Friedrich-Kiesler-Ausstellung in Berlin

Architekt, Künstler, Visionär

Carsten Sauerbrei
7. März 2017
Friedrich Kiesler vor dem «The Shrine of the Book», Jerusalem 1965 (Bild: David Harris, Israel © Friedrich Kiesler Stiftung)

Es gibt sie noch. Die einflussreichen und doch der Wiederentdeckung harrenden Protagonisten der Klassischen Moderne in Kunst und Architektur. Friedrich Kiesler, geboren 1890 in Czernowitz, gestorben 1965 in New York, gehört zweifellos dazu. Der Architekt, Bühnenbildner, Designer, Künstler und Theoretiker schuf mit dem Konzept eines endlos fließenden Raumes und seiner ganzheitlichen Designtheorie des Correalismus große Visionen des 20. Jahrhunderts, die sich ungebrochener Aktualität erfreuen.

Friedrich Kiesler, Bühnenprospekt in Karel Čapeks «W.U.R. [R.U.R.] Werstands Universal Robots», Berlin 1923 (Bild: © Friedrich Kiesler Stiftung)

Mit der Schau im Martin-Gropius-Bau möchten die Ausstellungsmacher die Bedeutung Kieslers für die Architektur- und Kunstgeschichte des 20. Jahrhunderts anhand zentraler Projekte, wichtiger Künstlerfreundschaften und Gemeinschaftsarbeiten aufzeigen. Berlin sei dafür als Ort geradezu perfekt, so sei es doch die Stadt, in der Kiesler 1923 mit einem elektro- mechanischen Bühnenbild für Karel Čapeks «W.U.R. (R.U.R.) Werstands Universal Robots» seinen ersten großen Erfolg feierte, so die Veranstalter. Danach sorgte er als Kurator und Ausstellungsgestalter in Wien und Paris für Furore und präsentierte 1925 erstmals seine Zukunftsvision einer frei schwebenden Stadt, der Raumstadt. Anschließend verlässt Kiesler Europa gen USA und entwirft 1929 in New York das erste «100% Cinema», das mit zusätzlichen Projektionen an Seitenwände und Decke des Auditoriums ein frühes Beispiel der Virtual Reality darstellt.

Friedrich Kiesler bei der Arbeit am Maschendrahtmodell für ein «Endless House», New York 1959/60 (Bild: Unbekannt © Friedrich Kiesler Stiftung)

1933 entsteht als Folge von Kieslers Beschäftigung mit Design in den Schauräumen der Modernage Furniture Company in New York ein 1:1 Modell des «Space House», seiner Vision eines avantgardistischen Einfamilienhauses. Nach Kieslers Arbeit in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre und in den 1940ern für das Theater, als Ausstellungsgestalter und als Designtheoretiker, errichtet er 1958 im Skulpturengarten des MoMA ein 1:1 Modell des «Endless House», einer Materialisierung seiner künstlerischen Grundidee vom endlosen Raum. Die Realisierung der Vision scheitert jedoch. Daher wird der einzige tatsächlich verwirklichte Bau Kieslers 1965 in Jerusalem eröffnet: Der «Shrine of the Book». Das symbolisch stark aufgeladene Bauwerk – es beherbergt alttestamentarische Schriftrollen, die am Toten Meer gefunden wurden - zeugt von Kieslers großem Interesse an sakralen Räumen in seinem Spätwerk.

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