Puristisch Weiß

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7. August 2019
Westfassade des Laborbaus (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Das sind hier wohl der außergewöhnliche Ort und die damit verbundenen städtebaulichen Rahmenbedingungen. Das Wettbewerbsgelände wird gegenwärtig von der veterinärmedizinischen Fakulät der LMU belegt, die in Zukunft einen neuen Campus in Oberschleißheim erhalten wird. Der ausgeschriebene Wettbewerb sah daher nicht nur die Planung eines einzelnen Laborgebäudes, sondern auch die städtebauliche Planung eines gesamten naturwissenschaftlichen Campus für die LMU, direkt am Englischen Garten vor. Dies bedeutet den kompletten Abriss der Bestandsbauten und die Möglichkeit der LMU, in direkter Nähe zum historischen Hauptgebäude einen modernen Wissenschaftscampus für das Exzellenzcluster der Physik zu bauen. Wir haben sowohl für den Städtebau als auch den Realisierungsteil den 1. Preis erhalten und konnten mit dem Nano-Institut den ersten Baustein für den zukünftigen Entwicklungscampus Königinstraße realisieren.

Foyer (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Foyer (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Das ausschlaggebende Element für den Entwurf war die sogenannte Isarhangkante. Diese beschreibt eine Höhendifferenz von bis zu drei Metern, die zwischen der am westlichen Rand verlaufenden Königinstrasse und dem Englischen Garten verläuft. Diese Höhendifferenz sollte laut Auslobung im Städtebau ablesbar sein und hat uns veranlasst, den Straßensaum zur Königinstraße weitestgehend unbebaut zu lassen und nur mit drei Solitären, die sich in die Hangkante schieben, zu belegen. Daraus ist als freiraumplanerische Besonderheit ein großer Hanggarten entstanden, der den freiräumlichen Auftakt zum Englischen Garten bildet. Dieser wird zukünftig im Süden durch das sogenannte Forumsgebäude und im Norden durch das Nano-Institut begrenzt.

Atrium als Sozialbereich (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Das Nano-Institut ist ein großer Solitärbau, der den Übergang von der geschlossenen Blockrandbebauung der Maxvorstadt zum Englischen Garten markiert. Der Baukörper schiebt sich in die Isarhangkante und erhält eine baukörperliche Dreiteilung. Das Sockelgeschoss in der Isarhangkante vermittelt zwischen Campus und Straßenniveau. Das transparente Eingangsgeschoss zur Königinstraße ist seinerseits der Vermittler zwischen den obergeschossigen Lehrstuhletagen und dem Sockel- und Untergeschoss, das die dienenden Technikflächen und hochsensiblen Messlabore aufnimmt.

Mit der weißen Keramikfassade nimmt der Neubau die Farbigkeit der hellen Putzbauten der Umgebung auf. Mit dem Glanzgrad und der Plastizität der einzelnen Keramikmodule wird das Erscheinungsbild des Gebäudes dem ideellen Anspruch eines Forschungsgebäudes gerecht, in dem nicht weniger als die Energiewende (Photovoltaik und Photokatalyse) verhandelt wird.

Büroflur (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Der Entwurf hat zwei große Veränderungen zum Wettbewerb erfahren. Die im Wettbewerb vorgeschlagene Membranfassade wurde vom Hochbauamt grundsätzlich mit der Begründung abgelehnt, dass man sich eine Membranfassade in München gut im Gewerbegebiet vorstellen könne, nicht aber direkt am Englischen Garten. Das Gebäude hat stattdessen eine hochwertige Keramikbekleidung erhalten. Eine weitere Veränderung war die Lage der Labore und Büros, die in der Überarbeitung gespiegelt wurden, weil die Lehrstühle mit ihren Büros zum Englischen Garten ausgerichtet sein wollten.

Labor im Untergeschosss (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Zu den oben genannten Änderungen hat sich eine dritte grundsätzliche Änderung in der Organisation der Untergeschosse ergeben. Das im Wettbewerb ausladende Sockelgeschoss mit den empfindlichen und schwingungsarmen Messlaboren wurde zugunsten eines weiteren Untergeschosses verändert. Hierdurch erhalten das Sockel- und Untergeschoss den gleichen Grundrissabdruck wie die Obergeschosse. Dies ermöglicht einen direkten Lastabtrag und die empfindlichen Messräume im Untergeschoss sind von ungewollten Schwingungseintragungen abgeschirmt.

Ausschnitt Keramik (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das Bauvorhaben ist genau in die bisher jüngste Änderung der EnEv 2015 gerutscht. Dies bedeutete insbesondere eine Verschärfung des sommerlichen Wärmeschutzes. Gestalterisch hat sich das auf die Ausbildung der Erdgeschoss-Ebene ausgewirkt, die wir anfänglich transparenter geplant haben. Der höchstmögliche Verglasungsanteil der kleineren Eckräume hat daher im Erdgeschoss die Fassadengliederung mit einem umgreifenden Brüstungsband bis auf die östliche Eingangsfassade determiniert.

Die Raumakustik wird bei allen öffentlichen Gebäuden ein zunehmend wichtigerer Faktor. Für unseren Entwurf bedeutete dies die durchgehende Verwendung von Akustiklamellen in den Deckenbereichen und akustisch wirksame, hölzerne Bekleidungen in den Wandbereichen für die Erschließungs- und Kommunikationsflächen. Auf diese Weise hat das Gebäude im Eingangsfoyer und im geschossübergreifenden Atrium eine sehr haptische Atmosphäre erhalten, die im gestalterischen Gegensatz zu den klinischen Laborbereichen steht.

Nano-Institut an der Königinstraße (Foto: Stefan Müller-Naumann)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Für die Fassaden haben wir ein hochwertig beschichtetes Material einsetzen wollen, das sich am Forschungsinhalt der Lehrstühle mit dem Fokus auf Nanobeschichtungen orientiert. Dies hat uns auf die Schönheit von Keramikglasuren gebracht, die in Kombination mit den Möglichkeiten von sehr plastischen Strangprofilen das facettenreiche, fast ornamentale Außenbild des Nanoinstituts bestimmt.

1. Bauabschnitt (Zeichnung: kklf)
Rahmenplan (Zeichnung: kklf)
Grundriss 1. Obergeschoss (Zeichnung: kklf)
Querschnitt (Zeichnung: kklf)
Forschungsbau Nano-Institut LMU München
2019
Königinstraße 10
80539 München

Nutzung
Laborgebäude

Auftragsart
Wettbewerbsgewinn
Städtebaulicher Wettbewerb Entwicklungscampus Königinstraße, 1.Preis
Hochbaulicher Realisierungswettbewerb Neubau Nano-Institut LMU München, 1.Preis

Bauherrschaft
Ludwig-Maximilians-Universität, vertreten durch das Staatliche Bauamt München 2
 
Architektur
kleyer.koblitz.letzel.freivogel gesellschaft von architekten mbh
Verantwortlicher Geschäftsführer: Alexander Elgin Koblitz
Projektleiter: Peter Rieder
Mitarbeiter: Philip Werner, Robert Bleschert, Sonja Willaredt, Stefan Maria Münch
 
Fachplaner
Freiraumplanung: SINAI, gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH, Berlin
Tragwerksplanung: Mayr Ludescher Partner, Beratende Ingenieure, München
TGA: Rentschler und Riedesser Ingenieurgesellschaft mbh, Filderstadt
Elektro: IEP Ingenieurbüro Elektroplanung, München
Laborplanung: Dr. Heinekamp, Labor- und Institutsplanung, Karlsfeld
Bauphysik: Müller-BBM GmbH, Planegg
Brandschutz: hhpberlin, Ingenieure für Brandschutz GmbH

Bauleitung
Ernst2 Architekten, München

Ausführende Firmen
Rohbau: Wayss & Freytag Ingenieurbau AG, München
Fassade: Starz Metallbau GmbH & Co.KG, Aalen
Gussasphalt: Singhammer Bodensystem GmbH, Rimsting
Trocken- Innenausbau: Lindner AG, Amstorf
Tischler: Füchsle GmbH, Steinheim am Albuch
Schlosser: Johann Niederhammer GmbH, Triftern
Holzwerkstofftüren: MBE-Bauelemente, Bärenstein
Stahlblech- Stahlglastüren: Bran&co Metallbau GmbH, Bad Freienwalde
Bodenbelag: straehuber AG, Dorfen
Fliesen: Fliesen Schwimmer e.K., Landshut
Maler: Oliver B&B Profi Lehmann, Windischleuba
Elektro: Zausinger GmbH & C0.KG, München
Lüftung: Carl Friedemann GmbH & Co.KG, Weiden i. d. Opf.
Sanitär: Manfred Himmelreich GmbH & Co.KG, München
Technische Gase: Dräger Medical ANSY GmbH, Nürnberg
Heizung, Kälte: Stübinger Haustechnik GmbH, Selb
Gebäudeautomation: Neuberger Anlagen-Technik AG, Dachau
 
Hersteller
Keramikfassade: NBK Keramik GmbH
Akustiklamelle: Lindner AG, Arnstorf
Wandverkleidung: Lignotrend Produktions GmbH, Wellheim-Bannholz

Energiestandard
Behaglichkeitskategorie II
Die Einhaltung des formalen Nachweises des sommerlichen Wärmeschutzes nach DIN 4108-2 sichert nicht zwangsläufig ein behagliches Raumklima, da darin nur Mindestanforderungen formuliert sind. Für Baumaßnahmen des Bundes und Zuwendungsmaßnahmen wurde vor diesem Hintergrund der sog. „Klimaerlass“ A verfasst. Dieser enthält Bestimmungen für die Beauftragung und Durchführung von Gebäudesimulationen im Hinblick auf die thermische Behaglichkeit im Sommer. Für alle Neubaumaßnahmen gelten demnach die Temperaturgrenzen der Kategorie II nach DIN EN 15251. (Informativ: Gemäß der genannten Norm gibt es vier Behaglichkeitskategorien von IV (schlechteste) bis I (beste)).
 
Bruttogeschossfläche
6.100 m²

Gebäudevolumen
27.800 m³

Gebäudekosten (X.X €)
26.000.000 € incl. Nebenkosten
 
Fotos
Stefan Müller-Naumann Architekturfotografie, München

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