Nicolas Schwager: „Uns schwebte eine präzise gefügte und verarbeitete ‚Schatulle‘ vor, in der es nach Holz und Bienenwachs riecht“

Katinka Corts
1. Februar 2023
Die Landesanstalt für Bienenkunde der Universität Hohenheim ist Bau des Jahres 2022 (Grafik: Nadia Bendinelli, Foto: Barbara Schwager, Universitätsbauamt / bildhübsche fotografie | Andreas Körner)

„Die Landesanstalt für Bienenkunde leistet mit ihrer anwendungsorientierten Forschung einen wichtigen Beitrag zum Schutz der Honigbiene“, erklärte Petra Olschowski bereits 2019 anlässlich des Spatenstichs für den Neubau. „Sie ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie der Transfer von wissenschaftlichen Erkenntnissen in die Praxis und in die Gesellschaft hinein gelingen kann“, so die damalige Staatssekretärin im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst weiter. Die in Süddeutschland wichtige und national bekannte LAB ist seit 1963 Teil der Stuttgarter Universität und in Deutschland in dieser Konstellation einzigartig: Hier wird geforscht, gelehrt und zertifiziert. Zugleich können Imker*innen Schulungen besuchen.

Universitätsbauamt / bildhübsche fotografie | Andreas Körner

Mit dem großzügigen Neubau setzen die Universität und das Land Baden-Württemberg gleich zwei Zeichen: Zum einen wird der hohe Stellenwert des Bienenschutzes betont – im Bundesland befindet sich etwa ein Viertel der gut 100’000 Imkereien Deutschlands –, zum anderen setzen sich Bauherrschaft und Architekten mit dem Holzhybridbau für nachhaltige, zukunftstaugliche Bauweisen ein. „Wir wollten das Gebäude von vornherein mit Holz konstruieren“, so Architekt Nicolas Schwager. „Dass die Bauherrschaft ebenso einen ‚innovativen Holzbau‘ wünschte, hat uns darin nur bestärkt.“ Das Gebäude ist entsprechend den Maßstäben des Passivhausstandards gebaut und nach dem Bewertungssystem für nachhaltiges Bauen für Bundesgebäude (BNB) zertifiziert. Konkret hieß das, dass nicht nur die im Neubau eingesetzten Materialien scharfen ökologischen Kriterien entsprechen mussten, sondern auch, dass sich das Energiekonzept des Gebäudes in das bestehende Energienetz der Campus-Universität perfekt zu integrieren hatte.

Universitätsbauamt / bildhübsche fotografie | Andreas Körner

Das ganze Gebäude sei an sich recht normal und habe keinen Anspruch, der neue Hingucker auf dem Campus zu sein, erklärt der Architekt im Gespräch. Es solle sich unterordnen und wie ein durchschnittlicher Spieler im Ensemble der verschiedenen Architekturen auf dem Campus stehen. „Uns kam es eher darauf an, dass der Institutsneubau atmosphärisch für die Leute passt, die darin arbeiten.“ Die Bandbreite ist dabei groß: Biolog*innen forschen hier zur Bienengesundheit, Biologiestudenten werden unterrichtet, im Zertifizierungsinstitut wird der von Imker*innen eingeschickte Honig auf Schadstoffe überprüft, im Erdgeschoss wird Honig in der Versuchsimkerei hergestellt – und dazu kommen noch externe Imker, denn das Institut ist eine wichtige Anlaufstelle für Fachleute. So nimmt das multifunktionale Gebäude auf 1100 m2 Nutzfläche Werkstätten, eine kleine Imkerei, Seminarräume, Labore und Büros für Forschende auf.

Universitätsbauamt / bildhübsche fotografie | Andreas Körner

Während Tragwerk, Fassade und die Innenwände überwiegend aus Holz gefertigt sind, steifen der Gebäudekern und ein zusätzliches Treppenhaus den Neubau als massive Bauteile aus. Im Innenbereich sind die Holzteile lasiert oder lackiert, jedoch immer mit zertifizierten Produkten. „Das alles wurde von der Bauleitung sehr sorgfältig auch auf der Baustelle kontrolliert. Es wurden Farbtöpfe fotografiert und es wurde darauf geachtet, dass die Handwerker auch wirklich nur die Produkte verwenden, die in der Ausschreibung definiert worden waren“, so Schwager. Nach der Fertigstellung wurden die Ausdünstungen der eingesetzten Materialien genau untersucht. „Jeder nicht sachgemäß verwendete Kleber hätte sich in diesen Messungen gezeigt“, so Schwager. „Es hat sich aber bestätigt, dass die Innenluft sehr sauber und schadstofffrei ist.“

Foto: Barbara Schwager

Besondere Aufmerksamkeit galt der Fassade aus Weißtannenholz, bei der klar war, dass sie mit der Zeit verwittern und dunkler werden würde. Die Bauherrschaft wünschte ein einheitliches, dauerhaftes Farbbild – dies jedoch ohne den Einsatz von fungizidhaltigen Lasuren. Nicolas Schwager: „Hersteller bewerben oft die Konstanz der von ihnen angebotenen Produkte. In Wirklichkeit sind in den Vorvergrauungssystemen zu 90 % Fungizide enthalten, damit das Holz nicht nach einiger Zeit von Pilz überzogen wird.“ Die Architekten fanden einen Hersteller, der fungizidfreie Lasuren anbietet und mit dem sie den richtigen Farbton gemeinsam bestimmen konnten – also jene Färbung, die dem später kommenden dunklen Pilzbefall sehr nah kommt. Dadurch konnten ungleiche Verfärbungen gewissermaßen vorweggenommen werden. Der Kontrast zwischen dunkler Außenhülle und hellem Innenleben wurde dabei zu einem tragenden Entwurfsmotiv.

Universitätsbauamt / bildhübsche fotografie | Andreas Körner

Bauherrschaft und Nutzer*innen haben Projekt und Bauprozess intensiv begleitet, vieles habe deshalb auch unkompliziert entschieden werden können. So gab es zum Beispiel seitens der Universität Befürchtungen, dass eine Abgrenzung der oberen Büros zum Gang lediglich mit Glas den Mitarbeiter*innen die Privatsphäre nehmen würde. Das Institut sprach sich jedoch für „offene Türen“ im Haus aus und damit auch für die Verglasung, die optisch größere Räume erzeugt und den Blick durch das Gebäude und in die Landschaft ermöglicht. „Bei unseren Besprechungen waren stets Vertreter*innen von Land und Universität dabei, aber auch der damalige Leiter der Bienenkunde und sein Mitarbeiter*innen aus Technik und Forschung“, erinnert sich Schwager. „Es war ein gutes Miteinander und alle haben es geschätzt, ein neues schönes Gebäude zu bekommen.“ 

Wir gratulieren allen am Projekt Beteiligten und danken Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für die rege Teilnahme an der Abstimmung!

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