Florian Nagler erhält diesjährigen Semperpreis

Manuel Pestalozzi
8. November 2022
Der 1967 geborene Florian Nagler ist seit 2010 Professor für Entwerfen und Konstruieren an der TU München. (Foto: © Johanna Nagler)

Mit der nach dem Architekten Gottfried Semper (1803–1879) benannten Auszeichnung ehrt die Sächsische Akademie der Künste in Deutschland ansässige Architekt*innen, deren Werk sich durch höchsten künstlerischen Anspruch, nachhaltiges Bauen im Sinne ressourcenschonender Umweltgestaltung und besondere Innovationskraft auszeichnet. Gewürdigt werden herausragende Leistungen, auch Lebensleistungen, in den Bereichen Städtebau, Hochbau und Freiraumgestaltung. Über die Vergabe des Preises entscheidet seit 2007 eine Jury, die sich jeweils aus Mitgliedern der Klasse Baukunst und dem Präsidenten der Akademie unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammensetzt. Florian Nagler empfing den Semperpreis in der siebten Ausgabe – nicht in der Semperoper, sondern in der Robotron-Kantine, der einstigen Verpflegungsstätte eines DDR-VEB, die heute als Veranstaltungsort dient.

In Florian Naglers Forschungshäusern in Bad Aibling scheint die Architektur zu ihren zeitlosen Grundlagen zurückgeführt zu werden. (Foto: © Sebastian Schels/PK Odessa)
Tradition als Inspiration

Bevor der 1967 in München geborene Florian Nagler im Jahr 1989 sein Architekturstudium an der Universität Kaiserslautern aufnahm, hatte er ein Studium in den Fächern Kunstgeschichte und Bayerische Geschichte angetreten und eine Zimmermannslehre absolviert. Bis zur Gründung des eigenen Büros 1996 hat er somit einen ungewöhnlich vielseitigen Bildungs- und Erfahrungsschatz gesammelt, den er alsbald auch als Forscher und Lehrer weitergab. Er widmet sich in seiner Arbeit den Anforderungen des zeitgemäßen, nachhaltigen Entwerfens und Bauens praktisch und theoretisch. „Nagler ist dabei gleichermaßen dem künstlerischen und wissenschaftlichen Anspruch verpflichtet“, kommentiert die Sächsische Akademie der Künste sein Wirken, „auf die Frage, was heute umweltgerechtes Bauen bedeutet, sucht Florian Nagler mit architektonischen Mitteln nach Lösungen. Seine konstruktive Konsequenz und die Präzision seiner Materialkonzepte sind damit Teil der Architektur als Ganzem. Florian Naglers Verständnis von Gestaltung ist umfassend im Sinne der ‚Welt als Entwurf‘ und damit beispielgebend für eine nachhaltige und baukünstlerisch wegweisende Architektur.“

Die Jury weist in ihrer Begründung darauf hin, dass bereits die frühen Projekte im ländlichen Raum von einer „Gestaltung in Reduktion“ und der „Konsequenz von Form, Material und Fügung“ geprägt sind. Die Holzkonstruktionen seien als zeitgemäße Definition des Bauens in der Region zu verstehen. Seit mehr als 20 Jahren beschäftige sich der Preisträger mit der Materialität im Sinne gestalterischen Erforschens und Experimentierens bei einer Vielfalt von Bauaufgaben, sowohl in ländlichen und urbanen Kontexten als auch bei verschiedenen Typologien: vom kleinen Atelierhaus bis zum Geschossbau für Wohnen und Arbeiten.

Große Aufmerksamkeit genossen in jüngster Zeit die drei Forschungshäuser auf dem Parkgelände der in der Wohnungswirtschaft tätigen B&O-Gruppe in Bad Aibling. An ihnen wurden in drei Konstruktionsvarianten die Ansprüche „einfach bauen“ und „Bauen für die Ewigkeit“ ganz konkret durchdekliniert – in monolithischer Bauweise jeweils in Massivholz, Mauerwerk und Leichtbeton. „Bei gleicher Grundform variieren gestalterische Entscheidungen materialadäquat, wie Raumabschlüsse, Öffnungen für Fenster und Türen sowie Fassadendetails. Florian Nagler ist gleichermaßen dem künstlerischen und wissenschaftlichen Anspruch verpflichtet, er macht seine Gestaltungsentscheidungen am Werk nachvollziehbar und belegt sie auch theoretisch“, schreibt die Jury des Semperpreises 2022 in ihrer Begründung zu diesem Experiment. Man kann sich gut vorstellen, dass sich diese Haltung auch mit dem sich immer stärker manifestierenden Kreislauf-Gedanken ausgezeichnet vereinbaren lässt.

Die Erhabenheit der Konstruktion ist auch in profanen Bauaufgaben wie dem Kuhstall Thankirchen, Freigang, aus dem Jahr 2008 evident. (Foto: © Florian Nagler)

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