Fundgrube für die Bauforschung der frühen Moderne

Falk Jaeger
23. Mai 2023
Foto: Akademie der Künste, Berlin, Brenne-Materialprobenarchiv

Helge Pitz und Winfried Brenne waren die Ersten. Was bei der Restaurierung von Kunst und Architektur früherer Jahrhunderte bereits Usus war, Materialforschung mit physikalischen und chemischen Methoden an Originalproben, übertrugen sie auf die Baudenkmale der frühen Moderne. Als die Architekturwerkstatt Pitz-Brenne ab 1979 mit der Sanierung der Berliner Siedlungen von Bruno Taut befasst waren, sammelten sie im Verlauf der vorbereitenden Bestandserhebung originale Materialproben vor allem von Putzen, Anstrichen, Wandaufbauten, aber auch Holzproben sowie Metallbauteile und deren Beschichtungen. Was anfangs als Hilfe gedacht war, um die originalen Erscheinungsbilder einzelner Häuser der vielfarbigen Architektur Bruno Tauts rekonstruieren zu können, wuchs sich zu einem Materialprobenarchiv der Moderne aus. 

Denn Winfried Brenne, der 1980 das Büro Brenne Architekten gegründet hatte, entwickelte sich in der Folge zum führenden Spezialisten für die Sanierung der Bauten jener Epoche. Ob Bauhaus und Meisterbauten in Dessau, ob Bundesschule in Bernau oder die Weltkulturerbesiedlungen in Berlin, Brenne besorgte die behutsame und fachkundige Sanierung auf höchsten Denkmalpflegeniveau. Sein Rat ist gefragt, bis hin zur „Weißen Stadt“ in Tel Aviv. Und überall sammelte er Originalproben, 12.000 mittlerweile, sorgfältig verzeichnet und für die Erforschung der Farbzusammensetzungen, der Mörtelmischungen und Sieblinien bereit.

Foto: Akademie der Künste, Berlin, Brenne-Materialprobenarchiv

Was lag näher, als dieses Archiv über das jeweilige Einzelobjekt hinaus für die vergleichende Forschung zu öffnen? Und was lag näher, als das Archiv an jene Institution zu geben, die bereits die Planarchive und Nachlässe vieler Protagonisten jener Zeit bewahrt? Wer über Taut, Scharoun oder Häring forschen möchte, begibt sich in die Sammlung Baukunst der Akademie der Künste in Berlin. Nun gibt es dort also nicht nur die „Software“, die Ideengeschichte zu finden, sondern auch „Hardware“, Proben von realisierten Bauten aus den 1920er- bis 1930er-Jahren und beides kann im Zusammenhang erforscht werden.

Geholfen hat die Wüstenrot Stiftung mit einem Fellowship. Die Restauratorin Jana Hainbach übernahm die Aufgabe, das Archiv restauratorisch und konservatorisch zu sichern, fotografisch zu dokumentieren und fachgerecht zu verpacken, sowie neu zu inventarisieren bzw. in die Datenbank der Akademie einzupflegen. Die Sammlung ist für Bauforschung und Denkmalpflege online virtuell zugänglich. Und natürlich analog vor Ort für die Materialforschung an der Originalsubstanz.
Die Systematik des Materialarchivs und der Datenbank ist aufgebaut, und so steht einer Ausweitung der Sammlung um Relikte weiterer Bauwerke des 20. Jahrhunderts nichts im Weg.

Foto: Akademie der Künste, Berlin, Brenne-Materialprobenarchiv

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