Schatzhaus am Eifelwall

Waechter + Waechter
9. März 2022
Das Schatzhaus erhebt sich aus der Mitte einer dreigeschossigen Mantelbebauung mit Einblicken in die öffentlichen und internen Bereiche der Archive (Foto: Brigida González)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Mit all den einzigartigen Zeugnissen regionaler und überregionaler Geschichte, mit seinen unvorstellbar wertvollen Urkunden und Dokumenten aus über tausend Jahren Stadtgeschichte, gilt das Historische Archiv als eines der bedeutendsten Kommunalarchive nördlich der Alpen. Möglich wurde dies, da in dieser Stadt bereits sehr früh die Bedeutung des Stadtgedächtnisses für die Gegenwart und für nachfolgende Generationen erkannt wurde. Leider sind mit der Geschichte des Historischen Archivs jedoch auch die tragischen Ereignisse, das menschliche Leid, der Schmerz und der Verlust im Zusammenhang mit dem Einsturz, ausgelöst durch Baumaßnahmen der U-Bahn im Jahr 2009, verbunden.

Bewusst haben wir auf jegliches Narrativ, weder das des Unglücks, noch der bedeutungsschweren Vergangenheit, auf Pathos und Erhabenheit, verzichtet. Die Gestalt und die Typologie ist von innen heraus entwickelt – aus der inhaltlichen Konzeption, der Anatomie eines Hauses, in dem gesammelt und bewahrt aber zugleich auch restauriert, erschlossen, gelesen, geforscht und auch pädagogische Bildungsarbeit geleistet wird.

Eingangsfassade an der Luxemburger Straße mit Blick in den Ausstellungsraum und Lesesaal (Foto: Brigida González)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Uns interessierte, den Antagonismus, den scheinbaren Widerspruch zwischen offenem Bürgerarchiv und Schatzkammer, Kulturhaus und Wissensspeicher, zwischen Öffnung und Schutz für das Archivgut, aufzulösen. Insofern scheint in Erinnerung an das Geschehene der dreigeschossige Ring mit Ausstellungsbereich, Lesesaal, Büros und Werkstätten das kostbare Archivgut gleichsam schützend zu umarmen. Das eingestellte Schatzhaus überragt, seiner Bedeutung entsprechend, diesen Mantel um drei Geschosse und ist damit auch in der Fernwirkung sichtbar. Durch die geschlossenen Fassaden ist das wertvolle Gut gegen schwankendes Klima, Wind und Regen geschützt, das kompakte Volumen ist zudem energetisch sinnvoll.

Ganz anders als die Vorgängerbauten in Köln und die Typologien historischer Archivbauten öffnet sich jedoch der umschließende Mantel in den öffentlichen Raum. Zur Luxemburger Straße ermöglicht eine völlig transparente Eingangsfassade Einblick in den Ausstellungs- und Vortragsraum, sodass Bürger und Forscher, Studierende und Wissenschaftler, eingeladen werden zum Arbeiten, Nachschlagen, Lesen und Forschen, zum Besuch von Ausstellungen und Vorträgen. Die Labore, Werkstätten und Lagerräume sowie die Verwaltungsräume öffnen sich zum Eifelwall und zur umgebenden Parklandschaft. Bürger können teilhaben an den Restaurationsarbeiten in den Werkstätten, Mitarbeiter und Besucher profitieren von der Schönheit des zukünftig in Richtung Rhein verlängerten Grüngürtels.

Über den begrünten Innenhof geht der Blick aus dem Foyer auf die Fassade des Magazinbaus (Foto: Brigida González)
Die galerieartige Erschließung im Foyer verbindet Ausstellungsraum und Lesesaal (Foto: Brigida González)
Arbeitsplätze im Lesesaal (Foto: Brigida González)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Straßenname Eifelwall zeugt von der ehemals hier verlaufenden preußischen Umwallung, die in nord-westlicher Richtung bereits früh zum inneren Grüngürtel umgestaltet wurde. In süd-östlicher Richtung hingegen wurden die geschleiften Wallanlagen nach dem Zweiten Weltkrieg vielfach gewerblich bebaut. Mit dem städtebaulichen Masterplan wurde 2008 das Ziel entwickelt, den Grüngürtel im Süden der Stadt bis an den Rhein zu verlängern.

Die Entscheidung, den Ersatzbau als Auftakt für die Verlängerung des Grüngürtels und nicht versteckt am Stadtrand im Industriegebiet zu verorten, entspricht dem urväterlichen Verständnis für die Bedeutung des Stadtgedächtnisses gerade auch in einer modernen Stadtgesellschaft. Am Übergang zwischen Park und der gewachsenen Wohnbebauung akzentuiert das neue Archiv nun den Stadteingang und setzt programmatisch wie baulich die Folge der Institutsbauten fort. Der trichterförmig aufgeweitete Vorplatz zur Luxemburger Straße dient als Treffpunkt zum Austausch und zur Begegnung vor oder nach dem Besuch und als Eingang zur geplanten Parkanlage.

Der ringförmige Erschließung im Mantelbau ermöglicht stets wechselvolle Aus- und Einblicke (Foto: Brigida González)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Die Vision eines neuen Verständnisses als Bürgerarchiv sollte durch die Zusammenlegung mit dem Rheinischen Bildarchiv, dem Bildgedächtnis der Kölner Museen und der Kunst- und Museumsbibliothek gestärkt werden. 2013 entschied der Rat der Stadt Köln davon abweichend die Kunst- und Museumsbibliothek nicht zu integrieren. Die im Wettbewerb entwickelte Typologie erlaubte jedoch das Raumvolumen zu reduzieren, ohne das städtebauliche und räumliche Konzept und die gewünschte Anmutung grundsätzlich zu ändern.

In den Magazinräumen im Schatzhaus werden die Archivalien auf 65'000 Regalmetern und in 460 Planschränken sicher untergebracht (Foto: Brigida González)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das Nachhaltigkeitskonzept basiert auf einer an wechselnde Nutzungen anpassbaren Struktur, Energiegewinnung u.a. mit Eisspeicher und langlebige Materialien. Die hohen Anforderungen an die Klimastabilität wird über passive Maßnahmen, wie die tiefe „brise soleil“ und die Aktivierung der Baumasse z.B. durch eine Hüllflächentemperierung erreicht.

Die Angemessenheit und nicht das Spektakuläre, der sinnvolle Gebrauch von Atmosphäre, Raum, Material ohne Überfluss, auf das Wesentliche reduziert, ohne Aufgeregtheit und modische Attitüden, bewirkt eine Ruhe und Zeitlosigkeit, die für eine lange Nutzung Voraussetzung ist.

Die Restaurierung der beim Einsturz des alten Archivgebäudes z.T. stark beschädigten Dokumente erfolgt in verschiedenen Werkstattbereichen wie z.B. der Nassrestaurierung (Foto: Brigida González)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die mit schöner Patina alternde Baubronze wirkt je nach Lichtstimmung unterschiedlich, oftmals wie von innen strahlend und zurückgenommen zugleich, und verändert sich im Tagesverlauf und im Wechsel der Lichtverhältnisse stetig. Die lebhafte Textur der hell geseiften Douglasie bestimmt die öffentlichen Räume als Dielenbelag, Wand- oder Deckenbekleidung.

Lageplan (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Schnitt (Zeichnung: Waechter + Waechter)
Historisches Archiv der Stadt Köln und Rheinisches Bildarchiv
2021
Eifelwall 5
50674 Köln
 
Nutzung
Archivgebäude mit Lesesaal und Ausstellungsraum
 
Auftragsart
Neubau
 
Bauherrschaft
Gebäudewirtschaft der Stadt Köln
 
Architektur
Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB, Darmstadt
Prof. Dipl. Ing. M.Arch. Felix Waechter und Dipl. Ing. Sibylle Waechter
 
Fachplaner
Projektsteuerung: BMP Baumanagement GmbH
Detailplanung Fassade: Waechter + Waechter Architekten BDA PartmbB mit Werner Sobek AG
Ausschreibung und Objektüberwachung Gebäude: Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten
Ausführungsplanung, Ausschreibung und Objektüberwachung Freianlagen: Riehl Bauermann + Partner Landschaftsarchitekten
TGA-Planung, Ausschreibung und Objektüberwachung TGA: agn Niederberghaus & Partner GmbH
Tragwerksplanung: IDK Kleinjohann GmbH & Co. KG Köln
Prüfstatik: Pirlet & Partner Baukonstruktion
Baugrundgutachten: CDM Smith Consult GmbH
Lichtplanung: Licht Kunst Licht AG
Bauphysik, Klimakonzept Magazinbau, Raumakustik: Müller BBM GmbH
Brandschutzplanung BPK Fire Safety Consultants GmbH & Co. KG
SiGeKo: IGIB Ingenieurgesellschaft mbH
Inbetriebnahmemanagement: Reichel Ingenieurgesellschaft für Gebäudetechnik mbH
Nutzerberatung, Klima-Monitoring Fraunhofer-Institut für Bauphysik
 
Bauleitung
Heinle, Wischer und Partner Freie Architekten

Hersteller
Fenster, PR Fassade: Gutmann
Sonnenschutz: Warema
Blendschutz und Verdunklungsvorhänge: Kvadrat
Holzlamellendecke: Hunter Douglas
Streckmetalldecke: Lindner
Innentüren Holz: Neuform
Innentüren Stahl, Aluminium Rahmen Türen: Hörmann
Beschläge: FSB
HPL Wandbekleidungen: Egger
Dielenboden: Dinesen
Linoleumbeläge: Forbo
Fliesen: Mosa / Villeroy & Boch
Regalanlagen: Bruynzeel

Bruttogeschossfläche
22.580 m²
 
Gebäudevolumen
81.510 m³

Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Brigida González

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