant auf dem Gelände ein inklusives, modernes Stadion mit höherer Kapazität und zusätzlichen Sportanlagen sowie einem Begegnungszentrum.

Dennoch hielt sich der Widerstand gegen das Vorhaben lange. Eine Gruppe von Architektinnen und Kulturhistorikern, die das Jahn-Stadion als wichtiges Denkmal der Ostmoderne ansehen, versuchte kürzlich noch einmal, mit einer Petition ein Umdenken zu erreichen. Sie scheiterte – und im Oktober begann der Rückbau. Doch die Arbeiten stoppten bald wieder: Das Berliner Verwaltungsgericht hatte dem Eilantrag eines Naturschutzvereins stattgegeben, der sich auf den Verlust der vielen Brutstätten für den Haussperling berief. Das Gericht bezweifelte, dass die errichteten Sperlingshäuser den Verlust von 94 Brutplätzen ausgleichen können. Bis Ende Februar bleiben dementsprechend einzelne Tribünen- und Sanitärgebäude sowie zwei Trafohäuser stehen. 

Vorige Woche hatte die Fraktion Pankow der Grünen in einer Mitteilung gefordert, die ungenutzte Innenfläche des Stadions öffentlich zugänglich zu machen und für Zwischennutzungen freizugeben. Ähnlich wie einst beim Palast der Republik, in dem kurz vor seinem Abbruch noch zahlreiche Kunstaktivitäten stattfanden, könnte die Öffnung des Stadions zumindest auf Zeit eine dringend benötigte multifunktionale Fläche in Pankow bieten. »Es ist tragisch für alle Berliner*innen, die damit leben müssen, dass der Innenbereich des Jahn-Stadions wahrscheinlich auch im nächsten Jahr verschlossen bleiben soll«, schreibt Axel Lüssow, der als Bezirksverordneter den Antrag angestoßen hat. »Statt das Stadion zum Lost Place verkommen zu lassen, könnte der Senat es für Sport, Kultur, Kunst und Freizeit öffnen – die wachsende Stadt braucht Flexibilität und Pragmatismus.«

Doch Franziska Becker (SPD), Berlins Staatssekretärin für Sport, hat laut Medienberichten eine Zwischennutzung bereits ausgeschlossen. Die Infrastruktur sei nicht mehr nutzbar und eine Reaktivierung des Stadions finanziell nicht leistbar. So geht der Abriss weiter, und die Anlage hat bereits einen wichtigen Teil ihres Charakters verloren: Die Senatsverwaltung für Inneres und Sport hatte die Bevölkerung informiert, dass die rund 16'000 ikonischen bunten Plastik-Sitzschalen aus dem Stadion verschenkt werden. Dieser Aufruf lockte so viele Menschen an, dass die ausgefressenen Reihen nun ein trauriges Bild abgeben und eher ein weiteres Argument für den Rückbau liefern. Auch die Spatzen werden das Stadion wohl nicht mehr retten können. Die weiterhin angespannte Haushaltslage Berlins ist wahrscheinlich eher ein Faktor, wenn es darum geht, wie lange das alte Stadion noch stehen bleibt und wann der von der Stadt ersehnte Neubau fertiggestellt wird.

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