Gebaute Fuge

Staab Architekten
21. Juni 2017
Blick aus der Altstadt vom Ingolstädter Münster auf die Alte Anatomie und den Arzneipflanzengarten. Links schließt sich der Erweiterungsbau an. (Foto: Marcus Ebener)
Worin liegt das Besondere an dieser Bauaufgabe?

Auf einem schmalen Grundstück sollte ein Anbau an das barocke Anatomiegebäude realisiert werden, das bis dahin das Medizinhistorische Museum beherbergte. Der kleine Neubau sollte zugleich den Haupteingang und das Foyer des Museums, den Sonderausstellungsbereich mit Übergang in den Altbau, die Verwaltung und den öffentlichen Durchgang in den Arzneipflanzengarten aufnehmen – sehr verschiedene Anforderungen, die auf dem Grundstück nicht leicht räumlich anzuordnen waren. Hinzu kam die Tatsache, dass der barocke Altbau, der bis dahin an die kleinen, traufständigen Häusern der Altstadt angebaut war, aufgrund seiner Bedeutung und seiner Gestaltung nach einer gewissen Freistellung verlangte. So wurde auch die Rolle des Neubaus im Zusammenspiel mit dem Ort zur Grundlage unseres Konzepts.

Der Erweiterungsbau weicht hinter den seitlichen Hecken zurück, um die symmetrische Ansicht des Arzneipflanzengartens und des Anatomiegebäudes zu erhalten. (Foto: Marcus Ebener)
Straßenansicht des Medizinhistorischen Museums. Links der Barockbau der Alten Anatomie, im Vordergrund der leicht eingeschwenkte Erweiterungsbau mit Haupteingang und Durchgang in den Arzneipflanzengarten. (Foto: Marcus Ebener)
Zweigeschossiges Foyer mit Treppe zur Sonderausstellung und zum Museumsrundgang. Links schließt das Café im Altbau an. (Foto: Marcus Ebener)
Panoramafenster am Ende der Treppe mit Blick auf die Universität (Hohe Schule) und die Universitätskirche (Münster), die mit der Alten Anatomie das Akademische Dreieck der Stadt Ingolstadt bilden. (Foto: Marcus Ebener)
Wie reagiert der Entwurf auf den Ort?

Der Anbau sollte wie eine Fuge zwischen dem Anatomiegebäude und der kleinteiligen Altstadtbebauung funktionieren. Das bedeutet, er nimmt sich zurück und lässt die symmetrische Anlage des Altbaus und des Kräutergartens voll zur Wirkung kommen. Zur Straße hin wird dies durch ein leichtes Einschwenken des Anbaus erreicht, das den Altbau stärker freistellt und gleichzeitig den Haupteingang in das Museum markiert. Zum Garten hin weicht der Anbau so weit wie möglich hinter der seitlichen, den barocken Garten begrenzenden Hecke zurück, was die charakteristische Gartenansicht der Anlage erhält. Die warme Brauntönung der eloxierten Aluminiumfassade unterstreicht diese Zurückhaltung und setzt das Museum von seinen Nachbarn ab.
Um all die räumlichen Vorgaben und die Dachkanten der angrenzenden Gebäude aufnehmen zu können, haben wir einen mehrfach gefalteten Baukörper entworfen, der gleichzeitig eine große gestalterische Eigenständigkeit aufweist.

Gartenseitiger Anschluss des Erweiterungsbaus an den Altbau mit Durchgang zur Straße (Foto: Marcus Ebener)
​Welche speziellen Produkte oder Materialien haben zum Erfolg des vollendeten Bauwerks beigetragen?

Die dreidimensionale Oberflächenstruktur der eloxierten Aluminiumplatten konnten wir mit einem lokalen Hersteller – der in Ingolstadt ansässigen Firma Fielitz GmbH – realisieren, die in diesem Bereich ein ausgewiesenes Know-how besitzt. Diese Struktur setzt sich auch auf den sichtbaren Dachflächen fort und betont so die Plastizität des Gebäudes.
Für das mehrfach gefaltete Dach lag eine freitragende Holzkonstruktion nahe, die stützenfrei das Dachgeschoss überspannt. In Abstimmung mit dem Tragwerksplaner entschieden wir uns für ein vorfabriziertes Faltwerk aus 14 cm dickem, verleimtem Brettsperrholz, das innerhalb von zwei Wochen aufgerichtet wurde, und dessen Unterseite bereits die Sichtoberfläche des Daches bildete.
Form, Konstruktion und Material folgten damit schlüssig dem zuvor definierten Entwurfskonzept.

Lageplan (Zeichnung: Staab Architekten)
Grundriss Erdgeschoss (Zeichnung: Staab Architekten)
Schnitt (Zeichnung: Staab Architekten)
Erweiterung Deutsches Medizinhistorisches Museum
2016
Anatomiestraße 18 - 20
85049  Ingolstadt

Auftragsart
Gutachterverfahren

Bauherr
Stadt Ingolstadt, Hochbauamt​

​Architektur
Staab Architekten, Berlin
PL: Madina v. Arnim, Alexander Böhme, Charlotte Stein

Fachplaner
Tragwerksplanung: Grad Ingenieurplanungen, Ingolstadt
Freiraumplanung Büro Freiraum, Freising
Haustechnik: Team für Technik GmbH, Eichstätt
Elektroplanung: sbi Schicho Ingenieure, Regensburg

Bauleitung
Michael Schmid Architekten, Augsburg

Hersteller/Produkte
3D-Fassadenplatten: Fielitz GmbH, Ingolstadt
Brettsperrholzplatten freitragende Dachkonstruktion:
Merk Holzbau GmbH, Bad Wurzach-Unterschwarzach

Energiestandard
Gemäß ENEV 

Bruttogrundfläche
1.840 m²

Gebäudevolumen
5.350 m³

Gebäudekosten
3.500.000 €

Gesamtkosten
5.200.000 €

Fotos
Marcus Ebener, Berlin 

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