Vielschichtige Holzkonstruktion
Knoche Architekten
14. August 2024
Der umlaufende Laubengang verleiht dem Holzbau eine schützende Tiefe. In beiden Ebenen ist die Fassade mit vorvergrauten Lärchenholzleisten bekleidet. (Foto: Simon Menges)
Die Kindertagesstätte »Weiße Stadt« in Oranienburg ist von Knoche Architekten fertiggestellt worden. Wirtschaftlich geplant, werden im Gebäude zahlreiche Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt. Christoph Jopp erläutert das detailliert.
Welche Inspiration liegt diesem Projekt zugrunde?Wir wollten trotz klarer Architektursprache einen lebenswerten, inspirierenden Ort schaffen, an dem sich die Kinder wohlfühlen. Von außen erzeugt die Tiefe der mehrschichtigen Fassade aus Lärchenholz ein abwechslungsreiches Schattenspiel, innen schaffen die natürlich belichteten Räume mit ihren sichtbaren Holzkonstruktionen und farbigen Möbeleinbauten eine warme, helle Atmosphäre.
Technisch ging es uns darum, die Potenziale der Holzbauweise konsequent zu nutzen und leichter, schneller und modularer zu bauen. Präzise 3D-Planung erlaubte eine weitestgehende Vorfertigung des Gebäudes.
Nicht zuletzt haben wir an diesem Projekt erstmals eine für uns neue, ganzheitlichere Arbeitsweise getestet. Das Projektteam hat alle Leistungsphasen vom Entwurf über die Ausführungsplanung und Ausschreibung bis zur Rechnungsprüfung durchgängig bearbeitet – eine interessante und positive Erfahrung!
Material und Konstruktion sind im gesamten Gebäude sichtbar und so für die Kinder erlebbar. (Foto: Simon Menges)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?Die Kita liegt am Rande eines Wohngebietes, wo sich wenig direkte bauliche Bezüge angeboten haben. Weitere Gebäude eines geplanten Bildungscampus werden erst in Zukunft nebenan entstehen. Der Ort wird deshalb vor allem durch das Gebäude selbst definiert.
Die Kita liegt direkt an der Anliegerstraße. Der Fassadenaufbau mit seinen beiden Ebenen bietet trotz großer Transparenz genügend Schutz vor direkten Einblicken.
Der Eingangsbereich orientiert sich an der zweiten Gebäudeseite in Richtung Stadt. Durch bewusste Positionierung des Gebäudes konnten wir eine große Eiche erhalten. Sie prägt den kleinen Vorplatz und schafft eine wunderbare Aufenthaltsqualität.
Die beiden übrigen Seiten des quadratischen Gebäudes orientieren sich zu zwei dreieckigen Spielbereichen, die sich durch den Laubengang als zwischengelagerte Spiel- und Bewegungszone mit den angrenzenden Gruppenräumen verknüpfen.
Die farbigen Massivholzmöbel bieten vielfältige Anregungen zum Spielen. (Foto: Simon Menges)
In den Garderobenbereichen im Flur dient ein dezentes Farbkonzept der besseren Orientierung. In Kombination mit den holzfarbenen Oberflächen entsteht eine helle, warme und beruhigende Raumwirkung. (Foto: Simon Menges)
Mit sichtbaren Holzbalken, geschliffenen OSB-Platten als Wandverkleidung und einer Akustikdecke aus Holzwolleleichtbauplatten bestimmen natürliche Farbtöne die Raumwirkung. (Foto: Simon Menges)
Haben Sie den Auftrag über einen Wettbewerbsbeitrag oder direkt erteilt bekommen?Wir wurden mit dem ersten Preis in einem nichtoffenen, einphasigen Wettbewerb ausgezeichnet. Für die Teilnahme wurden wir zuvor ausgelost, ein Verhandlungsverfahren war nachgeschaltet.
Ein solcher Wettbewerbsgewinn bringt uns bezüglich der Entwurfsentwicklung im Vergleich zu Projekten, die über VgV-Verfahren akquiriert werden, in eine klar bessere Position. Bei der Kita mussten am Entwurf zwar einige Änderungen vorgenommen werden, jedoch wurden grundsätzliche Entwurfsinhalte, wie die Holzbauweise, der Laubengang und die Fassadenverkleidung, mit Bezug auf den Wettbewerb nie infrage gestellt. Diese Bestandteile prägen das Gebäude nun ganz wesentlich.
Der Laubengang dient den angrenzenden Gruppenräumen als geschützte Erweiterung der Spiel- und Bewegungszonen im Außenraum. (Foto: Simon Menges)
In variierender Dichte erzeugt die Fassadenbekleidung aus Lärchenholzleisten ein abwechslungsreiches Spiel mit Durchsicht und Schattenwurf. (Foto: Simon Menges)
Inwiefern haben Sie im Projekt die Verwendung von Naturbaustoffen und zirkulären Baustoffen angestrebt?Dem Thema ressourcenschonende Baustoffe haben wir sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt. Zunächst hilft hier die konsequente Holz- und Leichtbauweise. Aber auch die Gründung des Gebäudes ist optimiert, das Gründungspolster besteht aus Schaumglasschotter, womit eine reduzierte Bodenplatte ohne Fundamentierungen möglich war. Die wenigen Betonbauteile sind aus Recyclingbeton. Von dieser Gründung wurde die Bauherrin mit einer klassischen Wirtschaftlichkeitsbetrachtung überzeugt – diese Ausführung war tatsächlich wirtschaftlicher!
Die Dämmung von Wänden und Dach besteht aus Holzfasern, die Dachabdichtung des Gründachs aus EPDM. Im Inneren wurden Bodenbeläge aus Kautschuk verlegt.
Auf die Trennbarkeit von Konstruktionen und die Wiederverwertbarkeit als wichtigen zirkulären Aspekt achten wir schon lange. Verklebte und geschäumte Materialien sowie Verbundkonstruktionen vermeiden wir, wo immer möglich. Auch an den Schnittstellen zu anderen Planern wurde das soweit möglich beachtet, so ist z. B. die Fußbodenheizung bewusst mit einer dünnen Noppenfolie und ohne geschäumte Systemplatten ausgeführt.
Auch die baubiologische Eigenschaften der Materialien wurden genau betrachtet, sodass die Kinder von schadstofffreien und gesunden Materialien und Beschichtungen umgeben sind.
Die Bauherrin hat diese Herangehensweise nach anfänglichem Respekt vor der (in Brandenburg noch nicht sehr verbreiteten) Holzbauweise durchaus unterstützt und uns letztlich in der konsequenten Haltung bestärkt. Wir konnten so ausloten, wie viel Innovation unter ganz normalen Rahmenbedingungen machbar ist.
Der quadratische Neubau der Kindertagesstätte zoniert das Grundstück in einen Vorplatz mit Baumbestand und die rückwärtigen Spielbereiche. (Foto: Simon Menges)
Welche Überlegungen stecken hinter den Entscheidungen für die eingesetzten Materialien?Wichtig waren uns natürliche, lebendige und sinnliche Texturen, Strukturen und Oberflächen. Das Material sollte lesbar und erlebbar sein. Durch sichtbare Befestigungen wird diese Transparenz weiter unterstrichen.
Auch Kriterien wie kurze Transportwege haben wir berücksichtigt, beim Recyclingbeton beispielsweise spielt das für die CO₂-Bilanz ja eine ganz entscheidende Rolle. Es wurde bewusst die Verwendung einheimische Hölzer (alpine Lärche statt sibirischer Lärche oder Eichenbohlen statt Tropenholz für den Balkon) bevorzugt.
Trotz aller Konsequenz mussten immer auch Wirtschaftlichkeit, Dauerhaftigkeit und Pflegemöglichkeiten betrachtet werden, schließlich handelt es sich um eine ganz normale städtische Kita! Um den Kostenrahmen nicht zu sprengen, haben wir eine klassische marktgängige Holzrahmenbauweise gewählt und mit Stützen und Holzbalkendecken kombiniert.
Ebenfalls aus wirtschaftlichen Gründen wurde eine Lösung entwickelt, mit der in den Erschließungsbereichen die aussteifenden OSB-Platten der Holzrahmenwände sichtbar bleiben und somit auf eine Wandverkleidung verzichtet werden konnte. Die Holztafeln sind vor Ort maschinell geschliffen worden, die Fugen wurden verschlossen, Ecken mit Massivholzleisten ergänzt und die Oberfläche mit einer splitterbindenden, hell pigmentierten, transparenten Oberfläche versehen. Das Ergebnis finden wir sehr schön!
Bei der ebenfalls von uns geplanten Möblierung wurden die wichtigsten Bereiche wie Garderoben, Sitzbänke und die zentralen Spielzonen in den Gruppenräumen aus farbig lasiertem Massivholz ausgeführt.
Lageplan (Zeichnung: Knoche Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Knoche Architekten)
Grundriss Obergeschoss (Zeichnung: Knoche Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Knoche Architekten)
2023
Dr.-Kurt-Schumacher-Str. 42
16515 Oranienburg
Nutzung
Kindertagesstätte mit 106 Plätzen in 10 Gruppen
Auftragsart
Öffentlich
Bauherrschaft
Stadt Oranienburg, (vertr. durch BIG Städtebau GmbH, Berlin)
Architektur
Knoche Architekten Partnerschaftsgesellschaft mbB, Leipzig
Team: Christoph Jopp, Charlotte Streuber, Lisa Korschewski
Fachplaner
Tragwerksplanung: IB Glosch, Berlin
Haustechnik HLSE: Dörner und Partner, Eberswalde
Freianlagen: Heinisch Landschaftsarchitekten, Weimar/ Zwickau
Brandschutz: KA mit Dataconstruct, Dresden / Berlin
Bauphysik: KA mit ISG Bauphysik Dr. Blechschmidt & Reinhold, Chemnitz
Ausführende Firmen
Zimmer- Und Holzbauarbeiten: Holzbau Sauer, Dingelstädt
Fenster und Fassaden: Tischlerei Pötschke, Löbau
Rohbau, Erdarbeiten, Schaumglasschotter: Brunzel Bau, Velten
Stahl- Glas- Elemente: FML-Service, Strasburg (Uckermark)
Dachabdichtung: Dächer aller Art Bieber, Oranienburg
Schlosserarbeiten / Geländer Metallbau Ramm, Trollenhagen
Aufzug: Kone
Sonnenschutz: Trapp & Milkow, Dessau
Estrich: Aras ES, Berlin
Innentüren: Lautertal Hasert, Lauterbach/Thür.
Innenausbau: LIGAS Tischlerarbeiten, Berlin
Fliesen: cerawerk, Hennigsdorf
Malerarbeiten: temps, Kloster Lehnihn / Leiste, Hohen Neuendorf
Bodenbeläge: Schandert, Jüterbog
Schließanlage: WSD Security, Teltow
Beschilderung: Drucken Werben Kanschur, Königs Wusterhausen
Einbaumöbel: GuT Tischlerei, Coswig
Heizung und Sanitär: Frank Dahms
Lüftung: BWK
Freianlagen: Märkisch Grün
Fernwärme: Stadtwerke Oranienburg
PV-Anlage: Energiepark Brandenburg
Hersteller
Schaumglasschotter: Franz Rottner bi-foam BFS 160
Holzwerkstoffplatten: Swisskrono E1
Stahl-Glas-Elemente: Schüco Jansen Janisol / Economy
Pfosten-Riegel-Holzfassaden und Glasdächer: Gutmann Lara GF
Faserzementverkleidungen: Etex Eterplan natur
Vergrauungslasur außen: Keim Lignosil Verano
Holzfaserdämmung Dach: Steico Roof dry
Holzfaserdämmung Außenwand: Gutex Multitherm mit Einblasdämmung Gutex Thermofibre
Innenwände: Steicoflex
Dachabdichtung EPDM: Resitrix SKW Full Bond (Carlisle)
Dachverblechung: Rheinzink Classic
Dachbegrünung: Bauder GREEN, Biodiversitätsmischung (Sedum, Kräuter, Stauden)
Dachfenster: Velux
Sonnenschutz: Warema Easy Zip Screen / Steuerung Warema Wisotronic
Akustikdecken: Troldtekt HWL Akustikplatten Ultrafein Hell Natur
Beschichtungen innen: Lasuranstrich geschliffene OSB Platten: Jansen ISO-TPL Lasur / Jansen GmbH, Ahrweiler
Vollholzlasur: Adler Lignovit Interior UV100
Wandbeschichtung GK: Caparol Sylitol Bio
Tafelfarbe: Jaeger Schultafellack
Holztreppe: Woca Natural Soap mit Aufhellung Softwood Lye
Fußbodenbelag: Objectflor Kautschuk Artigo ND Uni blaugrau
Beschläge: FSB Modell 1243 Edelstahl, Steckgriffe und Langschildgarnituren
Nachtauskühlung: Westaflex Schallschutz- Lüftungsbaustein für Wandeinbau
Beschilderung: WoodSign E Ahorn
Feststell- und Freilaufschließer: Dormakaba
Schließanlage: Assa Abloy / Zi Ikon
Fußbodenheizung: Schütz System-Nockenfolie (zirkulär trennbar)
Photovoltaikanlage: Solarmodule Heckert Solar (Made in Germany…), Wechselrichter SolarEdge
Schaltersystem: Merten System M
Beleuchtung Treppenhaus: RZB Flatliner Chintz Flure:
Beleuchtung Flure: RZB Flat Polymero Kreis
Beleuchtung Gruppenräume: LED- Anbaupaneel RIDI FPL
Möblierung: Individuell angefertigte Tischlerarbeiten
Energiestandard
GEG 2020
Bruttogeschossfläche
1.504 m² BGF (R+S)
Gebäudevolumen
5.783 m³ BRI (R+S)
Gebäudekosten
ca. 3.500.000 €
Gesamtkosten
ca. 5.900.000 €
Auszeichnungen
Nominiert für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2024
Ausgewählt für die Ausstellung Zukunftsfähiger Holzbau in Mitteldeutschland der AK Sachsen
Fotos
Simon Menges