Kleine Eingriffe aktivieren Vorhandenes
Wie in vielen deutschen Universitätsstädten fehlen in Aachen Wohnungen, die sich Studentinnen und Studenten leisten können. Durch Umbauten, neue Häuser und Erweiterungen soll darum in der Innenstadt eine neue Wohnanlage entstehen. Beim Landeswettbewerb wurden zukunftsweisende Entwürfe eingereicht.
Aachen gehört zu Deutschlands traditionsreichen Universitätsstädten: 1870 wurde die Königlich Rheinisch-Westphälische Polytechnische Schule eröffnet, die heutige RWTH. Doch zurzeit verdirbt der Mangel an erschwinglichen Wohnungen vielen jungen Leuten die Lust, in Aachen zu studieren. Das Studierendenwerk Aachen will Abhilfe schaffen: Auf mehreren Grundstücken in der Innenstadt, auf denen auch nicht mehr genutzte Institutsgebäude stehen, soll eine neue Wohnanlage für Studierende gebaut werden. Im Frühjahr vorigen Jahres wurde beschlossen, das große Bauvorhaben zum Gegenstand des Landeswettbewerbs zu machen: In Nordrhein-Westfalen werden regelmäßig Landeswettbewerbe durchgeführt, um innovative Architekturideen zu entwickeln, die sich auf andere Projekte übertragen lassen. Auslobende waren bei der Edition 2024 das Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, das Studierendenwerk Aachen, die Stadt sowie die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.
Am Wettbewerb nahmen 24 internationale Zweierteams aus je einem Architekturbüro und einem Landschaftsplanungsbüro teil. Sie bearbeiteten ein insgesamt rund 5700 Quadratmeter großes Plangebiet, das mehrere Grundstücke umfasst. Dazu gehört unter anderem eine über 1300 Quadratmeter messende Parzelle an der Rochusstraße, die dem Studierendenwerk von der Stadt in Erbpacht zur Verfügung gestellt wird. Hinzu kommt das Gelände mit dem bestehenden Wohnheim Seilgraben, das rund 150 Meter weiter südöstlich liegt. Durch Umbauten, neue Häuser und Erweiterungen sollten die Architektinnen und Architekten eine Anlage mit 120 neuen Studios und Gemeinschaftswohnungen gestalten.
Ausdrückliche Vorgabe war, bei dem Nachverdichtungsprojekt »einfach« zu bauen. Das bedeutet, die neue Anlage soll in Erstellung, Betrieb und Unterhalt außergewöhnlich wirtschaftlich sein: Pro Wohnheimplatz sind maximal 90'000 Euro Gesamtbaukosten vorgesehen. Vor allem aber ist das Ziel, durch eine ausgeklügelte Bauform, eine umweltbewusste Materialwahl, einen geringen haustechnischen Aufwand und die Nutzung grüner Energiequellen für eine besonders gute Ökobilanz sorgen.
Am besten lösten die Aufgabe aus Sicht der Fachjury die Kölner Büros Aretz Dürr Architektur BDA und Lill + Sparla Landschaftsarchitekten. Das Gestalterteam möchte im Wesentlichen nutzen, was ohnehin schon vorhanden ist: Die bestehenden Häuser sollen lediglich teils aufgestockt und mit neuen Erschließungsstrukturen ergänzt werden. Außerdem werden Gemeinschaftsräume und Loggien die Wohnqualität erhöhen und die Studierenden zusammenbringen. »Eigentlich ist doch schon alles da«, begründet das Entwurfsteam sein Vorgehen, »ein grüner, innerstädtischer Garten in gewachsener blockrandbebauter Umgebung, zwei angrenzende Bestandsgebäude mit – einmal freigelegt – Regal-ähnlicher Gebäudestruktur und ein gemeinsames Nutzungskonzept als zusammenhängendes Wohnquartier.« Die Gestalter wollen mit möglichst kleinen Eingriffen einen »robusten Raum für Austausch, Begegnung und Teilhabe« schaffen und eine Nachbarschaft entstehen lassen. Statt eines hohen technischen Aufwands bei Haustechnik und Gebäudeausstattung setzen sie konsequent auf Lowtech.
Sebastian Böstel, der Geschäftsführer des Studierendenwerks Aachen, freut sich über die Wettbewerbsentwürfe und ist überzeugt, das neue Wohnheim in der Rochusstraße werde einen bedeutenden Mehrwert sowohl für die Stadt als auch für den Hochschulstandort Aachen bieten. Und Ernst Uhing, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, sagt: »Der Landeswettbewerb Aachen hat beispielhafte Lösungen erarbeitet für eine große Herausforderung, vor der viele unserer Universitätsstädte aktuell stehen, nämlich in ausreichender Quantität und guter Qualität kostengünstigen Wohnraum für Studentinnen und Studenten anzubieten. Zugleich zeigen die Wettbewerbsbeiträge, wie innerstädtische Nachverdichtung sowie ein ressourcenschonendes, einfaches und nachhaltiges Planen und Bauen aussehen können.«
und SIMA | BREER aus Winterthur. (Visualisierung: © BHSF Architekten,
SIMA | BREER Landschaftarchitektur)
studio grüngrau aus Düsseldorf. (Visualisierung: © Konrath-Tebartz und Wennemar Architekten, studio grüngrau)