Markante Verbindung

schlaich bergermann partner
23. August 2017
Zusätzlich zur Bebauung entsteht auf dem Gelände um den künstlichen See auch ein Landschaftspark. Durch die dezente Seilabspannung bleibt der Blick in die Natur weiterhin frei. (Foto: Ingolf Pompe)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Auf einem ehemaligen Militärflugplatz, direkt an der Grenze zwischen den Städten Böblingen und Sindelfingen, entstand in den vergangenen Jahren das neue Quartier „Flugfeld“. Um der ursprünglichen Nutzung des Gebietes gerecht zu werden, sah der städtebauliche Entwurf einen 800 Meter langen künstlichen See vor, der in seinen Dimensionen an die alte Landebahn erinnert. schlaich bergermann partner wurde damit beauftragt, eine etwa 50 Meter überspannende Fuß- und Radfahrerüberquerung mittig über den „Langen See“ zu schaffen. Gewünscht war für diesen wichtigen Ort im Quartier ein markanter, aber sich gleichzeitig gut in die Umgebung einfügender Entwurf.

Von dem Pylon aus sind die Schrägseile so abgespannt, dass sie in ihrer Form an eine Harfe erinnern. (Foto: Ingolf Pompe)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Inspiriert durch die hohe Qualität der neuen Architektur vor Ort haben wir uns für eine einprägsame Formgebung entschieden, die sich als leichter Bogen in die Landschaft schiebt, ohne dabei Blickbeziehungen in den umgebenden Landschaftspark am Ufer des Sees zu verdecken. Entstanden ist eine asymmetrische Schrägseilbrücke mit einem doppelt gekrümmtem Pylon am Südufer; einem engem Raster von Seilen in Harfenanordnung und einem als Verbundkonstruktion ausgeführten Überbau. Sie wird der wichtigen Aufgabe als Ost-/Südquerung durch das Gebiet als gestalterisch ansprechende und technisch anspruchsvolle Landmarke mit hohem Wiedererkennungswert gerecht.

Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die ausführliche Analyse des Ortes ist für uns auch bei kleineren Brückenprojekten wichtig, da auch diese Bauwerke einen großen Einfluss auf ihre Umgebung haben. Dabei zeigt sich hinter der scheinbaren Einfachheit des entstandenen Entwurfes eine sorgfältig ausgeführte, interessante und innovative Lösung.
Im Rahmen einer Machbarkeitsstudie untersuchten wir zunächst verschiedene Brückengrundtypen und verglichen diese miteinander im Hinblick auf gestalterisch und wirtschaftlich Aspekte für den Standort. Es zeigte sich, dass eine asymmetrische Schrägseilbrücke den gewünschten ästhetischen und technischen Anforderungen an eine Fußgängerbrücke an diesem Ort am besten gerecht werden konnte. Die im engen Raster ausgeführte Seilstützung des Pylons ermöglicht eine geringe Höhe des Überbaus, die in Kombination mit dem blickdurchlässigen Seilnetzgeländer ein minimalistisches und nahezu transparentes Bauwerk ermöglicht. Ein Aspekt, der dem Bauherr sehr wichtig war, weil man die Sicht entlang des Sees nicht durch einen massiven Brückenkörper stören wollte.

Für das Geländer wurde ein Seilnetz aus rostfreiem Stahl verwendet, wodurch dieses besonders durchlässig wirkt. Einen massiven Abschluss bildet hier der massive Handlauf aus Edelstahl und Holz. (Foto: Ingolf Pompe)
Zwei Rückspannseile mit einem Durchmesser von 90 Millimetern fangen die Kräfte des Pylons ab. (Foto: Ingolf Pompe)
Beeinflussten konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das augenfälligste Merkmal der Brücke stellt natürlich der gekrümmte Pylon dar. Dieser trägt zum einen der vom Bauherrn gewünschten, gestalterischen Besonderheit Rechnung und bildet gleichzeitig ein Alleinstellungsmerkmal für den Standort. Die leichte Geometrie der Brücke verbindet sich in unserem Entwurf ideal mit statischen Vorteilen der Konstruktion: Durch die Krümmung kann die Biegebeanspruchung der Pylonbeine infolge der in Harfenform angeordneten Schrägseile reduziert und somit die Querschnittsgröße minimiert werden. Mit dem sehr schlanken Überbau entsteht dadurch ein sehr ausgewogenes und harmonisches Bild.

In der Dämmerung wird nicht nur die Brücke beleuchtet, sondern auch der Pylon mit der Seilabspannung angestrahlt. (Foto: Ingolf Pompe)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Als wir mit dem Projekt begannen, befand sich das städtebauliche Projekt bereits in einem späten Stadium der Planung. Wir mussten für unseren Entwurf berücksichtigen, dass am Nordufer des Sees der für eine Gründung zur Verfügung stehende Raum durch die direkt am See verlaufende Promenade und dem als Uferbauwerk dienenden Fangedamm sehr begrenzt war. Zudem war zum Zeitpunkt des Baus der künstlich angelegte See bereits geflutet. Wir konnten also keine Pfeiler für das Brückenbauwerk und Traggerüste zur Brückenmontage im See vorsehen, da sonst die Gefahr bestanden hätte, die Grundabdichtung des Sees zu beschädigen. Dies führte zu der asymmetrischen Lösung. Diese konnte schlussendlich auch so gebaut werden, dass man keine temporäre Stützungen im See benötigte.

Rendering aus der Entwurfsphase (Bild: schlaich bergermann partner)
Konstruktionsschema der Brücke (Zeichnung: schlaich bergermann partner)
Querschnitt des Überbaus (Zeichnung: schlaich bergermann partner)
Längsschnitt der Brücke (Zeichnung: schlaich bergermann partner)
Fußgängerbrücke über den „Langen See“
2016
Böblingen/Sindelfingen

Auftragsart
Leistung: Entwurf, Ausführungsplanung, örtliche Bauüberwachung, Ingenieurtechnische Kontrolle

Bauherrschaft* Zweckverband Flugfeld Böblingen/Sindelfingen

Architektur
schlaich bergermann partner, Stuttgart
​Entwurf, Ausführungsplanung, Bauüberwachung

Fachplaner
Statisch konstruktive Prüfung: Dr.-Ing. Frank Breinlinger, Tuttlingen
Baugrundgutachten: Smoltczyk & Partner, Stuttgart

Bauleitung Bauausführung
​ARGE Seebrücke

Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Ingolf Pompe

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