Kleine Eingriffe aktivieren Vorhandenes

Manuel Pestalozzi | 27. Februar 2025
Das Siegerprojekt ergänzt ein umgenutztes Institutsgebäude mit zwei neuen Treppenaufgängen, die in den gemeinschaftlichen Hof des vorhandenen Blockrands gestellt werden. (Visualisierung: © Aretz Dürr Architektur BDA, Lill + Sparla Landschaftsarchitekten)

Aachen gehört zu Deutschlands traditionsreichen Universitätsstädten: 1870 wurde die Königlich Rheinisch-Westphälische Polytechnische Schule eröffnet, die heutige RWTH. Doch zurzeit verdirbt der Mangel an erschwinglichen Wohnungen vielen jungen Leuten die Lust, in Aachen zu studieren. Das Studierendenwerk Aachen will Abhilfe schaffen: Auf mehreren Grundstücken in der Innenstadt, auf denen auch nicht mehr genutzte Institutsgebäude stehen, soll eine neue Wohnanlage für Studierende gebaut werden. Im Frühjahr vorigen Jahres wurde beschlossen, das große Bauvorhaben zum Gegenstand des Landeswettbewerbs zu machen: In Nordrhein-Westfalen werden regelmäßig Landeswettbewerbe durchgeführt, um innovative Architekturideen zu entwickeln, die sich auf andere Projekte übertragen lassen. Auslobende waren bei der Edition 2024 das Landesministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung, das Studierendenwerk Aachen, die Stadt sowie die Architektenkammer Nordrhein-Westfalen.

Am Wettbewerb nahmen 24 internationale Zweierteams aus je einem Architekturbüro und einem Landschaftsplanungsbüro teil. Sie bearbeiteten ein insgesamt rund 5700 Quadratmeter großes Plangebiet, das mehrere Grundstücke umfasst. Dazu gehört unter anderem eine über 1300 Quadratmeter messende Parzelle an der Rochusstraße, die dem Studierendenwerk von der Stadt in Erbpacht zur Verfügung gestellt wird. Hinzu kommt das Gelände mit dem bestehenden Wohnheim Seilgraben, das rund 150 Meter weiter südöstlich liegt. Durch Umbauten, neue Häuser und Erweiterungen sollten die Architektinnen und Architekten eine Anlage mit 120 neuen Studios und Gemeinschaftswohnungen gestalten. 

Ausdrückliche Vorgabe war, bei dem Nachverdichtungsprojekt »einfach« zu bauen. Das bedeutet, die neue Anlage soll in Erstellung, Betrieb und Unterhalt außergewöhnlich wirtschaftlich sein: Pro Wohnheimplatz sind maximal 90'000 Euro Gesamtbaukosten vorgesehen. Vor allem aber ist das Ziel, durch eine ausgeklügelte Bauform, eine umweltbewusste Materialwahl, einen geringen haustechnischen Aufwand und die Nutzung grüner Energiequellen für eine besonders gute Ökobilanz sorgen.

Durch die Aufstockung um ein Geschoss soll der Bestand die Traufhöhe des Nachbarhauses aus der Gründerzeit erreichen. (Visualisierung: © Aretz Dürr Architektur BDA, Lill + Sparla Landschaftsarchitekten)

Am besten lösten die Aufgabe aus Sicht der Fachjury die Kölner Büros Aretz Dürr Architektur BDA und Lill + Sparla Landschaftsarchitekten. Das Gestalterteam möchte im Wesentlichen nutzen, was ohnehin schon vorhanden ist: Die bestehenden Häuser sollen lediglich teils aufgestockt und mit neuen Erschließungsstrukturen ergänzt werden. Außerdem werden Gemeinschaftsräume und Loggien die Wohnqualität erhöhen und die Studierenden zusammenbringen. »Eigentlich ist doch schon alles da«, begründet das Entwurfsteam sein Vorgehen, »ein grüner, innerstädtischer Garten in gewachsener blockrandbebauter Umgebung, zwei angrenzende Bestandsgebäude mit – einmal freigelegt – Regal-ähnlicher Gebäudestruktur und ein gemeinsames Nutzungskonzept als zusammenhängendes Wohnquartier.« Die Gestalter wollen mit möglichst kleinen Eingriffen einen »robusten Raum für Austausch, Begegnung und Teilhabe« schaffen und eine Nachbarschaft entstehen lassen. Statt eines hohen technischen Aufwands bei Haustechnik und Gebäudeausstattung setzen sie konsequent auf Lowtech. 

Sebastian Böstel, der Geschäftsführer des Studierendenwerks Aachen, freut sich über die Wettbewerbsentwürfe und ist überzeugt, das neue Wohnheim in der Rochusstraße werde einen bedeutenden Mehrwert sowohl für die Stadt als auch für den Hochschulstandort Aachen bieten. Und Ernst Uhing, der Präsident der Architektenkammer Nordrhein-Westfalen, sagt: »Der Landeswettbewerb Aachen hat beispielhafte Lösungen erarbeitet für eine große Herausforderung, vor der viele unserer Universitätsstädte aktuell stehen, nämlich in ausreichender Quantität und guter Qualität kostengünstigen Wohnraum für Studentinnen und Studenten anzubieten. Zugleich zeigen die Wettbewerbsbeiträge, wie innerstädtische Nachverdichtung sowie ein ressourcenschonendes, einfaches und nachhaltiges Planen und Bauen aussehen können.«

Der zweite Preis ging an ein Schweizer Team, nämlich die Büros BHSF Architekten aus Zürich 
und SIMA | BREER aus Winterthur. (Visualisierung: © BHSF Architekten,
SIMA | BREER Landschaftarchitektur)
Auf dem dritten Rang landeten die Büros Konrath-Tebartz und Wennemar Architekten und
studio grüngrau aus Düsseldorf. (Visualisierung: © Konrath-Tebartz und Wennemar Architekten, studio grüngrau)
Eine Anerkennung erhielten das Berliner Büro SMAQ Architektur und Stadt und nsp Landschaftsarchitekten Stadtplaner aus Hannover. (Visualisierung: © SMAQ Architektur und Stadt, nsp Landschaftsarchitekten Stadtplaner)
So stellen sich kister scheithauer gross architekten und stadtplaner aus Köln und Rehwaldt Landschaftsarchitekten aus Dresden den Hof der neuen Anlage vor. Auch sie erhielten eine Anerkennung. (Visualisierung: © kister scheithauer gross architekten und stadtplaner, Rehwaldt Landschaftsarchitekten)
 
Eine dritte Anerkennung ging an die bayerischen Büros 2R Architekten und Stadtplaner und raum + zeit Landschaftsarchitektur Stadtplanung Tobias Nowak und Yvonne Hammes. (Visualisierung: © 2R Architekten und Stadtplaner, raum + zeit Landschaftsarchitektur Stadtplanung Tobias Nowak und Yvonne Hammes)
 

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