Lärmschutzwand im Schuppenkleid

JSWD
14. Dezember 2022
Hallenartig aufgeweitete Hauptadresse des neuen Verwaltungsgebäudes am Hybrid.M (Foto: Oliver Heissner)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Die Kombination von Busbetriebshof und Bürogebäude ist hier besonders, insbesondere in dem vorgefundenen städtebaulichen Kontext. Die Mantelbebauung mit den Büros verhindert einerseits den Einblick von der Stadt aus in den eher weniger attraktiven Betrieb im Bushof, andererseits schirmt das winkelförmige Gebäude auch das dahinter liegende Wohngebiet vom Lärm der stark befahrenen Hauptverkehrsadern ab. 

Die Stadtwerke München, kurz SWM, hatten im Jahr 2014 einen Wettbewerb für die Mantelbebauung des geplanten Busbetriebshofs (BBH) namens Hybrid.M im Stadtteil Moosach ausgeschrieben. Lage und Kubatur der großen Abstellhalle für ca. 200 Busse, der zwei Werkstatt- sowie der Waschhalle ergab sich aus der bereits erfolgten Machbarkeitsstudie. Zu planen waren nun Büroflächen zur freien Vermietung, eine Busfahrerschule, die Fahrerverwaltung sowie Lagerflächen der SWM. Darüber hinaus war die architektonische Ausformulierung der Gebäudehüllen (Fassaden und Dächer) aller Hochbauten, und somit auch der Hallen, zu einem harmonischen Ganzen ein zentrales Thema. Gefordert war außerdem die Gestaltung einer südlich an den BBH angrenzenden Grünfläche, die eine wichtige Vernetzungsfunktion im Quartier hat. Diesen Wettbewerb hat JSWD gemeinsam mit dem Büro LAND Germany als Subplaner für die Freianlagen gewonnen. Nach dem anschließendem VOF-Verfahren erhielt JSWD den Auftrag für die Leistungsphasen LP2–4 für die Objektplanung Mantelbebauung (2.OG – 5.OG) und LP5 (Leitdetails Fassade und Innenausbau) sowie LP2–5 für die Außenanlagen (hier mit LAND Germany). Die Planungsgruppe Gestering, Knipping, de Vries (heute PLANUNGXGRUPPE), die bereits mit der Planung des Busbetriebshofes beauftragt war, übernahmen ab der LP5 die gesamte Objektplanung.

Blick von Südwesten auf die Mantelbebauung und den Busbetriebshof der Stadtwerke München (Foto: wettbewerbe aktuell)
Welche Inspirationen liegen diesem Projekt zugrunde?

Besonderes Augenmerk lag schon im Wettbewerb auf dem Umgang mit der großen Baumasse, im Besonderen der enormen Länge (insgesamt 400 Meter) der Mantelbebauung. Mit der gegliederten Fassade wird die Monotonie gebrochen. Die von JSWD entworfene Schuppenfassade mit sägezahnartig gegeneinander versetzten Fensterelementen, die wesentlich zur Entschleunigung des langgestreckten Baukörpers beiträgt, konnte umgesetzt werden – ebenso das Ziel einer homogenen „Fassadenfamilie“ für alle Gebäude des neuen Hybrid.M-Ensembles.

Das Projekt bietet eine attraktive und hochflexible Bürowelt für verschiedene Nutzungen (Open Space, Kombi- und Einzelbüros …) und die Möglichkeit zur individuellen Aufteilung der Mieteinheiten.

Das Gebäude ist über dem U-Bahn-Abgang aufgeständert. Erd- und erstes Obergeschoss werden durch die Fassade zusammengebunden und springen von der Hauptkubatur nach innen. Die unterschiedlich breiten und in der Teilung versetzten Fassadenfelder der Büroetagen darüber brechen die Monotonie des überlangen Gebäudes und den Schall. (Foto: Oliver Heissner)
Der längere Schenkel des Winkelbaus endet mit dem Parkhaus und seiner kreisrunden Rampenspindel. Die Fassadentypologie wird hier mit schräg gestellten Metalltafeln variiert. (Foto: Oliver Heissner)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Die neue Mantelbebauung bildet eine klare, räumliche Kante zu den beiden Hauptverkehrsachsen hin. Neben der städtebaulichen Fassung dient der ungleichschenklige, sechsgeschossige Winkelbau auch dem Lärmschutz der dahinter liegenden Wohnbebauung. Die Bürogeschosse 2–5 kragen straßenseitig über den Sockel aus Erdgeschoss und erstem Obergeschoss vor. Der räumliche Höhepunkt des Neubaus und damit die Hauptadresse bildet die hallenartige Aufweitung der nordwestlichen Gebäudeecke über dem Abgang zur U-Bahn Ecke Georg-Brauchle-Ring / Hanauer Straße. Von hier gibt es eine optimale Anbindung an den ÖPNV (U-Bahn). Die Tragwerksfindung entstand übrigens auch unter Berücksichtigung der statischen Abhängigkeiten durch den vorhandenen U-Bahn-Abgang. 

Blick in die große Fahrzeughalle (Foto: Oliver Heissner)
Inwiefern haben Bauherrschaft, Auftraggeber oder die späteren NutzerInnen den Entwurf beeinflusst?

Das ursprüngliche Raumprogramm wurde in Teilen durch den Auftraggeber angepasst. Die PKW-Stellpätze wurden beispielsweise in die Mantelbebauung integriert. Damit entfiel das Parkdeck auf der Busabstellhalle, das im Wettbewerb die notwendigen Stellplätze für die Büros abdeckte.

Außerdem sollte eine möglichst kleinteilige Vermietung möglich sein. Dies hatte Einfluss auf die Grundrissorganisation (vertikale Erschließung, Lage der WC-Kerne etc.). Ausgeführt wurde ein „veredelter Rohbau“ mit durchgehendem Deckenkoffer. Die Heiz-Kühl-Segel sind auf die Fensterachsen bezogen. So kann die Größe der Büroeinheit dem Bedarf der jeweiligen Mieter angepasst werden.

Eckdetail der Bürohausfassade. Innerhalb der versetzt angeordneten Fassadenfelder verlaufen die Glasebenen schräg zur Gebäudekante (Foto: Oliver Heissner)
Wie hat sich das Projekt vom ersten Entwurf bis zum vollendeten Bauwerk verändert?

Im Vergleich zum Wettbewerb haben sich einzelne funktionale Änderungen ergeben. Am östlichen Ende der Bebauung am stark befahrenen Georg-Brauchle-Ring wurde ein Teil der zunächst vorgesehenen Büroflächen durch eine Hochgarage mit kreisrunder Rampe ersetzt. Die Fassade wurde hier in Folge nutzungsabhängig variiert.

Blick von Süd-Westen auf die Mantelbebauung und den Busbetriebshof der Stadtwerke München (Foto: Oliver Heissner)
Beeinflussten aktuelle energetische, konstruktive oder gestalterische Tendenzen das Projekt?

Das Gesamtprojekt wurde unter Berücksichtigung mehrerer Nachhaltigkeitsaspekte geplant. So wurden alle Dachflächen extensiv begrünt. Auf der Hochgarage wurde eine PV-Anlage installiert. 
Fernkälte und Fernwärme werden in einen klugen Kreislauf eingespeist und eine Wasseraufbereitungsanlage ergänzt das Konzept.

Die bodentiefen Fensterflächen der Büros gewährleisten ein Maximum an Tageslichtausbeute. Der direkte Solareintrag wurde aber möglichst reduziert und damit die erforderliche TGA und Kühltechnik optimiert. 

Blick von Süd-Osten auf den Busbetriebshof – im Vordergrund die große Busabstellhalle mit extensiver Dachbegrünung (Foto: wettbewerbe aktuell)
Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die eingesetzten Hohlkörperdecken reduzieren die Menge des benötigten Betons und damit den CO₂-Fußabdruck.

Schwarzplan (Zeichnung: JSWD)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: JSWD)
Grundrissausschnitte 2. Obergeschoss (Zeichnung: JSWD)
Schnitt (Zeichnung: JSWD)
Mantelbebauung Busbetriebshof HYBRID.M 
2022
Hanauer Straße 26, Ecke Georg-Brauchle-Ring
80992 München-Moosach

Nutzung
Büro, Busbetriebshof, Hochgarage
 
Auftragsart
Realisierungswettbewerb 2014
 
Bauherrschaft
SWM, Stadtwerke München
 
Architektur
JSWD, Köln

Fachplaner
Freianlagen: LAND Germany, Düsseldorf
Ab LPH 5: Planungsgruppe Gestering, Knipping, de Vries, Bremen (heute PLANUNGXGRUPPE)
Fassadenplanung: ARUP, Berlin
 
Bauleitung
PLANUNGXGRUPPE, Bremen

Ausführende Firmen
Fassade: Radeburger Fensterbau GmbH

Hersteller
Pfosten-Riegel-Fassade und Fenster: Schüco

Bruttogeschossfläche
35.000 m²
 
Gebäudevolumen
116.000 m³
 
Gesamtkosten
k.A.

Fotos
Oliver Heissner
 
Luftfotos
wettbewerbe aktuell

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