Entscheidung über DDR-Bauerbe in Potsdam

Hotel Mercure soll abgerissen werden

Oliver Pohlisch
5. März 2016
Potsdams Hafenbecken mit Ringerkolonnade und Hotel Mercure, Foto: Karstenknuth in der Wikipedia auf Deutsch, via Wikimedia Commons

Am Mittwoch stimmten nach heftiger Debatte 33 MandatsträgerInnen für einen Beschluss, der im Kern neue Sanierungsziele für den Lustgarten vorsieht. Auf dem jetzigen Standort des ehemaligen DDR-Interhotels soll in Zukunft eine «Wiese des Volkes» angelegt werden. Mit diesem Beschluss können künftige Modernisierungen oder Veränderungen des 60 Meter hohen Gebäudes verhindert werden.

Damit hat die Stadt nun den Auftrag, in Verhandlungen mit den Eigentümern des Hotels zu treten - mit der Absicht, die Immobilie zu erwerben und dann abzureißen. Das Vorhaben steht aber ausdrücklich unter einem Finanzierungsvorbehalt. Spätestens im Juli soll ein entsprechendes Konzept vorliegen.

Hinter der Entschließung stehen die Rathauskooperation aus SPD, CDU/ANW und Grünen, das Bürgerbündnis/FDP und die AfD. Die 17 Gegenstimmen stammen von der Fraktion Die Andere und den Abgeordneten der Linkspartei. André Tomczak von der Initiative «Potdamer Mitte neu denken» kritisierte laut der Tageszeitung Potsdamer Neueste Nachrichten in der Debatte die Lustgarten-Pläne scharf. Mit der Rasenfläche würde die «teuerste Wiese der Nation» und ein heißer Kandidat für das Schwarzbuch der Steuerzahler entstehen.

Keine Chance für Bürgerbefragung
Vergeblich warb die Linkspartei für eine Bürgerbefragung über die Zukunft des Plattenbaus. Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg überreichte SPD-Oberbürgermeister Jann Jakobs eine Liste mit mehr als 3500 Unterschriften von Potsdamern, die sich gegen den Abbruch des Hotel Mercure aussprechen. Er erinnerte daran, dass der Lustgarten schon zur Bundesgartenschau 2001 für mehr als 13 Millionen Euro umgestaltet worden war. «Es gibt im Land kein Verständnis für das großzügige Agieren der Landeshauptstadt, das Hotel für Millionen zu kaufen und abzureißen», fügte Scharfenberg hinzu.

CDU-Fraktionschef Matthias Finken sagte dagegen, dass schon mit dem 1990 gefassten Beschluss zur Wiederannäherung an den historischen Stadtgrundriss klar gewesen sei, «das manche Gebäude nicht stehen bleiben werden». Die von der Opposition kritisierte Schnelligkeit, mit der der Beschluss vom Mittwoch gefasst werden musste, begründete die Stadtverwaltung mit einem jüngst stattgefundenen Wechsel des Hoteleigentümers. Aufgrund des «baulichen Zustands und der wirtschaftlichen Auslastung des Hotels» erwarte man in Kürze Entscheidungen zu dem Standort. Ohne konkrete Sanierungsziele für den Lustgarten, hätte die Stadt keine Chance in die Planungen der Eigentümer einzugreifen. Der Eigentümer selbst hat sich zu seinen Plänen bisher nicht geäußert. Bürgermeister Jakobs warf deshalb der Linkspartei vor, die Hände in den Schoß zu legen und zu warten, «was ein Finanzkonzern uns vorschlägt». Das sei nicht gerade eine linke Politik, so Jakobs.

Umstrittenes Wettbewerbsverfahren
Jakobs merkte zudem an, dass es im städtebaulichen Wettbewerb keinen einzigen Vorschlag gegeben habe, das Hotel zu erhalten. Im Sommer 2015 fand ein Werkstattverfahren mit sieben Planungsteams aus Stadtplanern, Landschaftsarchitekten und Architekten statt. Das Gutachtergremium hatte sich schließlich auf die Entwürfe der Büros Machleidt und Loidl sowie WES als Grundlage für einen Lustgarten-Masterplan festgelegt. Die Anlage soll demnach zu einem viel belebteren «Bürgerpark» mit deutlich mehr Grünanteil und Freizeitangeboten aber auch mit neuen gastronomischen Einrichtungen entwickelt werden. Der Hafen für die Ausflugsschiffe der Weissen Flotte soll erhalten bleiben.

Herzstück der Planungen ist aber ein Rasenparterre zum Sonnen, Entspannen, Spielen und Demonstrieren anstelle des Hotel Mercure. Mit dem Abbruch wäre die einstige Sichtachse zwischen Schloss und dem Neptunbassin im Lustgarten wiederhergestellt. Das Wettbewerbsverfahren wurde allerdings dahingehend kritisiert, dass schon in seiner Aufgabenstellung der Wegfall des Hochhauses suggeriert worden sei. Zudem hätte gar keine echte Bürgerbeteiligung stattgefunden.

Der Direktor des Hotel Mercure, Marco Weslowski, sieht sein Haus noch nicht vor dem Aus. «Es gibt noch keine Abrisspläne», sagte er am Freitag gegenüber rbb Online. «De facto ist die Hotel-Mercure-Immobilie in Privatbesitz. Wenn der Eigentümer keine Verkaufsabsichten hat, wird das schwierig», so Weslowski weiter. Gegenüber den Potsdamer Neuesten Nachrichten äußerte Wesolowski, dass auch juristische Schritte gegen den Beschluss des Stadtparlaments in Erwägung gezogen würden. Dieser belaste den Standort, allein beim Versuch neue Auszubildende und Mitarbeiter zu gewinnen.

Das Interhotel im Bau, historische Aufnahme vom Mai 1968, Foto: Bundesarchiv, Bild 183-G0505-0003-001 / Schulze / CC-BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons

Eigentümerin des Hotel Mercure ist die BRE/GH II Berlin III Investor GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Die Stadt spricht von einem Konsortium nordamerikanischer Finanzinvestoren, denen das Hotel tatsächlich gehöre. GmbH-Geschäftsführer Anders Braks ließ im Stadtparlament eine Stellungnahme vorlesen. Darin heißt es: «Der Versuch, den Hotelbetrieb mit Hilfe der Konkretisierung der Sanierungsziele zu schwächen und damit den Wert der Immobilie zu senken, bildet lediglich den vorläufigen Höhepunkt einer jahrelangen Kampagne gegen das Hotel und seinen Standort. Und wir sind uns sicher – auch dieser Versuch wird scheitern.»

In der Stellungnahme kritisiert Braks weiter, dass «die Einmischung in ein erfolgreiches Unternehmen und die bewusste Gefährdung von 55 Arbeitsplätzen beispiellos, unverantwortlich und äußerst fragwürdig» seien. Das Hotel werde weiter alles tun, «um seinen Gästen einen angenehmen Aufenthalt» zu ermöglichen. Marco Wesolowski sagte, das Hotel habe eine Auslastung von mehr als 60 Prozent.

Weslowski merkte an, dass man sich im Mercure freue, dass es nach all den Jahren «rufschädigender medialer Ausschlachtung» endlich auch zu einem Kontakt zwischen Eigentümer und der Stadt kommen soll. Die Kommune und ihr Sanierungsträger wollen erst nach Gesprächen mit der BRE/GH II Berlin III Investor GmbH genaue Angaben zu den finanziellen Mitteln machen, die für den Kauf und den Abriss des Hotels aufgebracht werden müssten. Bisher war von bis zu 15 Millionen Euro die Rede. Die Stadt hofft, dass der Preis noch gedrückt werden könnte, indem verbindliche Restlaufzeiten vereinbart werden. Der Sanierungsträger schließt auch nicht aus, den Eignern ein Ersatzgrundstück für ein neues Hotel anzubieten. Diese hatten das aber bisher abgelehnt.

«Verachtung gegenüber den DDR-Plattenbauten»
Das Hochhaus war 1969 errichtet worden, der damalige DDR-Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht hatte den Bau persönlich in Auftrag gegeben. Nach dem Fall der Mauer wurde mehrfach über einen Abriss diskutiert. So wollte 2012 der Software-Milliardär Hasso Plattner das Hotel durch eine Kunsthalle für seine eigene Sammlung ersetzen. Dieser Plan scheiterte, die Sammlung wird nun im rekonstruierten Barberini-Palast am Alten Markt untergebracht. Immer wieder hatten sich jedoch auch die Betreiber des Hotels, die Arcor-Gruppe, zu Wort gemeldet und ein Ende der für sie geschäftsschädigenden Abriss-Diskussionen gefordert.

Erst im Januar sprach sich auch Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) für den Erhalt des Gebäudes aus. Bei den Abrissplänen schwinge eine «Verachtung gegenüber den DDR-Plattenbauten» mit, sagte er.

Die Streit um das Hotel Mercure ist nur ein Mosaikstein in der fast schon episch zu nennenden Auseinandersetzung innerhalb der Potsdamer Stadtgesellschaft über die Rekonstruktion des historischen Stadtkerns. Zugespitzt formuliert, stehen hier die Anhänger eines neupreußischen Arkadiens den Verteidigern der letzten Zeugnisse der realsozialistischen Moderne gegenüber. Dass es dabei nicht einfach nur um Architektur, sondern auch um Geisteshaltungen geht, zeigen die Pläne zum Wiederaufbau der Garnisonskirche, über die wir 2014 berichtet hatten.

Blick von der Galerie der Nikolaikirche auf das rekonstruierte Stadtschloss und das Hotel Mercure, Foto: A. Savin, via Wikimedia Commons

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