Ab in den Fluss?

Katinka Corts
21. August 2024
Flussbaden ist in Zürich selbstverständlich. (Foto: Katinka Corts)

Wenn man es aus Städten wie Kopenhagen und Zürich kennt, scheint es einem äußerst natürlich: Warum nicht baden und schwimmen in den heimischen Fließgewässern? Ein so einfacher Vergleich fasst jedoch zu kurz, denn die Gegebenheiten sind an jedem Ort unterschiedlich. In Kopenhagen liegen die innerstädtischen Badeanlagen an den Hafenkanälen, durch die das Ostseewasser spült. In der Stadt engagierte man sich sehr dafür, aus dem alten, verschmutzten Industriehafen Wasser- und Uferbereiche mit Mehrwert zu machen. Auf die Eröffnung des ersten Hafenbades im Jahr 2002 folgten weitere über die Jahre. 

Auch in Schweizer Städten wie Zürich und Bern ist das Flussbaden etabliert und wird lediglich dort beschränkt, wo Strömungen und Schifffahrt Gefahren darstellen. Während in Kopenhagen täglich die Wasserqualität in allen Hafenbädern kontrolliert und behördlich freigegeben wird, gilt das Baden in der Schweiz diesbezüglich als unbedenklich. Beim Bundesamt für Umwelt heißt es dazu, dass »in der Schweiz […] in qualitativer Hinsicht in fast allen Gewässern bedenkenlos gebadet werden« kann. Dank verschiedener Schutzmaßnahmen und großer Anstrengungen bei der Abwasserreinigung in den vergangenen Jahrzehnten sei die hygienische Wasserqualität der Schweizer Flüsse und Seen heute sehr gut.

Elbebäder in Dresden um 1930 (Bild: Ad. Michalsky, Postkartensammlung Dr. Rohland via stadtwikidd)

Eine traumhafte Vorstellung, die nicht allerorts genauso umsetzbar ist. In der Elbe zum Beispiel wurden bereits seit Anfang des 19. Jahrhunderts Badeanstalten geführt. Zunehmende Schifffahrt und das Einleiten ungeklärter Abwässer führten jedoch über die Jahre zur Schließung der Bäder. Auch zur DDR-Zeit war die Elbe zu verschmutzt zum Baden und erst mit den Jahren, der Schließung zahlreicher Industrien und neuen Abwasserreinigungsvorgaben konnte sich das Gewässer schrittweise erholen. Ein offizielles Badegewässer ist die Elbe heute zwar nicht, rechtlich ist der »Gemeingebrauch« aber zulässig und die Uferbereiche des Flusses werden auch rege genutzt.

Die Seine in Paris (Foto: Pline, CC BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons)

In Paris war vor den Olympischen Sommerspielen die Fertigstellung des »Bassin d’Austerlitz« ein wichtiges Ereignis. In der Stadt fließen Regenwasser und Abwasser in dieselbe Kanalisation. Deshalb baute die Stadt in nur wenigen Jahren ein riesiges Regenrückhaltebecken von 30 m Tiefe und einem Durchmesser von 50 m und eröffnete es diesen Frühling. In dem unterirdischen Reservoir westlich des Gare d’Austerlitz können bei starken Regenfällen bis zu 46'000 m3 Wasser zwischengespeichert werden. Die alten Abwasserkanäle der Stadt werden damit entlastet, das Wasser kann später schrittweise in die Kanalisation zurückgeführt werden. Für Olympia erhoffte man sich, dass so keine Fäkalbakterien mehr aus der überlaufenden Kanalisation in die Seine gelangen. Längerer Starkregen brachte das System jedoch an seine Grenzen und einige der Freiwasserschwimmer*innen erkrankten nach den Wettkämpfen dennoch. 

Vorschlag für einen Schwimmbereich in Berlin (Visualisierung: ©2022 Adrian König / realities:united / Flussbad Berlin e.V.)

Das Abwasserthema ist auch eines der Probleme, das in Berlin den Bau des Flussbades in der Spree hemmt. In der Stadt wird über das Vorhaben zwar schon seit 2015 diskutiert, wirkliche Resultate lassen aber auf sich warten. Der Verein »Flussbad Berlin«, über dessen Vorhaben wir schon mehrfach berichteten, begab sich auf Spurensuche und veröffentlichte vergangene Woche eine Stellungnahme zum Berliner Prozess. Ihrer Meinung nach sind die wasserhygienischen Bedingungen in Berlin zwar anders als in Paris, aber nicht schlechter. 

Damit in einigen Bereichen des Spreekanals geschwommen werden könnte, bräuchte es vor allem eine Änderung der Badegewässerverordnung (SenMVKU). Diese erlässt dabei die Senatsverwaltung selbst, sie könnte laut Verein auch im Rahmen der gültigen EU-Richtlinie angepasst werden. Zusammen mit einem Monitoringsystem für die Wasserqualität wäre dann eine Grundlage geschaffen, »um gesundheitliche Risiken in Bezug auf schlechte Wasserqualität zu begrenzen«. Sobald eine neue Badegewässerverordnung gelten würde, könnten das Land, die Bezirke oder Bürgerinitiativen Zugangsstege planen und bauen und das Schwimmen ohne weitere Investitionen möglich sein.

Eine neue Ebene für die Stadtbetrachtung – so stellen sich die Unterstützer des Flussbadprojekts die Schwimmstrecke entlang der James-Simon-Galerie vor. (Visualisierung: Flussbad Berlin e.V., realities:united)

Flussräume und Gewässer in Städten werden längst als wertvoller Aufenthaltsraum betrachtet und gerade diesen Sommer publizierte das Netzwerk »Swimmable Cities« – eine Gruppe von Organisationen aus Europa, Nordamerika, Afrika und Australien – eine Charta zur Bedeutung der Gewässer. Dennoch: Der Bund der Steuerzahler bezeichnete das Projekt Flussbad in den vergangenen Jahren mehrfach als »Millionengrab«, und aktuell sieht es nicht gut aus um die weitere Finanzierung des Projekts. 

Ob wir eines Tages die Möglichkeit haben werden, im Spreekanal frei und unbesorgt zu schwimmen, hängt also weiterhin in der Luft. Und dennoch sollte man das grundlegende Anliegen nicht aus den Augen verlieren, ganz unabhängig von der Vereinsinitiative: Gesunde Gewässer in Städten bieten einen großen Mehrwert für den Ort. Auch wenn Gewässer in der Vergangenheit oftmals lediglich als Einleitungsoption für Schadstoffe betrachtet wurden, ist das heute längst untragbar und gesunde Wasserökosysteme sollten ein grundlegendes Anliegen in allen Städten und Gemeinden sein.


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