Zentrale Anlaufstelle

Kauffmann Theilig & Partner
2. Oktober 2024
Der Vorplatz des neuen Rathauses kann auch für kleinere Veranstaltungen genutzt werden. (Foto: Roland Halbe)
Frau Litterer, worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?


Das alte Rathaus der Gemeinde Unterschneidheim befand sich in einem Schlösschen aus der Spätrenaissance. Mit den Jahren veränderten sich die Nutzungsanforderungen und schließlich entsprach der historische Bau ihnen nicht mehr. Eine Erweiterung war aus Gründen des Denkmalschutzes nicht möglich. Das war zwar schade, gab der Gemeinde aber auch die Chance, mit einem Rathaus an einem anderen Standort eine neue Mitte zu realisieren.

Unser Neubau schafft mit seinen Außenanlagen einen zentralen öffentlichen Raum als Ort der Verwaltung, Teilhabe und Begegnung. Er bildet einen attraktiven Rahmen für das gesellschaftliche Leben in der Gemeinde.

Das neue Rathaus öffnet sich mit großen Eckfenstern zum Straßenraum. Mit den Satteldächern seiner beiden Baukörper wird die ortstypische Architektursprache fortgeführt. (Foto: Roland Halbe)
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?


Wir wollten im dörflichen Raum angemessen, kontextuell und zeitgemäß agieren. Das Rathaus sollte ein offenes, gut zugängliches und trotz des großen Volumens, das vorgegeben war, kein dominantes Gebäude werden. Es war uns wichtig, dass sich der Bau maßstäblich gut in die ortsbildprägende Architektur ringsherum einfügt. 

Während die Auflösung der Kubatur in zwei miteinander verbundene Baukörper dem Rathaus eine verträgliche und zur örtlichen Körnung passende Proportion gibt, erzeugt der gläserne Verbindungsteil eine einladende Eingangssituation. Beide Maßnahmen sorgen für eine Anmutung von Nahbarkeit und gewährleisten einen menschlichen Maßstab.

Die archetypische Gebäudeform haben wir durch die Asymmetrie abstrahiert. Mit den gewählten Proportionen, dem ortstypischen Satteldach und dem durch den Versatz geschaffenen Platz entsteht eine Verzahnung mit der Umgebung.

Die beiden Baukörper des neuen Rathauses verknüpfen die kleinteilige Bebauung der älteren Gemeindeteile mit den größeren Schulbauten am Ortsrand. (Foto: Roland Halbe)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?


Unsere Anlage greift die giebelständige Struktur des benachbarten Bestands auf und passt sich damit in das vorhandene städtebauliche Gefüge ein. Eine neue Rampe verbindet das benachbarte Schulgebäude und den Campus barrierefrei. Einen Teil des Geländes im Norden des Bauplatzes konnten wir abtragen, wodurch die Lichtsituation in den Tiefgeschossen der Schulen spürbar verbessert worden ist.

Mit den neuen Außenanlagen erfährt das gesamte Areal eine atmosphärische Aufwertung, die Aufenthaltsqualität ist merklich gestiegen. So laden eine üppige Wiesenfläche und zwei Vorplätze mit Sitzgelegenheiten aus Naturstein im zentralen Freiraum zum Verweilen ein. Retentionsbecken, eine Dachbegrünung und die Reduzierung der Oberflächenversiegelung garantieren ein nachhaltiges Regenwassermanagement.

Alle Gebäudeteile oberhalb des Erdgeschosses und die asymmetrischen Satteldächer sind in Holz gebaut. Im Inneren ist die Konstruktion aus dem Naturbaustoff sichtbar. (Foto: Roland Halbe)
Detail eines Handlaufs (Foto: Roland Halbe)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?


Im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens nach VgV haben alle Teilnehmer Lösungsansätze eingereicht und präsentiert. Am 10. Juni 2020 fiel einstimmig die Entscheidung, uns den Zuschlag zu erteilen.  

Der atmosphärische Ratssaal im Obergeschoss gefällt mit einer großen Raumhöhe und Holzoberflächen. (Foto: Roland Halbe)
Blick durch das große Eckfenster des Ratssaals (Foto: Roland Halbe)
Welche besonderen Anforderungen wurden gestellt? Wie haben Sie diesen im Projekt Rechnung getragen?


Mit Räumlichkeiten für die Gemeindeverwaltung, Bürgerbüros und dem großen Ratssaal bildet das Rathaus die zentrale Anlaufstelle der Gemeinde. Im Obergeschoss liegt der großzügige Ratssaal mit den dazugehörigen Serviceräumen. Große Fensterflächen eröffnen Ausblicke auf die umgebende Landschaft. Sichtbar belassene Holzbinder der Dachkonstruktion sowie hölzerne Wand- und Deckenbekleidungen in heller Weißtanne sorgen für eine ortstypische Atmosphäre und sind zudem akustisch wirksam.

Das Gebäude ist komplett natürlich be- und entlüftet. Der optimierte Tageslichteintrag verringert den Aufwand an künstlicher Beleuchtung und leistet so einen Beitrag zur Reduzierung des Energieaufwands. Das Rathaus wird über das Blockheizkraftwerk des benachbarten Schulkomplexes mit Wärme versorgt.

Ein Großteil der Außenräume um das Gebäude ist begrünt. (Foto: Roland Halbe) 
Das Rathaus ist städtebaulich betrachtet ein Verbindungsglied zwischen den verschiedenen Teilen der Gemeinde. (Foto: Roland Halbe) 
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren Nutzenden den Entwurf beeinflusst?


In unserem Wettbewerbsentwurf sahen wir noch eine Stahlbetonkonstruktion für alle Ebenen vor. Gemeinsam mit der Bauherrschaft entschieden wir dann aber, das Obergeschoss und den Dachstuhl in Holzbauweise zu errichten und damit die nachhaltigen und atmosphärischen Eigenschaften des Baustoffs zu nutzen. Das Erdgeschoss haben wir derweil aus statischen, brandschutztechnischen und bauphysikalischen Gründen als Stahlbetonkonstruktion belassen.

Lageplan (© Kauffmann Theilig & Partner)
Grundriss Erdgeschoss (© Kauffmann Theilig & Partner)
Grundriss 1. Obergeschoss (© Kauffmann Theilig & Partner)
Grundriss Dachebene (© Kauffmann Theilig & Partner)
Schnitte (© Kauffmann Theilig & Partner)
Neubau Rathaus Unterschneidheim
2023
Ziegelhütte 25
73485 Unterschneidheim
 
Auftragsart
VgV-Verfahren mit Lösungsvorschlag
 
Bauherrschaft
Stadt Unterschneidheim
 
Architektur
Kauffmann Theilig & Partner Freie Architekten BDA Partnerschaft GmbB, Ostfildern | Thomas Theilig, Rainer Lenz, Andrea Litterer, Prof. Andreas Theilig
Projektleitung: Andrea Litterer, Esperanza Lopez-Garcia
ProjektarchitektInnen: Xhin Chuang, Rahime Zencirci, Ruolai Xu
MitarbeiterInnen: Klara Beyer, Mert Cantürk, Luis Heni, Lene Lendle, Annabelle Schneider, Natalia Wdowiak
Bauleitung: Rainer Lenz, Thilo Mey
 
Fachplaner
Freianlagen: Gänßle + Hehr, Esslingen a. N.
Tragwerk: IB Federlein Ingenieurgesellschaft mbH, Salz   
Haustechnik: Josef Spielmann GmbH & Co. KG, Ellwangen
Elektro: Planungsbüro Geiger Reinhold, Westhausen       
Bauphysik: Ingenieurbüro Horstmann und Berger, Altensteig
Brandschutz. Brandschutz-Bohnert, Heidenheim a. d. Brenz
Vermessung. Vermessungsbüro Andreas Lingel, Aalen
 
Hersteller
Klinkerriemchen: StoBrick 720; Sto
Wand- und Deckenverkleidung OG: LIGNO Akustik light; LIGNOTREND
Fenster, Pfosten-Riegel-Fassade: Schüco
Spezielle Leuchten OG: Lightnet Ringo Star graphit
Belag Außenbereich: Velvet Concrete 30×30; Braun Steine
Aluminiumverkleidung Dachgauben: Prefa Bond RAL 9007; Prefa
Faltwände: Variflex Moduline 100; Dorma Hüppe
Teppichbelag: Loop 701, Object Carpet
Dämmung Dachbereich: Bauder PIR FA | BauderECOS; Bauder
Oberfläche Dach: Rheinzink-Granum Skygrey 5T; Rheinzink
Fliesen: Unicom Starker Debris Cinder; unicom
Möblierung: Pheno, Basic, A-Chair, Crona, Break; Brunner
 
Bruttogeschossfläche
1240 m2
 
Gebäudevolumen
6150 m3
 
Kubikmeterpreis
650 €/m³
 
Gesamtkosten
4.7 Mio. €
 
Fotos
Roland Halbe Fotografie

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